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Miriam Waldvogel

Wilhelm Kaulbachs Narrenhaus (um 1830) Zum Bild des Wahnsinns in der Biedermeierzeit

LMU-Publikationen / Geschichts- und Kunstwissenschaften Nr. 18 (2007) http://epub.ub.uni-muenchen.de/

Inhaltsverzeichnis

TEIL 1: TEXT

1

1.

Vorbemerkungen

1

1.1.

Einleitung

1

1.2.

Forschungsüberblick

6

1.3.

Bildbeschreibung

9

1.4.

Entstehungsgeschichte des Narrenhauses

12

1.5.

Der Kommentar zum Narrenhaus von Guido Görres

13

Die Tradition des Wahnsinns in der Kunst seit dem 18. Jahrhundert

17

2. 2.1.

William Hogarth: A Rake´s Progress, Blatt 8: Rakewell in Bedlam, 1735 (1763): Der Wahnsinn als Satire

17

2.2.

Das Motiv um 1800: Der anrührende Wahnsinn

20

2.3.

Francisco Goya: Der Wahnsinn der Welt

22

2.4.

Eugène Delacroix: Der Wahnsinn als Künstlerleiden

23

2.5.

Die psychiatrischen Abbildungen: Der medizinisch diagnostizierte Wahnsinn

24

2.5.1. Philippe Pinel

24

2.5.2. Jean-Étienne Dominique Esquirol

26

2.5.3. Théodore Géricault

27

3. 3.1.

Das Narrenhaus im Kontext seiner Zeit

28

Die Hinwendung des Narrenhauses zum Realismus

28

3.1.1. Abgrenzung zur Tradition der Wahnsinnsdarstellungen

28

3.1.2. Adaption der psychiatrischen Methode

32

3.1.3. Abgrenzung zum zeitgenössischen Kunstgeschmack

36

3.1.4. Abgrenzung zur zeitgenössischen Genremalerei

39

3.1.5. Abgrenzung zum Gruppenporträt

41

3.2.

Anknüpfung des Narrenhauses an den Idealismus

3.2.1. Verhaftung in der idealistischen Kunsttradition

44 44

3.2.2. Der stereotype Wahnsinn – zur Sicht des Wahnsinnigen am Anfang des 19. Jahrhunderts

4. 4.1.

45

3.2.2.1.

Hintergründe der Stereotypenbildung

45

3.2.2.2.

Physiognomische Stereotype

47

3.2.2.3.

Stereotype Klassifizierungen des Wahnsinns

50

3.2.2.4.

Geschlechterspezifische Stereotype

56

Ambivalenz des Narrenhauses

61

Die zeitgenössische Rezeption von Kaulbachs Narrenhaus

62

4.1.1. Die Rezeption in Deutschland

62

4.1.1.1.

Guido Görres, 1836

62

4.1.1.2.

Karl Rosenkranz, 1853

64

4.1.1.3.

Johann August Schilling, 1863

4.1.2. Die Rezeption in Frankreich

68

4.1.2.1.

Théophile Gautier, 1856

69

4.1.2.2.

Charles Baudelaire, 1859 und 1868

69

4.1.3. Fazit: Das Narrenhaus in der französischen und deutschen Rezeption 5.

67

71

Das Narrenhaus als Karriereauftakt – Strategie oder Zufall?

73

5.1.

Taktisches Engagement für das Narrenhaus

73

5.2.

Die Legende vom Irrenhausbesuch

75

5.3.

Die Sensation des Hässlichen

81

5.4.

Emanzipation von Peter Cornelius

84

5.5.

Argumente gegen das Narrenhaus als strategischer Karriereauftakt

85

6.

Schlusswort

87

7.

Literaturverzeichnis

91

7.1.

Primärliteratur

91

7.2.

Primärliteratur zur Psychiatrie

93

7.3.

Sekundärliteratur

94

TEIL 2: ABBILDUNGEN

103

Abbildungsnachweis

103

Abbildungsverzeichnis

114

T E I L

1 :

T E X T

1. Vorbemerkungen 1.1. Einleitung Seitdem die Beurteilung eines Kunstwerks weniger von seinem Gegenstand als vielmehr von seiner schöpferischen Originalität abhängt,1 fehlt dem heutigen Kunstbetrachter das Verständnis für die beständig sich wiederholenden Apotheosen und Allegorien der monumentalen Historienmalerei. Als deren „bedeutendste[r] Oelmaler“2 galt zu Lebzeiten Wilhelm Kaulbach. Sein Lebenslauf könnte für einen erfolgreichen deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts beispielhafter nicht sein: nach dem Studium an der Düsseldorfer Akademie ernennt ihn 1837 – im Alter von knapp über 30 Jahren – Ludwig I. zum Hofmaler, 12 Jahre später wird er Direktor der Münchner Akademie der bildenden Künste. Auch wenn ein Großteil von Kaulbachs Monumentalmalerei im Lauf der Zeit der Zerstörung anheim fiel, wird sein Name in der öffentlichen Wahrnehmung auch heute noch mit der historistischen Malerei assoziiert. Das Narrenhaus, die Zeichnung von Wilhelm Kaulbach, die sich die vorliegende Arbeit zum Thema gemacht hat (Abb. 1), scheint mit Werken wie der Hunnenschlacht (Abb. 2) oder der Zerstörung Jerusalems (Abb. 3), die Kaulbachs Ruhm als Maler begründeten, unvereinbar. Zunächst deutet der Titel der Zeichnung auf einen Fremdkörper in Kaulbachs Oeuvre – weder wird ein epochales weltgeschichtliches Ereignis noch eine Illustration zu einem literarischen Klassiker angekündigt, womit der Künstler als Graphiker verbreitete Popularität errang. Zentrales Motiv sind tatsächlich Narren – also psychisch kranke Menschen.3 Diese Arbeit widmet sich dem Verhältnis von Kunst und Wahnsinn und hat es sich dabei zum Ziel gesetzt, anhand des Beispiels von Kaulbachs Narrenhaus die künstlerische Verarbeitung dieses Phänomens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu beleuchten. Bewusst ist der Titel, der eine Abhandlung zum Bild des Wahnsinns in der Biedermeierzeit verspricht, zweideutig angelegt: Zum einen meint das Wort ‚Bild‛

1

Thomas W. Gaehtgens: „Einleitung“, in: Uwe Fleckner, Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.): Historienmalerei, Berlin 1996, S. 17. 2 Anonym: „Die belgischen Bilder. Eine Parallele mit der Münchner Schule“, in: Jahrbücher der Gegenwart 2 (1844), S. 40. 3 Zu Kaulbachs Zeiten war es trotz der psychiatrischen Modernisierungsbewegungen durchaus geläufig, psychisch Kranke als Narren zu bezeichnen, wenn auch mehrheitlich die Terminologien ‚Geisteskranke‛, ‚Irre‛ oder ‚Wahnsinnige‛ verwendet wurden (siehe A. Foville: „Alienatio Mentis“, Gabriel Andral et al. (Hrsg.): Universal-Lexicon der practischen Medicin und Chirurgie, bearbeitet von einem Verein deutscher Ärzte, Leipzig 1835, Bd. 1, S. 258). Der anerkannte Psychiater Johann Christian Reil benutzt in seinem Werk noch die Ausdrücke ‚Narrenhaus‛ und ‚Tollhaus‛; im Verlauf des 19. Jahrhunderts sollten sich ‚Irrenanstalt‛ oder ‚Irrenhaus‛ durchsetzen. (Siehe Johann Christian Reil: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen, Halle 1803, S. 18.)

1

Kaulbachs konkrete Abbildung des Sujets. Zum anderen wird in einem kollektiveren Sinn das Wort ‚Bild‛ als Vorstellung vom Wahnsinn in der damaligen Zeit aufgefasst. Ausgeklammert sind bei dieser zeitlichen Angabe die Debatte um die Begriffsklärung oder die Diskussion um die exakte temporale Bestimmung des Biedermeier; relevant ist allein eine wertfreie Eingrenzung der Zeitspanne zwischen Romantik und Realismus. Prononciert soll demnach der Versuch unternommen werden, sowohl die Perspektive Kaulbachs bei der Erschaffung des Narrenhauses als auch diejenige des zeitgenössischen Betrachters nachzuvollziehen. Die Entstehungszeit der Zeichnung fällt in jene Phase von Kaulbachs Leben, in der er zwar kein Kunststudent mehr war, sich aber auch noch keiner großen Erfolge rühmen konnte. Eine genaue Datierung der Zeichnung kann jedoch nicht vorgenommen werden; über das Entstehungsjahr war sich die Forschung lange Zeit uneinig.4 Mindestens seit dem Aufsatz von Alexander Rothkopf5 ist aber ein Brief aus dem Jahr 1831 bekannt, den Kaulbachs Tochter Josefa in ihren Erinnerungen an Wilhelm Kaulbach und sein Haus zitiert. Darin erzählt Wilhelm, dass er seinen Kollegen von der Kunstakademie Düsseldorf, an der er selbst bis 1826 studiert hatte, bevor er seinem Lehrer Peter Cornelius nach München gefolgt war,6 die Darstellung des Narrenhauses präsentiert habe.7 Demzufolge muss die Zeichnung zu diesem Zeitpunkt schon existiert haben. Gemeinhin wird eine Entstehung der Zeichnung um 1830 oder 1831 angenommen. Zur Annäherung an das Thema des Wahnsinns kann an dieser Stelle nicht die gesamte Psychiatriegeschichte des beginnenden 19. Jahrhunderts wiederholt werden; verwiesen sei auf die herausragenden Forschungsbeiträge von Achim Thom8 und – in ausführlicherer Form – von Klaus Dörner.9 Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass sich das psychiatrische Wesen zur Entstehungszeit von Kaulbachs Zeichnung in einem tief greifenden Prozess der Umgestaltung befand. Ausgehend von den wegweisenden Errungenschaften der französischen und englischen Ärzte gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablierte sich die deutsche Psychiatrie allmählich als empirischwissenschaftliche

Disziplin

und

entfernte

sich

von

ihren

philosophisch-

allgemeinmenschlichen Anfängen. Nichtsdestotrotz war es bis zum ausgehenden 19.

4

Eine detaillierte Rekonstruktion der vermuteten Datierungen in der Forschungsliteratur findet sich bei Alexander Rothkopf: „‚Das Narrenhaus‛ von W. Kaulbach und die Deutung des Bildes durch J.A. Schilling 1863“, in: Confinia Psychiatrica 23 (1980), S. 53f. 5 Rothkopf, 1980, S. 54. 6 Hans Müller: Wilhelm Kaulbach, Berlin 1893, Bd. 1, S. 110. [Mehr als ein Band ist nicht erschienen.] 7 Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, Düsseldorf 9. Juli 1831. Zit. nach Josefa DürckKaulbach: Erinnerungen an Wilhelm von Kaulbach und sein Haus mit Briefen und hundertsechzig Abbildungen, München ²1918, S. 156f. 8 Achim Thom: „Erscheinungsformen und Widersprüche des Weges der Psychiatrie zu einer medizinischen Disziplin im 19. Jahrhundert“, in: Achim Thom (Hrsg): Zur Geschichte der Psychiatrie im 19. Jahrhundert, Berlin 1984, S. 11-32. 9 Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftsoziologie der Psychiatrie, Frankfurt am Main ³1995.

2

Jahrhundert noch ein Gemeinplatz, psychische Störungen nicht somatisch, sondern allein moralisch zu erklären. Auf diese parallel anzutreffenden sowohl traditionellen als auch modernen psychiatrischen Modelle soll im Verlauf der Arbeit präziser eingegangen werden, um ihre Einwirkung auf die Gestaltung des Narrenhauses aufzuzeigen. Zur Klärung der Frage, inwiefern die Neuorientierung in der Auseinandersetzung mit psychischen Krankheiten Kaulbachs Darstellung beeinflusste, muss zuerst ein exemplarischer Überblick des vorherigen Umgangs mit Wahnsinn in der Kunst gegeben werden. Bezweckt wird ein kurzer Einblick in die verschiedenartigen Konnotierungen des Wahnsinns seit William Hogarths achter Szene des Zyklus von A Rake´s Progress (Abb. 4), der damit entscheidende Impulse für die darauf folgende Ikonographie auslöste. Von Hogarths satirischer über Goyas düstere Verarbeitung des Motivs hin zur empfindsamen und romantischen Annäherung an den Irrsinn wurden jeweils verschiedene Aspekte unterschiedlich gewichtet, so dass sich Kaulbach mit einer facettenreichen Darstellungstradition konfrontiert sehen musste. Für unsere Zielsetzung ist die Erkenntnis von fundamentaler Bedeutung, dass sich sein Narrenhaus grundsätzlich von den bereits bekannten Abbildungen abgrenzte. Hatten sich die Künstler bisher vor allem auf literarisch inspirierte Vorstellungen berufen, knüpfte Kaulbach nun an die zu wissenschaftlichen Zwecken intendierten Zeichnungen von Irren an, die sich nach der Erfahrung von Wahnsinn als Krankheit im Zuge der psychiatrischen Revolution am Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Zu unterstreichen gilt, dass Kaulbach damit eine ungewohnt realistische Wiedergabe von Wahnsinn beabsichtigte. Nach der Verortung des Narrenhauses in der Motivgeschichte wird im nachfolgenden Kapitel seine Einpassung in den zeitgenössischen kunsthistorischen Kontext erschlossen werden. Es wird in einem ersten Schritt behauptet, dass sich der Künstler mit der Bezugnahme auf die zu beschreibenden psychiatrischen Illustrationen nicht nur von der gewohnten Ikonographie des Wahnsinns unterschied, sondern dass er sich damit auch von der gängigen Kunstauffassung seiner Zeit abhob. Mit der Thematisierung eines nicht-kanonischen Gegenstands und dem realistischen Anspruch in der Zeichnung sprach sich Kaulbach für eine Überwindung der nazarenischen Kunst aus. Zusätzlich erschwerte das Narrenhaus dem zeitgenössischen Betrachter den Zugang, indem es sich der Zuordnung zu einer bestimmten Gattung versagte. Weder den Kriterien des Genres noch denjenigen des Gruppenporträts kann das Narrenhaus völlig entsprechen. Im zweiten Teil der Untersuchung des Narrenhauses vor dem Hintergrund der damaligen Tendenzen in der Kunst soll eruiert werden, warum dem Blatt trotz seiner Differenz zu zeitgenössischen ästhetischen Vorstellungen ein immenser Erfolg 3

beschieden war. Wesentlich ist in diesem Kapitel die Feststellung, dass Kaulbach bei aller Progressivität nicht die Grenzen der biedermeierlichen Sehgewohnheiten überschreitet. Seine Zeichnung bleibt sowohl stilistisch als auch inhaltlich der Tradition verbunden. In der zeichnerischen Ausführung ist das Narrenhaus Kaulbachs künstlerischer Erziehung unter Peter von Cornelius verpflichtet; der idealistische Zeichenstil wird selbst in einem Werk, das sich mit psychischer Krankheit beschäftigt, nicht überwunden. Andererseits weicht das Narrenhaus inhaltlich nur bedingt vom verbreiteten stereotypen Bild des Wahnsinnigen ab. Bevor detailliert der Rückgriff auf einerseits physiognomisch, andererseits auch in Bezug auf das Krankheitsbild schematisierte Vorstellungen von psychisch Kranken im Narrenhaus beschrieben werden kann, erläutert eine kurze Vorbemerkung den Zusammenhang zwischen der Idee vom Wahnsinn und der Stereotypenbildung, die zu Kaulbachs Zeiten überwiegend von literarischen Vorbildern determiniert war. Daraus kann als erstes Fazit gezogen werden, dass im Narrenhaus sowohl Realismus als auch Idealismus vereint sind. Die progressive Anlehnung an fachwissenschaftliche Abbildungen und gleichzeitig das Festhalten an überlieferte Typisierungen ergeben eine Ambivalenz im Bild, die charakteristisch die Konfliktsituation der Kunst zur Mitte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Es wird aufzuzeigen sein, dass die Zwiespältigkeit des Narrenhauses zwischen klassischer Formgebung und moderner Themenstellung in der zeitgenössischen Rezeption evident verdeutlicht wird. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland regte das Blatt zu Diskussionen an; dabei bestechen die Interpretationen aus beiden Ländern durch ihre Kontroversität. Die hier untersuchten französischen Kritiker, Théophile Gautier und Charles Baudelaire, bemängelten vor allem die Stilisierungen im Bild, während die deutschen Kommentare – die bekanntesten Deutungen stammen von Guido Görres, Karl Rosenkranz und Johann August Schilling – den avantgardistischen Aspekt des Narrenhauses nicht zu registrieren scheinen und stattdessen ihren Schwerpunkt auf eine moralische Interpretation des Inhalts legen. Besonders hervorzuheben ist die Schrift von Guido Görres. Nach der ersten positiven Resonanz der Zeichnung wurde Kaulbach wohl auf den Gedanken gebracht, das Narrenhaus als Stich zu verbreiten. Dafür beauftragte er Heinrich Merz, der den Stich (Abb. 5) anfertigte;10 den Druck besorgte Kaulbachs Freund Jakob Felsing 1835 in Darmstadt.11 Im September desselben Jahres wurde der Stich in der Tageszeitschrift Morgenblatt für gebildete Stände abgedruckt, zusammen mit dem genannten

10

Müller, 1893, S. 184. Werner Busch: Die notwendige Arabeske. Wirklichkeitsstilisierung und Aneingnung in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 1985, S. 143. 11

4

dazugehörigen Kommentar von Guido Görres.12 Diese Erörterungen wurden später als gesonderter Band veröffentlicht.13 Aufgrund des gewichtigen Stellenwerts, die dieser Schrift einzuräumen ist, da sie unmittelbar mit dem Stich vertrieben wurde, erfolgt eine kurze

Inhaltsbeschreibung,

beziehungsweise

die

historische

Einordnung

des

Kommentars anschließend an die Bildbeschreibung und an die Entstehungsgeschichte des Narrenhauses. Diese Informationen werden in der ganzen Arbeit von einer gewissen Wichtigkeit sein. Das

letzte

Kapitel

dieser

Arbeit

versteht

sich

als

Stellungnahme

zum

Forschungsbeitrag von Werner Busch, dessen signifikante These, Kaulbach habe das Narrenhaus als selbstinszenierenden Karriereauftakt geplant,14 bisher in der Fachliteratur

noch

keiner

umfangreichen

Prüfung

unterzogen

wurde.

Der

Ausnahmecharakter des Blattes wirft unweigerlich die Frage auf, was einen akademisch gebildeten, aufstrebenden, jungen Maler dazu veranlasste, den Wahnsinn zum Gegenstand seiner Zeichnung zu machen, obwohl dieses Sujet doch offensichtlich vom offiziellen Kunstkanon abwich. In der Beantwortung dieser Problematik kann Buschs Behauptung mit Hilfe von wertvollen Zusatzinformationen untermauert werden. Daraus ergibt sich das Gesamtbild eines Künstlers, der die Widersprüche seiner Zeit, die nicht nur die Kunst betreffen, im Bild Narrenhaus manifestierte. Kontinuierlich wiederkehrend im ganzen Argumentationsverlauf ist das Thema der Vieldeutigkeit. Genauso wie das Bild selbst – ein Konglomerat aus Genre und Porträt, aus Idealismus und Realismus – weder stilistisch noch inhaltlich exakt klassifizierbar ist, widersetzt sich sein Motiv einer präzisen Definition. Infolge der materiellen Unzugänglichkeit zur Seelenkrise ist die gesamte Geschichte der Psychiatrie von der Frage durchdrungen, wie man das Subjektive objektivieren kann.15 Gleichermaßen war Kaulbach mit dem Problem konfrontiert, wie mit den Mitteln der Zeichenkunst äußerlich sichtbar gemacht werden kann, was sich im Innern des geisteskranken Menschen abspielt. Aufgrund der Schwierigkeit, wenn nicht gar der Unmöglichkeit, wahnsinniges Verhalten als solches zu bestimmen und sich begreiflich zu machen, wird Wahnsinn zur Interpretationssache – so reflektiert das, was als wahnsinnig angesehen wird, die Anschauungen des Interpretierenden. Schließlich reiht sich das Narrenhaus ein in die

12

Guido Görres: „Das Narrenhaus, von W. Kaulbach, nebst Ideen über Kunst und Wahnsinn“, in: Morgenblatt für gebildete Stände 29, Nr. 215-225 und Nr. 235-249 (1835). 13 Guido Görres: Das Narrenhaus von Wilhelm Kaulbach gestochen von H. März [sic] erläutert von Guido Görres nebst Ideen über Kunst und Wahnsinn. Besonders abgedruckt aus dem Morgenblatt, o. O. o. J. [Regensburg 1836]. Aufgrund von Briefen kann der Verlagsort und das Jahr des Drucks rekonstruiert werden. Siehe Busch, 1985, S. 146. 14 Busch, 1985, S. 134ff. 15 Alain Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart, übersetzt von Manuela Lenzen und Martin Klaus, Frankfurt am Main, New York 2004, S. 14.

5

Anstrengungen, die unternommen wurden, um eine Antwort auf die quälende Frage zu finden: Was ist der Mensch, wenn ihm die Vernunft fehlt? 1.2. Forschungsüberblick In der Einleitung wurde bereits angedeutet, mit welchen Hindernissen die gegenwärtige kunsthistorische Beschäftigung mit Wilhelm Kaulbach rechnen muss. Obwohl das Interesse der

aktuellen Kunstwissenschaft an der

Historienmalerei des

19.

Jahrhunderts zugenommen hat,16 bleibt die monographische Literatur zu dieser Künstlerpersönlichkeit überschaubar, und ein kritisch edierter Katalog seines Gesamtwerks lässt auf sich warten. Im Übergang zum 20. Jahrhundert entstanden mehrere Versuche, eine Biographie des Künstlers zusammenzustellen. Obwohl die Biographie von Hans Müller aus dem Jahr 1893 unvollendet blieb und sich nur auf einen von zwei geplanten Bänden erstreckt, ist darin gerade über das Narrenhaus als Frühwerk ein Fundus an Informationen aufzufinden.17 Die Biographie von Fritz von Ostini, 13 Jahre später verfasst, ist weniger ausführlich als letztere, dafür aber reich bebildert,18 während die kurz gefasste Monographie von Névinny sich vor allem auf die Vorgängerwerke stützt.19 Die Zuverlässigkeit dieser frühesten Monographien über Kaulbach und sein Werk ist mit hoher Sicherheit erwiesen, wenn auch zumindest der Kunstredakteur Ostini zu jung war, um Kaulbach persönlich gekannt zu haben.20 Einige der darin enthaltenen Angaben können jedoch in den von Kaulbach erhaltenen Briefen, die in der Staatsbibliothek München einsehbar sind,21 verifiziert werden. Eine systematische Veröffentlichung dieses Archivs wäre ein Forschungsdesiderat, dem in absehbarer Zeit wohl kaum nachgegangen wird. Als Zeugenbericht aus erster Hand werden zudem die Memoiren von Kaulbachs Tochter zu einer wichtigen Primärquelle.22 In der aktuellsten Forschung ist vor allem das Porträt der Künstlerfamilie Kaulbach von Evelyn Lehmann und Elke Riemer erwähnenswert, dem es aber an wissenschaftlicher Methodik gebricht.23 Speziell hinsichtlich des graphischen Werks hat sich Birgit Kümmel mit ihrem – leider unvollständigen – Katalog der Zeichnungen hervorgetan.24 Beide Werke reduzieren ihre Forschungsarbeit jedoch darauf, die Umstände der Entstehung

des

Narrenhauses

wiederzugeben,

ohne

einen

argumentativen

16

Werner Busch: „Wilhelm von Kaulbach – Peintre Philosophe und Modern Painter. Zu Kaulbachs Weltgeschichtszyklus im Berliner Neuen Museum“, in: Annemarie Gethmann-Siefert, Otto Pöggeler (Hrsg.): Welt und Wirkung von Hegels Ästhtetik, Bonn 1986, S. 117. ( = Hegel- Studien 27) 17 Müller, 1893. Über das Narrenhaus S. 181ff. 18 Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Leipzig, Bielefeld 1906. 19 L. Névinny: Wilhelm von Kaulbach, Bielefeld, Leipzig o.J. [1913]. 20 Wilhelm Zils: Geistiges und künstlerisches München in Selbstbiographien, München 1913, S. 260f. 21 Kaulbach-Archiv, Staatsbibliothek München. 22 Dürck-Kaulbach, ²1918. 23 Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Kassel-Wilhelmshöhe 1978. 24 Birgit Kümmel: Wilhelm von Kaulbach als Zeichner 1804-1874, Ausst. Kat. Museum Bad Arolsen, Bad Arolsen 2001.

6

Gedankengang

zu

entwickeln

oder

das

Werk

in

irgendeiner

Weise

zu

kontextualisieren. Die Interpretation dieser Zeichnung verharrt damit bis heute größtenteils an der Oberfläche. Einzige zentrale Anknüpfungspunkte für unsere Fragestellung liefern zwei Koryphäen der aktuellen deutschen Kunstgeschichtsschreibung, Werner Busch und Werner Hofmann. Letzterer handelt das Narrenhaus in einem Aufsatz ab, in dem es unter dem Thema der „Entfremdungen“ – so auch der Titel des Aufsatzes – des Künstlers von der Gesellschaft im 19. Jahrhundert eingeordnet wird.25 Die vorliegende Untersuchung verdankt einige Anregung der Vorarbeit von Werner Busch, der im bisher umfassendsten Forschungsbeitrag zum Narrenhaus die Zeichnung sowohl in Bezug auf sein Motiv als auch hinsichtlich seiner gattungs- und stilgeschichtlichen Bedingungen analysiert.26 Wenn auch die Recherchen Buschs in ihrer Gründlichkeit schwer zu übertreffen sind, gibt es doch diverse Punkte, die der Ausarbeitung bedürfen.

Das

Narrenhaus

gesamteuropäischen

dient

bei

Busch

Entwicklungsrichtungen

in

zur der

Veranschaulichung ersten

Hälfte

des

von 19.

Jahrhunderts. Eine primäre Quintessenz, die mehrmals pointiert wird, ist die krisenhafte Situation, in der sich die Darstellung des Individuums in szenischem Zusammenhang zu dieser Zeit befindet. Dieser gattungsgeschichtliche Aspekt soll an unserer Stelle nicht wesentlich verfolgt werden. Anstatt zu beleuchten, wie sich das Narrenhaus in eine kunstgeschichtliche Tendenz einordnet, soll im Gegenteil betont werden, inwiefern sich die Zeichnung von der zeitgenössischen – vor allem deutschen – Kunstproduktion unterscheidet. Die Stichhaltigkeit von Buschs Beobachtungen wird dabei paradoxerweise nicht untergraben. In Hinsicht auf stilistische Belange resultiert auch hier, dass Kaulbachs Narrenhaus „ein faszinierendes Produkt des Kampfes um die realistische Form in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts“27 ist. Mehr gewichtet als bei Busch werden hingegen das Motiv und seine spezielle Problematik.

Die

kunstgeschichtliche

Tradition

des

Wahnsinns

und

das

biedermeierliche Meinungskonstrukt desselben, wie sie in Die notwendige Arabeske nur peripher skizziert werden, sollen wesentliche Punkte der Untersuchung sein. Da sich dementsprechend in dieser Arbeit die zwei Bereiche der Motivwahl und der Ausarbeitung überschneiden, muss die Aufgabenstellung nicht nur monographisch, sondern auch ikonographisch angegangen werden. In der konsultierten Literatur zur Motivgeschichte des Wahnsinns wird das Narrenhaus zwar

oft

erwähnt;

das

Problem

dieser

Kompendien

ist

aber

gerade

ihr

25

Werner Hofmann: „Entfremdungen“, in: Werner Hofmann: Bruchlinien. Aufsätze zur Kunst des 19. Jahrhunderts, München 1979, S. 214-231. Erstmals erschienen als: Werner Hofmann: „D´une Aliénation à l´Autre. L´Artiste Allemande et son Public au XIXe Siècle“, in: Gazette des Beaux-Arts 119, Nr. 1305 (1977), S. 124-136. 26 Busch, 1985, S. 133ff. 27 Busch, 1985, S. 233.

7

Überblickscharakter, der eine zusammenfassende Synopsis bieten soll, eine eindringliche Ausarbeitung eines gesonderten Werks jedoch nicht zulässt. So bleiben die Ausführungen zum Narrenhaus meist allgemein gehalten. Einzig nennenswert sind die Zusammentragungen von Sander Gilman, der sich mit einer Reihe von Veröffentlichungen zum Verhältnis von Kunst und Wahnsinn namhaft machte,28 von welchen die Studie Seeing the Insane mit dem gründlichsten Abriss der Darstellungsgeschichte von Wahnsinn aufwartet.29 Eine ähnliche Bemühung, allerdings auf manische Krankheitsformen fokussiert, unternimmt Jane Kromm, deren Kapitel über die Illustrationstradition der Psychiatrie in seiner Detailliertheit und Profundität seinesgleichen sucht. Auf die Abbildung von Wahnsinn im 19. Jahrhundert konzentriert, sind die Untersuchungen von Therese Bhattacharya-Stettler30 und Brigit Zilch-Purucker31 hervorzuheben, allerdings ist weitere Forschungsarbeit zur Relation von Kunst und Wahnsinn im 19. Jahrhundert wünschenswert, da doch gerade in jenem Jahrhundert der Künstler sich in eine ausgesprochene Wesensverwandtschaft mit dem Wahnsinnigen einfühlte.32 Nachdem in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Initiative für eine Auseinandersetzung mit der Visualisierung von psychischen Störungen in der Kunst vor allem von Seiten einiger kunstsinniger Mediziner ausging,33 wäre eine spezifisch kunstwissenschaftliche Beschäftigung vermehrt erforderlich, die sich nicht nur der mal de siècle des 19. Jahrhunderts – der melancholischen Form seelischer Krankheit34 – sondern dem Wahnsinn in seiner ganzen Bandbreite widmet. Der Mangel an umfassender kunsthistorischer Forschung zum Narrenhaus sowohl aus monographischer als auch ikonographischer Perspektive äußert sich in der Literatur insofern, als dass stetig die gleichen Fakten repetiert werden, ohne jedoch Thesen aufzubieten. Daher entbehrt eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Narrenhaus keiner geringen Notwendigkeit, um die Theorien Werner Buschs erstens

28

Unter anderem Sander L. Gilman: „Zur Physiognomie des Geisteskranken in Geschichte und Praxis 1800-1900“, in: Sudhoffs Archiv 62 (1978), S. 209-234; Sander L. Gilman: „Die psychiatrische Abbildung“, in: Uwe Henrik Peters (Hrsg.): Psychologie des 20. Jahrhunderts, Zürich 1980, Bd. 10, S. 1071-1078; Sander L. Gilman: Wahnsinn, Text und Kontext. Die historischen Wechselbeziehungen der Literatur, Kunst und Psychiatrie, Frankfurt am Main 1981. ( = Europäische Hochschulschriften 417) 29 Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982. 30 Therese Bhattacharya-Stettler: Nox Mentis. Darstellung von Wahnsinn in der Kunst des 19. Jahrhunderts, Bern 1989. 31 Brigit Zilch-Purucker: Die Darstellung der geisteskranken Frau in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Melancholie und Hysterie, Herzogenrath 2001. ( = Studien zur Medizin-, Kunst- und Literaturgeschichte 47) 32 Werner Hofmann: Das irdische Paradies. Motive und Ideen des 19. Jahrhunderts, München ²1974, S. 147f. 33 Helmut Vogt: Das Bild des Kranken. Die Darstellung äußerer Veränderungen durch innere Leiden und ihrer Heilmaßnahmen von der Renaissance bis in unsere Zeit, München 1969; Rudolf Lemke: Psychiatrische Themen in Malerei und Graphik, Jena 1959. 34 Seit der wegbereitenden Schrift von Raymond Klibansky, Erwin Panofsky, Fritz Saxl: Saturn and Melancholy. Studies in the History of Natural Philosophy, Religion and Art, London 1964 ist im Gebiet der Darstellung von Melancholie in der Kunst vermehrt geforscht worden, während andere Temperamente weitgehend unberücksichtigt blieben.

8

zu überprüfen und zweitens – wie bisher versäumt wurde – seinen Forschungsansatz zu erweitern. 1.3. Bildbeschreibung So ungewöhnlich es für ein in der Fachliteratur oft vorgestelltes Kunstwerk sein mag, gebührt doch Werner Busch das Verdienst, als erster die Komposition des Narrenhauses analysiert zu haben.35 Für ein mimetisches, nicht-abstraktes Kunstwerk ist allein diese Tatsache aussagekräftig. Zumeist übergehen die Forscher vor und auch nach

Busch

die

Bildbeschreibung

36

eigentümliche

Untauglichkeit

des

Narrenhauses

zu

einer

und wenn diese doch angefertigt wird, so geschieht dies nicht im

Bildganzen, sondern in der Betrachtung einer jeden einzelnen Figur für sich.37 Tatsächlich ist die letztere Methode auch die zielführendste. Schon beim ersten Blick auf das Gesamtgefüge des Narrenhauses besticht die Heterogenität im Aufbau. Für ein Bild, dessen einziges Motiv eine Gruppe von Menschen ist, hat eine „Komposition […] voller innerer Spannungen“38 eklatante Folgen, die man nicht umhinkommt, ausführlicher zu untersuchen.39 Trotz ihrer gedrängten Anordnung wirken die Figuren aufgrund der geringen Interaktion isoliert. Diese Vereinzelung wird durch die undurchsichtige Bildstruktur gerade hervorgehoben; Bildmuster und Blickführungshilfen sind schwierig auszumachen. Das wenig hilfreiche Fazit, zu dem Werner Busch nach der Gliederung der Komposition kommt, lautet, „dass eine schlüssige Analyse kaum möglich ist.“40 Daher ist es – auch auf die Gefahr der Monotonie hin – konsequent, Figur um Figur additiv zu beschreiben. Es lässt sich zumindest problemlos festhalten, dass auf der Zeichnung insgesamt fünfzehn Personen – davon sechs Frauen – ohne eine genaue Lokalisierung dargestellt sind. Als kompositorische Angabe genügt es zu sagen, dass sieben Figuren auf Blöcken sitzend in einem annähernd halbkreisförmigen Bogen angeordnet sind, während sieben weitere in einem leicht nach links versetzten parallelen Halbkreis stehen. Dank des überlieferten Titels wissen wir, dass es sich bei den Dargestellten um Narren, also psychisch Kranke, handeln muss. Auch ohne Kenntnis des Titels könnte man das herausfinden, da vor allem die Physiognomien der Figuren auf seelische Konflikte

schließen

lassen.

Die

Zusammenstellung

von

so

unterschiedlich

charakterisierten Menschen mit jeweils ganz eigenen Wesenszügen und Beigaben legt die Vermutung nahe, dass die Menschengruppe an sich nichts miteinander gemeinsam hat und nicht freiwillig zusammenkam. 35

Busch, 1985, S. 146f. Zum Beispiel in Kümmel, 2001, S. 8f oder auch in Bhattacharya-Stettler, 1989, S. 69ff. 37 Zum Beispiel in Gilman, 1982, S. 138. 38 Busch, 1985, S. 148. 39 Siehe Kapitel 3.1.5. dieser Arbeit. 40 Busch, 1985, S. 148. 36

9

Der unterste Mann links bietet sich als Einführung in das Bild am besten an, ist dieser ja in unserer gewohnten Leserichtung der erste Anhaltspunkt und seine leicht nach links gedrehte Körperhaltung und der vorgestellte nackte Fuß offerieren sich als Blickfang zum Einstieg.41 Er sitzt auf einem Quader, das eine Bein locker abgelegt, das andere aufgestellt. Zwischen den Beinen liegen auf dem Steinklotz ein umgeklapptes und ein aufgeschlagenes Buch, worin der Mann liest. Der Eindruck, dass dieser Mann in intensive Studien vertieft ist, wird bestärkt durch die Schriftrolle, die unter seinem Arm klemmt. Auf der Nase sitzt eine schmale Lesebrille und sein Gesichtsausdruck ist ernst. Er könnte gerade Berechnungen anstellen, da er die eine Hand mit zwei abgespreizten Fingern vor der Brust hält, als ob er sie als Rechenhilfe bräuchte. Neben dem Studierenden sitzt eine männliche Figur, die aufgrund des Freiraums um sich herum am ehesten als Mittelpunkt des Bildes gelten könnte.42 Sie sitzt frontal dem Betrachter gegenüber, blickt aber, wie man meint, erstarrt an diesem vorbei. Der Mann hat die Beine übereinander geschlagen und sein Kopf lagert in der Hand seines Armes, der auf dem Bein abgestützt ist. Er trägt einen Schnauzbart und hat dichte, abstehende Haare. Um seine Schultern hat er ein Seil gelegt, an dem ein Säbel befestigt ist. Auch diese Figur ist unbewegt und wirkt in Gedanken versunken. Geht man in der Leserichtung weiter, wird der Blick durch die Profilansicht des nächsten Narrenhausinsassen gestoppt. Das Auffallende an dieser Figur ist die wie gebastelt aussehende Krone auf seinem Kopf und der Ast, den sie wie ein Szepter in der Hand hält. Der ins Leere starrende Mann wirkt durch seine halb geschlossenen Lider dumpf und blasiert. An den närrischen König lehnt von hinten ein gänzlich in sich gekehrter Narr männlichen Geschlechts mit geschlossenen Augen und betrübt verzogenem Mund. Von ihm sieht man nur den Oberkörper, der in einem ärmellosen Hemd steckt. Seine Körperhaltung ist parallel zum König, indes sein Kopf mit dem kurz geschorenen Haar nach vorne gekehrt ist. Den einen muskulösen Arm, den man zu sehen bekommt, hat er an sein Gesicht geführt, die Hand stützt locker den Kopf. Die erste erregte Physiognomie dieser Aufzählung gehört zu dem jungen Mann hinter dem zuletzt Genannten. Sein Profil mit den weit aufgerissenen Augen und dem offenen Mund zeugt von einer Aufgebrachtheit, die bei der Apathie seiner umgebenden Mitmenschen nicht von einem externen Vorkommnis herrühren kann und im Kontrast zu ihnen umso grotesker wirkt. Seine Arme sind in skurriler Bewegung; mit seiner linken Hand kratzt er sich am Kopf, mit der anderen versucht er dem König oder einer imaginären Person einen Büschel Gras zu überreichen.

41 42

Busch, 1985, S. 148. Busch, 1985, S. 148.

10

Wendet sich der Mann mit dem Grasbüschel zur Mitte des Bildes hinein, sitzt die nächste Figur, eine Frau, wieder frontal zum Betrachter. Ihr Gesicht ist jedoch in die entgegengesetzte Richtung gedreht, so dass sie aus dem Bild hinausschaut. Ihre ganze Körperhaltung mutet an, als ob sie sich in Gefahr befinde und ihre Gesichtszüge unter dem langen Kopftuch sind angstvoll verzerrt mit aufgerissenen Augen und offen stehendem Mund. Sie presst ein in Tuchstoff verpacktes Stück Holz oder etwas Ähnliches an sich wie einen besonders wertvollen Gegenstand. Der letzte Narr der unteren Gruppe hockt in einen weiten Mantel gehüllt am Boden unter dem König und hat seinen Kopf wie in großer Niedergeschlagenheit in seinen auf den Knien verschränkten Armen verborgen. In seinem linken Arm, der zwischen den Beinen baumelt, hält er einen Brief. In der oberen Reihe empfiehlt es sich, die Beschreibung mit der eng beisammen stehenden Dreiergruppe anzufangen, denn anders als in der unteren Reihe, in der die Blickrichtung am ehesten der herkömmlichen Leserichtung folgt, wird das Auge des Betrachters von den drei zentralen Figuren über dem verrückten Büchernarr und dem Mann mit dem Säbel angezogen. Dabei handelt es sich um einen Mann, der en face zum Betrachter steht und dabei links und rechts von zwei weiblichen Irren bedrängt wird. Der Mann selbst wehrt sich nicht dagegen, er lässt den Ansturm der Frauen mit den Händen in den Taschen geschehen. Seine missmutige Miene mit den fast übertrieben

heruntergezogenen

Mundwinkeln

scheint

nicht

mit

den

Frauen

zusammenzuhängen. Auffällig an ihm ist sein Zylinder, der auf seinem Haupt thront. Eine der beiden Frauen, die sich offensichtlich um den Mann streiten, versucht ihn von vorne zu umarmen und fixiert dabei mit boshaftem Blick ihre Gegenspielerin. Diese hält den griesgrämigen Mann von hinten umfasst. Während die glatzköpfige Frau rechts einen aggressiven Eindruck macht, hat die andere leidende, femininere Gesichtszüge und langes Haar, das unter einem Kopftuch hervorlugt. Die drei werden von einer Frau am linken Bildrand beäugt. Sie scheint etwas älter zu sein, trägt ebenfalls ein Kopftuch und strickt. Von hinten schaut sie misstrauisch vorgebeugt auf das Gezänk, das sich vor ihr abspielt. Die verbleibenden drei der Gruppe zugehörigen Dargestellten können ebenfalls zu einer Einheit zusammengefasst werden, da ihre bestimmende Grundthematik die Religion ist. Hier bildet der frontal gezeichnete Mann den Mittelpunkt, der ein Holzkreuz vor seiner Brust hochhält und mit der anderen Hand darauf deutet. Lächelnd blickt er im Halbprofil direkt zum Betrachter. Die zwei ihn umrahmenden Dargestellten sind in sich gekehrter. Zu seiner Rechten steht seitlich ein knabenhaft aussehender Mann im langen Mantel, der die Hände, um die ein Rosenkranz hängt, nahe seinem Gesicht zum Gebet zusammengeführt hat. Seine Physiognomie ist wenig entstellt, er blickt ein wenig skeptisch zum Himmel. Ebensowenig offensichtlich wirr ist die Frau zur Linken 11

des Mannes mit dem Kruzifix. Sie kniet oder sitzt mit dem Rücken zum Betrachter in einer vertieften Gebetshaltung. Der gesenkte Kopf gibt den Nacken mit dem frisierten Haar preis, von ihrem Gesicht ist jedoch nur ein geschlossenes Auge richtig erkennbar. Der fünfzehnte Mann ist der Wärter des Irrenhauses, der am rechten Bildrand hinter den Narren steht. Die Profildarstellung betont den korpulenten Körperbau des Mannes, der grimmig zur Gruppe vor ihm blickt. Seine machtvolle Position über die übrigen Porträtierten wird durch die Peitsche in der Manteltasche und die Schlüssel in den hinter dem Rücken verschränkten Händen ersichtlich. Ohne diese Hinweise könnte der Wärter wegen seiner düsteren Physiognomie möglicherweise auch als Irrer identifiziert werden. Er hat eine Mütze tief in die Stirn gezogen, so dass die Augen nicht zu erkennen sind; eine Pfeife steckt im griesgrämig verzogenen Mund.43 Der Titel der Zeichnung indiziert, dass man sich die Narren in der Kulisse eines Irrenhauses vorstellen muss. Um dem Betrachter die gedankliche Arbeit zu erleichtern und eine schnellere Erkennung des Kontextes zu gewährleisten, hat Kaulbach im Stich von 1835 die Figurengruppe in eine konkrete Umgebung eingebettet. Die Irren befinden sich im kahlen Hof ihrer Unterbringungsstätte, die andeutungsweise im Hintergrund vom rechten Bildrand bis knapp zur Hälfte in die Bildfläche hineinragt. Der Gefängnischarakter dieser Irrenanstalt ist vor allem in der Gestaltung des Gebäudes eindeutig illustriert. Man erkennt zu äußerst den Bruchteil einer Tür, vor der aber drohend der Wärter mit dem Schlüsselbund in den Händen steht, er beaufsichtigt den Durchgang in und aus dem Haus streng. Das eine sichtbare Fenster ist mit einem Gitter versehen, um eine mögliche Flucht im Vornherein zu vereiteln, beziehungsweise die Bewegungsfreiheit der Narren einzuschränken. Auf der Fassade ist wie zufällig eine Zeichnung – vergleichbar einem heutigen Graffiti – hingekritzelt, das auf die rigiden Umgangsformen in der Anstalt anspielt: Zwei Strichmännchen sind skizziert, von denen der eine den anderen mit einer Peitsche schlägt – automatisch schließt der Betrachter, dass hier ein Patient seine Situation festgehalten haben muß. Des Weiteren ist die Mobilität der Narren durch die Mauer begrenzt, die sich neben dem Gebäudeteil durch die obere Bildhälfte zieht. Davor schlendert eine einsame, verhüllte weibliche Gestalt. Hinter der Mauer zeichnet sich eine hügelige Landschaft ab. 1.4. Entstehungsgeschichte des Narrenhauses Die besonderen Umstände, unter welchen die Zeichnung entstanden ist, schildert Josefa Dürck-Kaulbach in ihren Erinnerungen, in welchen Briefe und aus der Perspektive ihres Vaters erzählte Anekdoten seines Lebens gesammelt sind. Darin berichtet sie, wie Wilhelm zur Zeit seines Akademiebesuchs in Düsseldorf mit einigen

43

Die Ähnlichkeiten zu zeitgenössischen karikaturistischen Darstellungen des Deutschen Michel sind unverkennbar. Die politische Dimension, die sich durch diese Auffälligkeit erschließt, muss an dieser Stelle jedoch unberücksichtigt bleiben.

12

seiner Kommilitonen vom Arzt der lokalen Irrenanstalt gebeten wurde, die dortige Kapelle auszumalen. „Als das Bild fertig war, nahm der Arzt Eberle [ein Studienkollege Kaulbachs] und mich beiseite und sprach: ‚Nun will ich euch noch eine Lehre mit auf den Weg geben; so jungem übermütigem Volk wie euch, kann das nichts schaden. Ich will euch die armen Kranken zeigen!‛ Und nun führte uns der Mann von Zelle zu Zelle und erklärte und erzählte uns die ganze Lebens- und Leidensgeschichte eines jeden! Heute noch hoffe ich, daß er, um uns vor schlechten Streichen zu bewahren, übertrieben hat. Ach, es war so entsetzlich, so traurig! Da die armen geisteskranken Menschen, und hier der Arzt, der leise flüsternd die furchtbarsten Bilder menschlichen Elendes entrollte. Wir junges Volk hatten ja keine Ahnung von solchen Schicksalen und hatten so ruhig in den Tag hineingelebt. Nun mit einem Male lernten wir das Leben, und gerade von der grausamsten Seite, kennen. Es ist das einer der schrecklichsten Tage meiner Jugend. Aber wie recht hatte der Arzt! Er hatte uns einen Denkzettel mitgegeben, den ich wenigstens nicht so schnell vergessen konnte. Als wir aus dem Hause in die freie Natur traten, fiel der Bann und wir weinten wie die Kinder, und mich verfolgten diese unglücklichen Geschöpfe monate-, jahrelang im Traum und im Wachen. Es war wie eine Krankheit! Erst hier in München wurde ich das Bild los, indem ich mich entschloß, es aufs Papier zu bringen, und seht, so entstand das Narrenhaus!“44 Diese Geschichte muss mündlich oder schriftlich mit dem Stich verbreitet worden sein, denn sogar der Franzose Gautier führt an, dass Kaulbach nach einem Besuch im Irrenhaus sich des alptraumartigen Eindrucks nur entledigen konnte, indem er ihn auf Papier bannte.45 Vom heutigen Standpunkt ist es nicht ersichtlich, wo die Entstehungsgeschichte zum ersten Mal publiziert wurde, aber sobald das Narrenhaus zur Sprache kommt, wird nach Gautier diese Entstehungsgeschichte sinngemäß so eingeflochten, wie sie auch Dürck-Kaulbach beschreibt.46 Aufgrund der selbstverständlichen Nennung des Erlebnisses in Zusammenhang mit dem Narrenhaus darf man annehmen, dass sie unter den Betrachtern allgemein bekannt war. 1.5. Der Kommentar zum Narrenhaus von Guido Görres Mit großer Sicherheit kann davon ausgegangen werden, dass die Görressche Schrift dem Publikum des Narrenhauses geläufig war. Nachdem der Text im Morgenblatt für gebildete Stände erschienen war, erkundigten sich manche Kunsthändler bei Kaulbach nach einem gesonderten Exemplar dieser Interpretation, um den Kunden nähere

44

Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 104f. Théophile Gautier: L´art moderne, Paris 1856, S. 265f. 46 Johann August Schilling: Psychiatrische Briefe oder die Irren, das Irresein und das Irrenhaus. Eine vollständige systematische Darlegung aller Seelenkrankheiten. In klassischen und naturgetreuen Beispielen für das gebildete Publikum erläutert, Augsburg 1863, S. 391f.; Müller, 1893, S. 181f.; Ostini, 1906, S. 31f. 45

13

Auskunft über das Dargestellte liefern zu können.47 Daraufhin wurde Kaulbach wahrscheinlich dazu angeregt, den Kommentar in Buchform zu veröffentlichen.48 Ob der Anreiz zu Görres´ Kommentar vom Autor selbst oder von Kaulbach kam, lässt sich heute nicht mehr ausmachen. Es steht aber fest, dass die Interpretation mit Zustimmung, wenn nicht sogar unter der Zusammenarbeit mit Kaulbach entstanden ist, da er mit dem Hause Görres befreundet war.49 Mit Hinsicht auf Görres´ literarisches Themenspektrum, das sich im Bereich des Märchens, der Mythen und Legenden bewegt,50 ist es wahrscheinlich, dass die Initiative, über ein Werk der Kunst zu schreiben, nicht von ihm selbst, sondern von seinem Freund Kaulbach ausgegangen war. Zu welchem Teil der Künstler selbst in den Schreibprozess involviert war, ist heute nicht mehr genau zu bestimmen.51 Zumindest das Titelbild zum Erläuterungsband (Abb. 6) hatte er selbst entworfen.52 Die Besprechung von Görres erwähnt zwar nicht den Anlass, der zur Anfertigung des Narrenhauses führte, aber sie stimmt mit der Anekdote vom Irrenhausbesuch in Düsseldorf soweit überein, als dass dem Leser wie dem jungen Kaulbach die Lebensgeschichte eines jeden Narren rekonstruiert wird. Zwar beansprucht Görres für diese Biographien Wahrheit, der fiktive Charakter derselben wird aber aufgrund der schematischen Ausführungen offensichtlich. Görres´ imaginäre Biographien stehen in engster Verbindung mit der intellektuellen Sphäre des Kreises um seinen prominenten Vater, den Publizisten und Professoren Joseph Görres. Wie viele der romantischen Generation, die die Revolution 1789 begeistert begrüßt hatten, war auch Joseph Görres´ Geisteshaltung in den zwanziger und dreißiger Jahren geprägt von einer Desillusionierung über den Ausgang derselben, die mit dem Alter in eine regelrechte Abscheu vor revolutionären Ideen umschlug.53 Nachdem die Revolution in das Terrorregime und die napoleonische Herrschaft übergegangen war, repräsentierten die revolutionären Ideen für den alten Görres den Verfall der Sitten und aller traditionellen sozialen Gefüge.54 Guidos Beziehung zum Vater war zeitlebens sehr innig;55 ihm verdankte er den Fundus seiner Ideen, aus denen er schöpfte.56 So ist es überaus nahe liegend, dass der junge Görres die Vorurteile des Vaters bezüglich des verdorbenen Charakters der Franzosen 47

Busch, 1985, S. 144ff. Busch, 1985, S. 146. 49 Busch, 1985, S. 157. 50 Irmgard Scheitler: „Guido Görres als Volksschriftsteller“, in: Harald Dickerhof (Hrsg.): Görres-Studien. Festschrift zum 150. Todesjahr von Joseph von Görres, Paderborn 1999, S. 184ff. 51 Busch unterbreitet einen konkreten Vorschlag, welche Teile des Textes unter der Anleitung von Kaulbach entstanden sind. Dieser soll hier nicht weiter thematisiert werden. Siehe. Busch, 1985, S. 168ff. 52 Busch, 1985, S. 156. 53 Jon Vanden Heuvel: A German Life in the Age of Revolution. Joseph Görres 1776-1848, Washington 2001, S. 360ff. 54 Vanden Heuvel, 2001, S. 360ff. 55 Sein ganzes Leben lang hatte Guido Görres im Elternhaus gewohnt, selbst nach seiner Heirat im Jahr 1844. Siehe Anonym: Zur Erinnerung an Guido Görres, München 1852, S. 8. 56 Scheitler, 1999, S. 209. 48

14

und der allgemeinen Unzüchtigkeit und Irreligiosität seit dem Aufkommen von aufklärerischem Gedankengut und ihrem Gipfeln in der Revolution übernahm. Mit Ausnahme von vier Fällen begründet Görres dann auch direkt oder indirekt den Wahnsinn der Dargestellten im Narrenhaus mit den Auswirkungen der Aufklärung oder der Französischen Revolution. Görres´ imaginäre Biographien gehen aus von einem persönlichen Schicksal, um dann von den exemplarischen Auswirkungen der postrevolutionären Desorientierung in allgemeine Kritik an den Zuständen der Zeit überzugehen: In der aus dem Bild starrenden Figur mit dem umgehängten Säbel will Görres einen französischen Gardisten erkennen, dem „die neuen Lehren unbedingter allgemeiner Freiheit zu Kopfe stiegen“57 und seit dem Untergang des Kaiserreichs in der Wahnvorstellung von napoleonischen Schlachten gefangen ist. Beispielhaft dient er für den Irrsinn und die beständige Gefahr der politischen Ideale, die im Zuge der Revolution aufgekommen sind. „Gerade wie er so sitzt der gesammte Republikanismus Zerstörung brütend in Paris und ruft der Welt mit glühenden Blicken zu: könnt ich, wie wollt ich!“58 Die „Gestalt eines philosophirenden Schusters“,59 der links neben dem Gardisten auf dem Stein sitzt, wurde Opfer des Wahnsinns aufgrund seiner Erziehung nach den Idealen der Aufklärung: „Er war aber in die unglückliche Zeit der Schulverbesserungen gefallen, worin die Bauernkinder mehr von Jupiter und Venus, von Römern und Griechen, von Asien und Amerika und allem Uebrigen lernen, als was ihnen eigentlich zu wissen nothwendig war.“60 Die „Opposition gegen den Pfarrer“,61 die gelehrt wurde, trug dazu bei, die Rechtschaffenheit des Kindes zusätzlich zu ruinieren, bis die vielfältigen Wissenschaften, mit denen er sich im Laufe des Lebens beschäftigte, seinen Kopf so überfüllten, dass „alles in fauler Gährung chaotisch durch einander [sic] gährte“,62 und sie seinen Geist verwirrten. Ähnliches widerfuhr auch dem sich am Kopf kratzenden Wahnsinnigen; „die Gestalt […] ist eine der entsetzlichsten und eckelhaftesten auf dem ganzen Bilde.“63 Er gilt als Verkörperung der Unsittlichkeit der Zeit, die in den Großstädten schwelt. „In Folge der moralischen Fäulniß, nach Ausschweifungen aller Art, nachdem er sich in dem stinkendsten Pfuhle herumwälzt, ist auch die leibliche Fäulnis bei ihm eingetreten. […] Wollte man in einem leiblichen Bilde die tiefe innere Fäulniß, die Korruption und Bestialisierung darstellen, die unter einem übertünchten Aeußeren im Innern unserer großen Hauptstädte, in den sogenannten Herden der Zivilisation, wie ein Krebs um

57

Görres, [1836], S. 44. Görres, [1836], S. 45. 59 Görres, [1836], S. 47. 60 Görres, [1836], S. 47. 61 Görres, [1836], S. 48. 62 Görres, [1836], S. 48. 63 Görres, [1836], S. 63. 58

15

sich frißt, ihre Gestalt würde nicht viel anders aussehen, wie diese hier.“64 Dieser Patient

wird

zur

Personifizierung

der

über

den

schädlichen

Einfluss

der

Aufklärungsideen wahnsinnig gewordenen Gegenwart: „Aus ihnen [Voltaire und Diderot] ist das Gift der Revolution ausgegangen, gegen das jetzt unsere Zeit voll Verzweiflung, wie der Kranke hier, die Heilkräuter sucht.“65 An dieser Stelle sollen die hier aufgezeigten Beispiele genügen, um Görres´ Vorgehensweise zur Einbindung des Narrenhauses in sein didaktisches System aufzuzeigen.

Seien

die

Ursachen

des

Wahnsinns

Aufklärungsphilosophie,

Liberalismus, Kapitalismus, Religionsfreiheit sowie ungezügelte Leidenschaften, Eitelkeit, Hochmut oder übermäßiges sexuelles Begehren, schlussendlich bleibt die Ermahnung pointiert immer dieselbe: Die Beachtung der bürgerlichen Tugenden – Religiosität, Bescheidenheit, Fleiß66 – und die Abkehr von einer allzu liberalen Politik bedeuten geistige Gesundheit des einzelnen und übertragen auch die Gesundheit der ganzen Gesellschaft. Interessanterweise hatten schon Kaulbachs Zeitgenossen die Einseitigkeit und die partielle Trivialität dieser Interpretation des Narrenhauses moniert. Als Kaulbach seine Freunde um ihre Meinung zur Veröffentlichung des Kommentars als eigenständigen Band bat, war die Kritik mehrheitlich vernichtend.67 Das Blatt sei „ein für sich bestehendes durchaus verständliches Ganzes“,68 die Schrift also „mehr schäd- als nützlich.“69 Auch Ostini soll sich am Anfang des 20. Jahrhunderts daran anschließen: „Die Figuren erklären sich freilich in der Hauptsache von selbst.“70 Kaulbach hat trotz der Einwände seiner Bekannten Görres´ Kommentar zumindest unterstützt oder sogar wesentlich beeinflusst. Es ist möglich, dass Kaulbach die allzu eintönige Auslegung seines Freundes darum billigte, weil er wie Görres seit den napoleonischen Kriegen einen „Haß gegen das Welsche“71 verspürte. Insofern könnte zumindest der antifranzösische und anti-revolutionäre Aspekt in Görres´ Interpretation mit Kaulbachs Meinung übereinstimmen. Die Frage, warum die Schrift trotz der Vorbehalte aus Kaulbachs eigenem Freundeskreis beim breiten Publikum populär war, soll im späteren Verlauf der Arbeit

64

Görres, [1836], S. 64. Görres, [1836], S. 65. 66 Tugenden wie „Sittsamkeit, Fleiß und Sparsamkeit, Bescheidenheit und Gottesfurcht, Strebsamkeit und Pflichbewusstsein“ gehörten nach Pleitner zu den ureigensten Charakterzügen, mit welchen sich die deutsche Öffentlichkeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts identifizierte. Siehe Berit Pleitner: „Die ´vernünftigen´ Deutschen. Deutsche Identitätskonstruktionen in den 1850er und 60er Jahren“, in: Michael Einfalt, Joseph Jurt, Daniel Mollenhauer, Erich Pelzer (Hrsg): Konstrukte nationaler Identität. Deutschland, Frankreich, Großbritannien (19. und 20. Jahrhundert), Würzburg 2002, S. 182. 67 Busch, 1985, S. 178ff. Vgl. auch Müller, 1893, S. 186. 68 Kaulbach-Archiv III, Brief von Ludwig Asher an Wilhelm Kaulbach aus Nürnberg, 26. September 1835. 69 Kaulbach-Archiv III, Brief von Ludwig Asher an Wilhelm Kaulbach aus Nürnberg, 26. September 1835. 70 Ostini, 1906, S. 62. 71 Ostini, 1906, S. 12. 65

16

noch einmal aufgenommen werden; ihre Antwort nämlich ist Schlüssel zu weiteren Problemen, die sich uns stellen. 2. Die Tradition des Wahnsinns in der Kunst seit dem 18. Jahrhundert 2.1. W illiam Hogarth: A Rake´s Progress, Blatt 8: Rakewell in Bedlam, 1735 (1763): Der W ahnsinn als Satire Zwar gab es schon vor Hogarths Rake´s Progress Darstellungen von Wahnsinnigen, der Unterschied zu früheren Werken besteht freilich in der Herangehensweise an das Phänomen des Wahnsinns. England als europaweiter Pionier in der Hospitalisierung von Geisteskranken hatte schon um 1400 im Bethlehem Royal Hospital, kurz Bedlam, Verhaltensauffällige jeglicher Art interniert72 und bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts wird dort eine zukunftsweisende Differenzierung zwischen „rogues, vagabonds, sturdy beggars“ und den „lunatics“73 vorgenommen. Das Bewusstsein einer

besonderen

Disposition

des

Wahnsinns

und

einer

dementsprechend

angepassten Betreuung war in England früher vorhanden als im übrigen Europa.74 Dieses Spezifikum der englischen Irrenbehandlung macht auch Hogarths Darstellung des Bedlam Hospitals so markant. Das Panorama des Irrsinns, das dem Betrachter eröffnet wird, und der Anspruch auf eine reale Wiedergabe der dortigen Verhältnisse verleihen

der

Szene

8

des

Zyklus

den

Stellenwert

eines

Orientierungspunkts für die nachfolgende Darstellung von Wahnsinn.

bedeutenden

75

Hogarth´s Interieur aus dem Bedlam ist in den Kontext von A Rake´s Progress – zu Deutsch Werdegang eines Wüstlings – einzuordnen. Wie der Titel andeutet, erzählt Hogarth

darin

die

Geschichte

eines

jungen

Mannes

aus

einer

reichen

Kaufmannsfamilie. In mehreren Szenen beschreibt Hogarth, wie der Wüstling nach dem Tod seines Vaters das Erbe mit einem ausschweifenden Lebensstil verprasst, eine Frau schwängert und darauf eine andere heiratet. Seinen extravaganten Unsittlichkeiten wird mit einem Aufenthalt im Schuldgefängnis ein Ende gesetzt. Schließlich verfällt Thomas Rakewell, so der Name des Protagonisten, dem Wahnsinn, worauf er – wie die achte und letzte Szene des Zyklus demonstriert – im Bedlam Hospital sein Dasein fristen muss.76 Im Vordergrund des Bildes ist der Wüstling konvulsivisch am Boden windend platziert, umgeben von seiner getreuen Verlobten,

72

Edward Geoffrey O´Donoghue: The Story of Bethlehem Hospital from its Foundation in 1247, London, Leipzig 1914, S. xviii. 73 Dörner, ³1995, S. 27. 74 Dörner, ³1995, S. 27ff. 75 Jane E. Kromm: „Hogarth´s Madmen“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 48 (1985), S. 238. 76 Ronald Paulson: Hogarth´s Graphic Works, London ³1989, S. 91ff.

17

einem Aufseher und einem Wärter, der an den Fußketten des Wahnsinnigen hantiert.77 Im Hintergrund ist der Blick auf zwei offene Zellen und ihre Insassen, einen religiösen Eiferer und einen imaginären König, freigegeben. Vor der Zelle des letzteren vergnügen

sich

zwei

junge

Damen,

die

offensichtlich

der

gängigen

Sonntagsbeschäftigung frönen, sich über die Kapriolen des Wahnsinns im Irrenhaus zu amüsieren.78 Verschiedene Typen von Wahnsinnigen bevölkern des Weiteren die Szene: An der Wand zwischen den Zellen hat ein irrer Astronom seine Berechnungen gekritzelt, ein verrückter Schneider versucht Maß zu nehmen, ein Musiker, ein melancholischer Geliebter und ein eingebildeter Papst besetzen eine Treppe am rechten Bildrand.79 Eingedenk der Einbettung in seinen narrativen Zusammenhang konzentrieren sich Betrachtungen

des

Bildes

gemeinhin

auf

die

moralische

Aussage

dieser

abschließenden Szene. Unter der von Hogarth selbst aufgestellten Prämisse, „modern moral subjects“80 zum Leitmotiv seiner Kunst zu machen, wird der Wahnsinn in der Quintessenz des Rake´s Progress zur Bestrafung für unmoralisches Verhalten.81 Trotz der erwähnten vergleichsweise fortschrittlichen Umgangsweise mit Irrsinn war es auch in England ein Gemeinplatz, psychische Störungen auf allzu leidenschaftliche Gefühle und Ausschweifungen zurückzuführen.82 Seinen lasterhaften Lebenswandel musste Rakewell mit seinem Verstand bezahlen. In der Vermittlung dieses Fazits sollte der Stich ein moralisches Exempel statuieren und vor den Gefahren warnen, mehr sein und mehr haben zu wollen als einem zusteht. Dabei warnt das Bild nicht allein vor den individuellen Gefahren, die aufgrund einer exzessiven Lebensart dem einzelnen drohen. Vielmehr erschließt Hogarth satirisch eine gesellschaftskritische Dimension: Geradezu offensichtlich wird das auf der zweiten Version des Stiches von 1763 (Abb. 7), wo Hogarth auf die Wand eine wie zufällig skizzierte Münze einfügte, auf die eine thronende Britannia geprägt ist. Darunter steht die Jahreszahl der Entstehung geschrieben. „Das soll heißen: im Jahr 1763 saß, oder sollte doch wenigstens sitzen, die Britannia im Tollhaus.“83 Dieser Interpretation Lichtenbergs wird bis heute zugestimmt.84 Die Frage, ob denn die Welt

77

Paulson, ³1989, S. 97. Franz Gabriel Alexander, Sheldon Theodore Selesnick: Geschichte der Psychiatrie. Ein kritischer Abriß der psychiatrischen Theorie und Praxis von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart, übersetzt von Harry Maór, Zürich 1969, S. 154. 79 Paulson, ³1989, S. 98. 80 Zit. nach Frederick Antal: Hogarth and his Place in European Art, London 1962, S. 8. 81 Antal, 1962, S. 8f. 82 Die Vorstellung, dass unmäßige Leidenschaften für den Ausbruch von Wahnsinn verantwortlich seien, war von der beginnenden Auseinandersetzung mit dem Phänomen im 17. und 18. Jahrhundert bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dominierend. Siehe Vieda Skultans: Madness and Morals. Ideas on Insanity in the Nineteenth Century, London, Boston 1975, S. 2ff. 83 Georg Christoph Lichtenberg: Lichtenbergs Hogarth. Die Kalender-Erklärungen von Georg Christoph Lichtenberg mit den Nachstichen von Ernst Ludwig Riepenhausen zu den Kupferstich-Tafeln von William Hogarth, hrsg. von Wolfgang Promies, München, Wien 1999, S. 59. 84 Paulson, ³1989, S. 97. 78

18

der Kranken und die der Gesunden so stark divergieren, ist für Hogarth zweifelhaft. Auf die an Wahnsinn grenzende Fragwürdigkeit gewisser Zeiterscheinungen wird mehrfach angespielt. Augenfällig pointiert ist die Analogie zwischen dem Innen und dem Außen eines Irrenhauses, die die hohen Ansprüche der Menschheit für nichtig erklärt, in den zwei Besucherinnen des Bedlam.85 Die Sinnlosigkeit von aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen wird vorgeführt, indem symbolische Hinweise im Bild eingestreut sind. Der an die Wand zeichnende irre Astronom kann als ein bestimmter real existierender Wissenschaftler

identifiziert

werden,

der

sich

mit

dem

Problem

der

Längengradbestimmung beschäftigte.86 Es zeichnet sich ab, dass Hogarth damit an das Erbe der Narrenschiffsymbolik anknüpft.87 Jedoch wird mit dem letzten Blatt des Rake´s Progress das Fundament für eine neue Ikonographie der Metapher gelegt, indem er das mittelalterliche Sinnbild des Schiffes durch die neuzeitliche Institution der Irrenanstalt als Mikrokosmos der närrischen Welt ersetzt. Diese satirische Perspektive Hogarths ist für das Bild des Wahnsinns in der frühen Aufklärung insofern spezifisch, als dass „eine den Prinzipien der Vernünftigkeit, Naturwahrheit und moralisch-didaktischen Nützlichkeit verpflichtete, rationalistischaufgeklärte Literatur“,88 wie auch die Kunst, zwangsläufig alles Krankhafte und Unvernünftige ausschließen musste. „Wenn überhaupt, dann konnte der Narr – und mit ihm der Wahnsinnige – allenfalls in kritischer Absicht […] Gestalt annehmen […] als Zerrbild bürgerlichen Menschentums.“89 Auch wenn Hogarth den Wüstling selbst nicht dem Spott preisgibt, sind doch die umgebenden Narren im Bedlam Hospital Inkarnationen des Unverstands und daher „Hauptzielscheibe moralisch-belehrender Kritik.“90 Was der rationalistischen Norm des frühen 18. Jahrhundert nicht genügt, das wird misstrauisch auf Distanz gehalten.91 Die geringe Beliebtheit, die dem Motiv des Wahnsinns in der bildenden Kunst bis zum späteren 18. Jahrhundert zuteil wurde, mag sich eben damit erklären, dass der Wahnsinn als Kuriosum im Widerspruch zum Rationalismus der Aufklärung stand. Im

85

Paulson, ³1989, S. 98. Paulson, ³1989, S. 98. 87 Zur Narrenschiffsymbolik siehe Johannes Hartau: „‚Narrenschiffe‛ um 1500. Zu einer Allegorie des Müßiggangs“, in: Thomas Wilhelmi: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum ‚Narrenschiff‛ und zum übrigen Werk, Basel 2002, S. 125ff. Siehe auch Michel Foucault: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, übersetzt von Ulrich Köppen, Frankfurt am Main ³1978, S. 19ff. 88 Georg Reuchlein: Bürgerliche Gesellschaft, Psychiatrie und Literatur. Zur Entwicklung der Wahnsinnsthematik in der deutschen Literatur des späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, München 1986, S. 50. 89 Reuchlein, 1986, S. 50. 90 Reuchlein, 1986, S. 50. 91 Vgl. Theodor W. Adorno, Max Horkheimer: Dialektk der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 1969, S. 12: “Was dem Maß von Berechenbarkeit und Nützlichkeit sich nicht fügen will, gilt der Aufklärung als verdächtig.“ 86

19

Verlauf des 18. Jahrhunderts setzte sich jedoch eine vermehrt mitfühlende Annäherung an psychische Grenzzustände durch, wie im Folgenden ausgeführt werden soll. 2.2. Das Motiv um 1800: Der anrührende W ahnsinn In seiner Studie zur Sozialgeschichte der Psychiatrie fasst Klaus Dörner zusammen, dass die Wandlung der Sicht auf den Wahnsinnigen zur Wende des 19. Jahrhunderts hin aus den strukturellen, besonders den ökonomischen Umgestaltungen der Gesellschaft resultiert.92 Nach der früh einsetzenden Industrialisierung in England emanzipierte sich ein wohlhabendes Bürgertum, in dessen Alltag das Private einen erhöhten Stellenwert einnahm. Nur in Harmonie mit der Erfahrung des Gefühls galt die Aufklärung des Geistes gefestigt.93 Entscheidend schlug sich die „Revolution der Gefühle“94 in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf die gesamte europäische Ästhetik nieder. Paradigmatisch stellt die beliebte Allgemeine Theorie der schönen Künste (1771-1774) von Johann Georg Sulzer „die Seelenhaftigkeit ins Zentrum des Interesses“.95 Der moderne Kunstsinnige erwartete, dass seine Gefühle angeregt wurden – entsprechend auch die Forderung nach Rührung als höchstem Zweck der Kunst.96 Bedingt durch die Kultivierung des Sentimentalen und des Schauerlich-Erhabenen entdeckte der Bürger „zwischen der sichtbaren Unvernunft der Irren und seiner eigenen

unsichtbaren

inneren

Unvernunft

[…]

Gemeinsames:

Gefühlsrausch,

namentlich schmerzlicher Art, Leidenschaft, Sensibilität, unwiderstehliche Begierden und überhaupt die menschliche Unzulänglichkeit, das freie Spiel der Einbildungen, Träume und andere Aktivitäten der Nachtseite der Seele.“97 Zwar ist der empfindsamen Programmatik „das Gefühl ohne Vernunft ein Unding“,98 jedoch wird die Erweiterung des – zunächst literarischen – ästhetischen Horizonts stückweise legitimiert, „weil er [der Empfindsame] Mensch, d. h. ein vernünftiges Wesen ist; sein Interesse ist allzeit zugleich das Interesse der gesammten Menschheit.“99 Auf der praktischen Ebene trug die philanthropische Bewegung, die sich

92

Dörner, ³1995, S. 63f. Siehe z. B. Friedrich Maximilian Klinger: Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Literatur, in: Friedrich Maximilian Klinger: Klingers sämmtliche Werke in 12 Bänden, Stuttgart, Tübingen 1842, Bd. 11, S. 82f., Nr. 115: „Gefühl und Vernunft sind die Sonne und der Mond am moralischen Firmament. Immer nur in der heißen Sonne würden wir verbrennen, immer nur im kühlen Mond würden wir erstarren.“ 94 Dörner, ³1995, S. 63. 95 Roland Kanz: „Die Einheit des Charakters. Das Seelenhafte, Symbolische und Charakteristische in der Porträt-Ästhetik der Romantik“, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 43, Nr. 2 (1998), S. 226. 96 Karl Heinrich Heydenreich: System der Ästhetik, Leipzig 1790, Bd. 1, S. 218. 97 Dörner, ³1995, S. 64. 98 Johann Jakob Hottinger, Johann Rudolf Sulzer: Brelocken an´s Allerley der Groß-und Kleinmänner, Leipzig 1778, S.153. 99 Heydenreich, 1790, Bd. 1, S. 376.

93

20

dem „moralische[n] Gefühl als Handlungsmaxime“100 verpflichtete, dazu bei, das Auge für Unterprivilegierte zu schärfen, so dass „karitative Institutionen nachhaltige Förderung“101 erfuhren und sich eine „soziale Sensibilisierung“102 heranbildete. Nicht zuletzt profitierte auch die Psychiatrie von den Folgen der neu entdeckten Innerlichkeit, die sich schlussendlich auf mitfühlendes und gleichzeitig erziehendes Handeln ausrichtete.103 Angesichts

der

anfänglich

vor

allem

englischen

Begeisterung

für

mentale

Zwischenstadien und intensive Gefühlserlebnisse, wie sie in den Gothic Novels, den Ossiangesängen, beziehungsweise den sentimentalen Romanen Richardsons oder Sternes Ausdruck fand,104 verwundert es nicht, dass die malerische Bearbeitung des Wahnsinnsmotivs in den Jahrzehnten um 1800 vor allem englischer Herkunft war und die literarische Vorarbeit zum Thema aufgriff. Als Paradebeispiel wird gerne Johann Füsslis Mad Kate (1806-1807, Abb. 8) herangezogen. Die verrückte Kate zeigt sich auf dem Bild auf einem Felsen am Meer sitzend, die Hände beschwörend erhoben und das Gesicht zum Betrachter gewandt, den sie mit spitzem Mund und aus weit aufgerissenen

Augen

direkt

anzustarren

scheint.

Das

nötige

literarische

Hintergrundwissen stammt aus dem Versepos The Task von Thomas Cowper, in dem eine Frau namens Kate vom Geliebten im Stich gelassen und so in den Wahnsinn getrieben wird.105 Von großer Ähnlichkeit ist der Hintergrund zum Bild Maria und ihr Hund Silvio (1781, Abb. 9) von Joseph Wright of Derby, dessen Darstellung einer jungen Frau in melancholischer Haltung detailgetreu aus Sternes A Sentimental Journey through France and Italy (1768) übernommen wurde.106 Die verrückte Maria verlor ihre Sinne, nachdem sie wiederum erst vom Geliebten verlassen wurde und daraufhin ihr Vater aus Sorge um seine Tochter starb. Kunst wie diese, die den literarischen Wahnsinn rezipierte, sollte eine Reaktion entsprechend der des Ich-Erzählers aus den Sentimental Journeys hervorrufen: Rührung und philanthropische Wohltätigkeit – der Erzähler weint mit Maria um ihre traurige Vergangenheit und würde sich gerne um die Versorgung des wirren Mädchens kümmern.107 Weitere vergleichbare Beispiele, die sich dem der literarischen Tradition verpflichteten anrührenden Wahnsinn widmen, sind Horace Vernets La Folle d´Amour

100

Gerhard Sauder: „Einleitung“, in: Gerhard Sauder (Hrsg.): Theorie der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang, Stuttgart 2003, S. 18. 101 Sauder, 2003, S. 21. 102 Sauder, 2003, S. 21. 103 Georg Jäger: Empfindsamkeit und Roman. Wortgeschichte, Theorie und Kritik im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Stuttgart, Berlin et al. 1969, S. 51ff. ( = Studien zur Poetik und Geschichte der Literatur 11) 104 Dörner, ³1995, S. 64. 105 William Cowper: „The Task“, in: William Cowper: Poetical Works, hrsg. von Humphrey Sumner Milford, 4 London 1967, S. 140f. 106 Laurence Sterne: A Sentimental Journey through France and Italy, hrsg. von Gardner D. Stout, Jr., Berkeley, Los Angeles 1967, S. 268ff. 107 Sterne, 1967, 271ff.

21

(Abb. 10), Thomas Barker of Baths und George Shepherds Darstellungen der verrückten Kate (Abb. 11-12). Das Motiv einer zumeist weiblichen, zumeist aus Liebe wahnsinnigen Figur ist in der Zeit eindeutig gehäuft anzutreffen; sie wird am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Prototyp des Wahnsinns, der später auch in der Physiognomik aufgegriffen werden wird.108 Neben der eher gefühlsorientierten Adaption des literarischen Wahnsinns prägt um 1800 eine mehr symbolisch-romantische Tendenz die Tradition der Irrendarstellung. Dabei werden Wahnsinnige zu Symbolfiguren von Weltschmerz und Angst vor den ungewissen Bedingungen des menschlichen Daseins.109 Der Ursprung ihres Wahnsinns ist nicht eindeutig bestimmbar, er ist eher eine diffuse Beklemmung. Zwar können auch hier die Vorlagen der Literatur entspringen – Ugolino, Kronos oder Ophelia –, jedoch sind sie Projektionsfiguren für das Gefühl der Isoliertheit und den Zustand des Außersichseins. Präzisiert werden diese Äußerungen anhand der prominentesten Beispiele für eine Verarbeitung von Wahnsinn. 2.3. Francisco Goya: Der W ahnsinn der Welt Goya bekundete mit zwei Irrenhausabbildungen seine Faszination für das Thema. Auf dem ersten, Corral de Locos von 1793 bis 1794 (Abb. 13), bekommt der Betrachter, wie der Titel schon verrät, Einblick in den Winkel eines Irrenhaushofs. Bevölkert wird er von einer Gruppe von Anstaltsbewohnern, zwischen welchen jede Kommunikation erloschen ist. Im Bildzentrum kämpfen zwei nackte Männer, umgeben von Einzelpersonen, die unbeeindruckt vom Geschehen in der Mitte sich ihrem Wahn hingeben. Düster starren die vorderen aus dem Bild, während die Figuren hinter den Ringern erregt die Arme um sich werfen. Eine sehr ähnliche Struktur ist auch im zweiten Bild aus dem Jahre 1799, Casa de Locos (Abb. 14), angelegt: wir sehen eine Gruppe von leicht oder gar nicht bekleideten Irren in ihrer Unterbringungsanstalt. Wiederum dominiert eine kämpfende Gestalt den Mittelpunkt des Bildes; sein Gegner bleibt unsichtbar. Um ihn herum liegen die meisten seiner Leidensgenossen wie in Krämpfen auf dem Boden. Im Hintergrund verschwimmt die Masse der Geisteskranken zu einem undeutlichen Farbspiel. Noch offenkundiger als im ersten Bild von 1793 ist der Rückgriff auf Hogarth in der zweiten Fassung des Themas artikuliert. Vielmehr als in der physiognomischen Individualität ist Goya allerdings in der Typisierung an seinem englischen Vorbild orientiert, indem er ähnliche Erscheinungsbilder des Wahns verwendet. Auch im Casa de Locos finden sich ein eingebildeter König und ein religiöser Fanatiker. Im Vergleich zu Hogarths Bedlam ist die einzelne Ausprägung des Wahns jedoch ohne Bedeutung. 108 109

Gilman, 1982, S. 126f. Hofmann, ²1974, S. 152.

22

Die Gleichartigkeit ihrer nackten Körper gewährt den Irren eine bei Hogarth nicht vorhandene Anonymität. Die Typen Hogarths vereinen ein Vorstellungsmodell von Wahnsinn

in

einem

differenziert

entworfenen

Individuum.

Goya

hingegen

verallgemeinert den Wahnsinn viel stärker. Noch weniger als bei Hogarth ist es kein bestimmtes

Subjekt,

das

an

Irrsinn

leidet,

sondern

gleichsam

das

Menschengeschlecht. Diese Implikation verweist auf den Gedanken der Irrenanstalt als Spiegelbild der Welt. Goya verzichtet aber auf jedes humoristische Element; im Gegenteil zum Engländer nutzt er gerade das imaginierte Entsetzen, um das Grauen der Welt heraufzubeschwören.110 In sein Bild vom Wahnsinn übertrug Goya die Vision vom „Tollhaus einer irdischen Hölle“,111 von einer Welt bestimmt von Ordnungslosigkeit und willkürlicher Gewalt, wie er sie nach dem blutigen Scheitern der Französischen Revolution und den folgenden Revolutionskriegen tatsächlich wahrnehmen konnte. Jede Satire ist hier einem radikalen Pessimismus gewichen. 2.4. Eugène Delacroix: Der W ahnsinn als Künstlerleiden Psychisch leidende, geradezu obsessiv von der Melancholie geplagte Menschen sind im Werk Eugène Delacroix´ allgegenwärtig.112 Einen Blick auf einen Wahnsinnigen in einer Irrenanstalt bieten die beiden Fassungen des Themas Torquato Tasso im Hospital von Santa Anna, von 1824 (Abb. 15) und 1839 (Abb. 16). Ungleich Goya konzentriert sich Delacroix auf das Leiden des Einzelnen, in diesem Falle des italienischen Renaissancedichters Torquato Tasso, der von seinem Mäzen, dem Grafen von Ferrara, in ein Irrenhaus verbannt worden war.113 Delacroix stellt sein Bildnis von Tasso in den Kontext der für die Romantik charakteristischen Ikonographie des einsamen Künstlergenies. Auf der ersten Version des Bildes sitzt Tasso in einem dunklen und gewölbeartigen Raum, betont abgewandt von einigen der im Hospital internierten Irren, die sich neugierig

annähern.

Davon

unbeeindruckt

ist

Torquato

Tasso

in

düsterer

Kontemplation versunken, nach der typischen Ikongraphie des Melancholikers den Kopf auf die Hand gestützt. Die zweite Fassung des Themas unterscheidet sich nur geringfügig von der ersten, auch wenn hier der Isolation zu den übrigen Insassen, die dumpf in die Zelle des Dichters einzugreifen versuchen, mehr Gewicht verschafft wird. Der Unterschied in der Charakterisierung der physiognomisch eindeutig vom Wahnsinn Gezeichneten und dem edel anmutenden Ausdruck Tassos könnte kaum pointierter sein. Delacroix präsentiert uns den stolzen poeta laureatus in einer Sinnkrise,

110

Werner Hofmann: Goya. Traum, Wahnsinn, Vernunft, München 1981, S. 14ff. Hofmann, 1981, S. 8. 112 Stéphane Guégan: „Spleen und Ideal. Das Porträt“ in: Jean Clair (Hrsg.): Melancholie. Genie und Wahnsin in der Kunst, Ausst. Kat. Galeries Nationales du Grand Palais Paris und Neue Nationalgalerie Berlin, Ostfildern-Ruit 2005, S. 358f. 113 Lee Johnson: The Paintings of Eugène Delacroix. A Critical Catalogue, Oxford 1981, Bd. 1, S. 92f. 111

23

demgegenüber die Fratzen und fetzenhaften Kleider der Narren den wirklichen Irrsinn – das Fehlen jeglichen natürlichen Gefühls für höhere Gedanken – personifizieren. Das Schema des von der Umwelt entfremdeten Künstlers, in das die romantische Generation den Renaissancedichter einpasste, barg nicht nur für Delacroix ein enormes Identifikationspotential. In der Melancholie Torquato Tassos spiegelt sich das Bedürfnis des romantischen Künstlers, sich von der Menge abzugrenzen und seine Superiorität zu bekunden.114 Das bloße Talent entfremdet den romantischen Künstler so sehr von der Gesellschaft, dass er sein göttliches Ingenium dem Wahnsinn verwandt sieht. Der Typus des melancholischen Genies, wie er auf Torquato Tasso im Hospital von Santa Anna wiedergegeben ist, wiederholt sich in zahlreichen Typen des an der Welt Zweifelnden. In diesem stark eingeschränkten Blickwinkel zeigt sich die Reduziertheit von Delacroix´ Interesse am Wahnsinn. Sein Fokus beschränkt sich auf die eine Erscheinungsform der Melancholie aus dem breiten Spektrum an psychischen Auffälligkeiten. Delacroix greift auf die reichhaltige Tradition des Künstlerbildes seit Dürer mitsamt der humoralpathologischen Konnotationen zurück115 – in einer Zeit der aufkeimenden psychiatrischen Wissenschaften konnte dieser Verweis keinesfalls die Vorraussetzung für ein objektives Abbild einer psychischen Krankheit sein. Ein solches zu vermitteln war aber auch nicht im Sinne Delacroix´; der Wahnsinnige funktioniert hier als Repräsentation eines romantischen Künstlerideals. 2.5. Die

psychiatrischen

Abbildungen:

Der

medizinisch

diagnostizierte W ahnsinn 2.5.1. Philippe Pinel Auf den ersten Blick scheint es erstaunlich, dass die Mediziner bis in das frühe 19. Jahrhundert kein Interesse an Illustrationen von psychisch Kranken gezeigt hatten; war doch die Darstellung von medizinischen Phänomenen in der neuzeitlichen Kunst schon lange etabliert.116 Damit eine Anfertigung von Bildern psychisch Kranker für medizinische Zwecke sinnvoll werden konnte, musste die Geisteskrankheit erst als solche entdeckt und anerkannt werden. Dieser Prozess der Neubewertung von Wahnsinn war Ende des 18. Jahrhunderts in England und Frankreich initiiert worden.117 Die Inanspruchnahme der Abbildung von Wahnsinn für medizinische Zwecke brauchte allerdings andere Stilmittel, und ebendiese Notwendigkeit begründete eine neue Darstellungsform des Wahnsinns. 114

Siegmar Holsten (Hrsg.): Das Bild des Künstlers. Selbstdarstellungen, Ausst. Kat. Kunsthalle Hamburg, Hamburg 1978, S. 66. 115 William Hauptman: The Persistence of Melancholy in Nineteenth Century Art. The Iconography of a Motif, London 1975, S. 3ff. 116 Vgl. das Übersichtswerk von Léon Binet, Charles Maillant, Hans Schadewaldt et al.: Kunst und Medizin, Köln 1967. 117 Thom, 1984, S. 16ff.

24

Der französische Arzt Philipe Pinel gilt als erster, der psychiatrische Illustrationen in Auftrag gegeben hat. Das gängige Klischee sieht ihn als Befreier der Irren von ihren Ketten.118 In der Mehrheit der Sekundärliteratur wird der humanitäre Gedanke, physische Maßregelungen wie eiskalte Bäder abzuschaffen, den der einstige Direktor der Pariser Anstalten Bicêtre und der Salpêtrière durchaus vertrat, tendenziell jedoch überbewertet.119 Wegweisender war sein radikal empirischer Ansatz in der Tradition des Sensualismus, der alle Erkenntnis aus der Wahrnehmung gewinnen möchte.120 Anstatt den Sitz des Wahnsinns im Körper lokalisieren zu wollen, beschränkte sich Pinel auf „die beschreibende Methode.“121 Sein Ziel ist es, die Krankheit erst naturwissenschaftlich zu erfassen122 und „den Anfang damit zu machen, dass man jeden Gegenstand nach und nach mit Aufmerksamkeit […] beobachtet.“123 Diese Reduktion auf die externen Anzeichen des Wahnsinns war bestimmend für den Fortschritt des Psychiatriewesens. Pinels wesentliche Leistung besteht in der Differenzierung der psychischen Krankheit, nachdem die Symptome, das Krankheitsund Lebensbild jedes Patienten geprüft worden waren.124 Die Rolle des Erneuerers wird Philippe Pinel auch in der Tradition der Bebilderung medizinischer Fachliteratur zugesprochen.125 Für seine Schrift Traité medicophilosophique sur l´alienation mentale von 1801 ließ er von einem heute anonymen Zeichner eine Bildtafel anfertigen, die den Kopf eines Manischen und eines Idiotischen aus sechs verschiedenen Perspektiven zeigt (Abb. 17). Die Darstellung ist noch stark von anthropologischen Darstellungen des 18. Jahrhunderts beeinflusst, antizipiert aber gleichzeitig schon Strömungen wie die im ganzen 19. Jahrhundert populäre Phrenologie, die Bezüge zwischen Charakteranlage und Schädelform herstellen wollte. Pinel führt zur Abbildung aus, dass der Manische – das obere Beispiel der Illustration – im Vergleich zum unteren Beispiel des Idiotischen aufgrund seines besser proportionierten Schädels, der dem Apoll von Belvedere näher komme, unter nur gelegentlichen Anfällen von Geistesgestörtheit leide.126 Pinel erstellt damit eine Skala normativer

Erscheinung,

die

dem

Pathologischen

ein

Ausdrucksideal

gegenüberstellt.127 Der klassizistische Glaube an die Kalokagathie, der Analogie

118

Dörner, ³1995, S. 144. Robert Castel: Die psychiatrische Ordnung. Das Goldene Zeitalter des Irrenwesens, übersetzt von Ulrich Rauf, Frankfurt am Main 1979, S. 94. 120 Castel, 1979, S. 117f. 121 Philippe Pinel: Philosophisch-medicinische Abhandlung über Geistesverirrungen oder Manie, übersetzt von Michael Wagner, Wien 1801, S. 3 122 Pinel: Abhandlung, 1801, S. 2. 123 Pinel: Abhandlung, 1801, S. 2. 124 Castel, 1979, S. 93ff. 125 Gilman, 1982, 72f. 126 Pinel: Abhandlung, 1801, S. 138f. 127 Gilman, 1978, S. 211. 119

25

zwischen Idealschönheit und Idealcharakter, sollte bis weit ins 19. Jahrhundert anhalten.128 Voraussetzung für eine solche Schlussfolgerung war aber grundsätzlich die Deduktion einer mentalen Störung ausgehend von der Betrachtung der Kopfstruktur und des Gesichtsausdruckes. Für ein eingehendes Studium desselben sind Pinels Fallbeispiele sowohl im Profil als auch en face wiedergegeben. Damit ist die Richtung der psychiatrischen Illustration als Erbe der Physiognomik oder vielmehr der Pathognomik vorgegeben; gleichzeitig führte die empirische Auseinandersetzung mit dem sinnlich Wahrnehmbaren

einer

geistigen

Störung

fast

notwendig

zu

einer

visuellen

Reproduktion des ärztlichen Blickes. Der Leser sollte den Patienten als Beispiel für eine gewisse krankhafte Ausprägung selbst beobachten können. Man bedenke, dass Michel Foucault die Entstehung eines spezifisch ärztlichen Blicks in der französischen postrevolutionären Psychiatrie verortet: „Der Raum der Erfahrung scheint mit dem Bereich des aufmerksamen Blicks identisch zu werden, mit dem Bereich jener empirischen Wachsamkeit, die nur für die Erscheinung sichtbarer Inhalte offen ist. Das Auge wird zum Hüter und zur Quelle der Wahrheit; es hat die Macht, eine Wahrheit an den Tag kommen zu lassen, die es nur empfängt, sofern es ihr das Tageslicht geschenkt hat; indem es sich öffnet, eröffnet es die Wahrheit.“129 2.5.2. Jean-Étienne Dominique Esquirol Pinels Schüler Jean-Étienne Dominique Esquirol führte die Errungenschaften seines Lehrers fort und erweiterte sie sowohl in medizinischen als auch in künstlerischen Belangen.

Die

Wichtigkeit

illustrierter

Fallbeispiele

für

medizinische

Zwecke

begründete er mit dem Argument der nosographischen Notwendigkeit: „Cette étude [de la physionomie des aliénés] aide à démêler le caractère des idées et des affections qui entretiennent le délire de ces malades. […] J´ai fait dessiner plus de 200 aliénés dans cette intention.“130 Für dieses Vorhaben, die Krankheit durch klinisch-objektive Beobachtung näher zu bestimmen, beauftragte Esquirol den Zeichner Georges F.M. Gabriel Illustrationen anzufertigen, die teilweise auch als Anschauungsmaterial für seine zahlreichen Artikel im 50-bändigen Dictionnaire des Sciences Médicales131 veröffentlicht wurden (Abb. 1821).132 Bezeichnenderweise bleibt der Künstler mit der Extension, ja beinahe der Massenproduktion, von Abbildungen psychisch Kranker nicht mehr anonym. Die 128

Das Universal-Lexicon der practischen Medicin und Chirurgie beispielsweise zählt „bei den unglücklichen Bewohnern eines Irrenhauses weit mehr fehlerhafte Schädelbildungen.“ Foville, 1835, S. 280. 129 Michel Foucault: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, übersetzt von Walter Seitter, München 1973, S. 11 130 Jean Étienne Dominique Esquirol: Des Maladies Mentales, Brüssel 1838, Bd. 2, S. 19. 131 Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1812-1820. 132 Jane Kromm: The Art of Frenzy. Public Madness in the Visual Culture 1500-1850, London, New York 2002, S. 220ff.

26

Illustrationen von Gabriel sind jetzt mehrheitlich auf den Gesichtsausdruck fokussiert, die Form des Schädels verliert die zentrale Bedeutung. An Esquirols Hauptwerk Des Maladies Mentales von 1838, das seine Artikel im genannten Dictionnaire zusammenfasst,133 partizipierte der frühere Porträtist von revolutionären Guillotineopfern, Ambroise Tardieu,134 der Gabriels Zeichnungen durch Kupferstiche erneuerte und eigene Bildnisse Geisteskranker beisteuerte (Abb. 22-43). Anders als Gabriel beließ es Tardieu nicht nur beim reduzierten Blickwinkel auf die Physiognomie, sondern integrierte mit seinen Ganzkörperporträts auch Gesten und Haltung der Patienten. Ferner fügte er die Dargestellten in einen identifizierbaren Kontext: Indem er sowohl eindeutige Requisiten einer damaligen psychiatrischen Klinik wie Zwangsjacken und auch lokalisierbare Orte wie den Anstaltshof, Wände oder Betten einfügte, versuchte der Künstler, das spezifische Milieu der Psychiatrie zu erfassen.135 Tardieu gibt damit ein reales Bild der Verhältnisse in den Irrenanstalten wieder, das die scheinbare Objektivität der Darstellungen umso mehr erhöht. Die Illusion einer ärztlichen Visite wird damit perfektioniert, der ärztliche Blick kann von jedem Betrachter eingenommen werden. 2.5.3. Théodore Géricault Einen Schritt weiter zur künstlerischen Vereinnahmung des psychiatrisch analysierten Wahnsinns führen Géricaults Bildnisse von Geisteskranken, für die ihn Étienne-Jean Georget, Schüler von Esquirol, um 1821 engagiert hatte.136 Die ursprünglich zehn Porträts von Insassen der Salpêtrière, wovon heute noch fünf existieren, beschränken sich auf Patienten mit Monomanien (Abb. 44-48). Letzteres bezeichnet eine von Esquirol definierte Symptomatik, die manische Krankheitsformen mit einer verstärkten Ausrichtung auf spezifische Handlungen oder Gegenstände beschreibt.137 Rein technisch vollzieht Géricault mit dem Wechsel von graphischen Druckmitteln auf Ölfarben eine enorme Modifikation der psychiatrischen Illustration. Denn mehr als diese Gemälde illustrieren, kommt ihnen der Status eigenständiger Kunstwerke zu. Die Verwendung von Öl verringert den informellen Skizzencharakter und nähert sich dem Thema malerisch statt zeichnerisch. Eine Gemeinsamkeit mit Esquirols Zeichnungen ist Géricaults Konzentration auf das Gesicht und seine Physiognomie, die hell vor dem dunklen, anonymen Hintergrund leuchtet. Dem Künstler liegt daran, die Individualität der Menschen festzuhalten, ohne ihre Krankheit in den Vordergrund zu stellen. Anders als bei den bisherigen 133

Jean Étienne Dominique Esquirol: „Folie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1816, Bd. 16, 151-240. 134 Kromm, 2002, S. 213. 135 Kromm, 2002, S. 231. 136 Margaret Miller: „Géricaults Paintings of the Insane“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 4 (1940/41), S. 151ff. 137 Esquirol: „Monomanie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1819, Bd. 34, 114ff.

27

Porträtgraphiken Geisteskranker verzichtet Géricault auf übertrieben verzerrte Physiognomien, was der heutige Betrachter umso realistischer empfindet. Der Künstler spart mit offensichtlichen äußeren Merkmalen von psychischer Anormalität – zunächst werden sie als alte Menschen wahrgenommen, die einen entkräfteten Eindruck machen. Nicht den „Effekt, sondern das verborgene Indiz der geistigen Zerrüttung“138 erforscht Géricault. Die historisch innovative Leistung des Malers, geisteskranke Menschen in kunstvoller Form festzuhalten fand in Kaulbach einen Nachfolger. 3. Das Narrenhaus im Kontext seiner Zeit 3.1. Die Hinwendung des Narrenhauses zum Realismus 3.1.1. Abgrenzung zur Tradition der Wahnsinnsdarstellungen Grundlegend ist die Innovativität des Narrenhauses, wodurch „Kaulbach der zeitgleichen Kunst

mit

ihrer

Darstellung

biedermeierlicher Gemütlichkeit

und

Nüchternheit weit voraus“139 war. Daher ist es ein primäres Ziel dieser Arbeit, darzulegen,

worin

sich

die

Zeichnung

von

der

bisherigen

Tradition

der

Wahnsinnsdarstellung unterscheidet. Gemeinhin wird Hogarths achte Szene des Rake´s Progress mit gutem Grund als wichtigste Referenz für Kaulbachs Entwurf seiner Irren genannt, denn sowie es Kaulbach in der ausgeprägten physiognomischen Differenziertheit der Narren Hogarth nachgetan hat, erinnern die Typen des wahnsinnigen Frömmlers und des Königs an Hogarths Blatt.140 Zudem löste das „Hogarthian revival“141 zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Begeisterung für den englischen Künstler aus. In der deutschen Kunstszene hatte sich Hogarth schon vor der Wende zum 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreut – man denke an Lichtenbergs Kommentare in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts und den „deutschen Hogarth“ Chodowiecki.142 Die besondere Affinität gerade der deutschen Künstler zu Hogarth ist in Werken von Johann Heinrich Ramberg, Bonaventura Genelli, Adolph von Menzel und schließlich Wilhelm Kaulbach manifestiert.143 Vor allem in Kaulbachs anderem wichtigen, aber unpublizierten und unvollendeten graphischen Frühwerk, den Zeichnungen zu Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre,

138

Hofmann, ²1974, S. 155. Martina Dillmann: „Kaulbach. Ein Historienmaler begegnet Hogarth“, in: Martina Dillmann, Claude Keisch (Hrsg.): Marriage à-la- mode. Hogarth und seine deutschen Bewunderer, Ausst. Kat. Altes Museum Berlin, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie Frankfurt, Berlin 1998, S. 134. 140 Busch, 1985, S. 188f. 141 David Bindman: „The Fame of A Rake´s Progress. The Paintings and the Prints“, in: Apollonia 148, Nr. 437 (1998), S. 4 142 Antal, 1962, S. 208. 143 Martina Dillmann, Claude Keisch (Hrsg.): Marriage à-la- mode. Hogarth und seine deutschen Bewunderer, Ausst. Kat. Altes Museum Berlin, Städelesches Kunstinstitut und Städtische Galerie Frankfurt, Berlin 1998, S. 124ff. 139

28

sind die Anleihen an die Hogarthischen Typen unverkennbar (Abb. 49-51). Busch führt die Motive dieser Blätter auf diverse Stiche aus Hogarths Zyklen zurück.144 Dass das Narrenhaus Anregung durch Hogarth erfahren hatte, war den Zeitgenossen unmittelbar bewusst. Kaulbach wurde nicht nur von einem Verlag angefragt, „eine ganze Serie von Lebensschilderungen aus dem Narrenhause im Stile von Hogarths ‚Heirat nach der Mode’“145 anzufertigen. Der Künstler hatte wohl auch Pläne zu „lehrhaften Bilderreihen aus dem Leben eines Guten und eines Bösen“146 geschmiedet, die jedoch nicht verwirklicht worden sind. Das Aufzeichnen eines plakativ vorbildhaften Lebenslaufs in direktem Kontrast zu einer exemplarisch unsittlichen Lebensführung, wie es Kaulbach im geplanten Zyklus wohl vorschwebte, erinnert stark an die folienartigen Lebenskonzepte Hogarths, die zum Beispiel im Zyklus Industry and Idleness vorgeführt werden. Trotz

dieser

Anknüpfungspunkte

an

Hogarth

müssen

die

verschiedenen

soziokulturellen Voraussetzungen, unter denen die Bilder der zwei Künstler entstanden sind, berücksichtigt werden. Hundert Jahre nach der ersten Fassung des Rake´s Progress konnte der Paradigmenwechsel in wissenschaftlicher und literarischer Annäherung an den Wahnsinn Kaulbach nicht unbeeinflusst lassen. Aus der aufklärerisch-satirischen Sicht auf den Wahnsinn ist im Zuge der Empfindsamkeit und der Romantik eine mitfühlende geworden. Hans Müller war aufgefallen, dass die Hogarthischen „Karikaturen, Satiren und Spitzfindigkeiten“ mit der Absicht „zu witzeln, zu stacheln, zu beleidigen“147 im Narrenhaus nicht mehr auszumachen sind. Das Motiv des Wahnsinns wird nicht offensichtlich der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern „dazu verwendet, um Mitgefühl zu erregen.“148 Vernachlässigt man den Kommentar von Görres, ist die Kritik an sozialen Übeln im Narrenhaus zunächst nur ausgerichtet auf die Zustände im Irrenhaus selbst anstatt auf generelle gesellschaftliche Unsinnigkeiten – der Betrachter des Stiches registrierte die leidvollen, zusammengepferchten Gestalten, den Wärter mit seiner Peitsche und das auf die Verwendung von Züchtigungsmitteln hinweisende Graffiti. Die darin enthaltene Kritik an einer Misshandlung der psychisch Kranken zeugt von der geänderten Haltung gegenüber dem Irrsinn im Zuge der psychiatrischen Revolution nach 1800. Kaulbach folgt scheinbar auch in der ausdrucksstarken Darstellung der Insassen dem Hogarthischen Vorbild. Jedoch wird Hogarths karikierende Tendenz im Narrenhaus nicht übernommen; Kaulbachs physiognomische Akribie war vielmehr Bestandteil der künstlerischen Forderungen seiner Zeit, die im Erbe der Lavaterschen Physiognomik zu bestimmen sind. Seitdem die Vorstellung vom Gesicht als Spiegel der Seele bis weit 144

Busch, 1985, S. 182ff. Busch, 1985, S. 180. 146 Ostini, 1906, S. 66. 147 Müller, 1893, S. 183. 148 Müller, 1893, S. 183. 145

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in die Populärkultur durchgedrungen war, und man als „Menschenkenner“149 an die Interpretation der Physiognomie herantreten sollte, war es auch zum Postulat für Künstler geworden, die „Empfindungen, Gefühle, Gedanken, Gesinnungen,“150 wie sie sich in den Gesichtszügen abzeichneten, nachzubilden. Gemäß dem Kompendium Handwörterbuch der Seelenmahlerey von 1804 sollte ein Maler „einen vor sich habenden Menschen mit allen Eigenheiten, sowohl des Körpers als der Seele, darstellen, so, daß man in den äußern Theilen und Zügen des Gesichts, in den Stellungen der Haltung und Bewegungen des Körpers, die ganze Denk- und Sinnesart des Menschen, seine Neigungen und Empfindungen erkennt.“151 Ein Porträtmaler war des Lobes würdig, wenn er als „Physiognom und Herzenkündiger“152 über das nötige Feingefühl verfügte, „sich in jede Lage des Charakters, den er bearbeitet, setzen zu können, und [der Seelenmahler] muß die Fertigkeit besitzen, von jedem Charakter, den er sich denkt, auch die mit demselben übereinkommenden Züge, Mienen, Gebehrden sich lebhaft vorzustellen.“153 Ein vorbildlicher Porträtist sollte sich also durch die Fähigkeit auszeichnen, alle vorstellbaren menschlichen Zustände nachempfinden und sie damit wahrhaftiger wiedergeben zu können. Eine Kohärenz zwischen dem sichtbaren Äußeren und dem verborgenen Inneren war in der Abbildung von Wahnsinn besonders geboten, da diesem seelischen Ausnahmezustand als ein solcher spezielle Bedeutung zukam. Die Frage stellte sich, mit welchen Mitteln ein Seelenmaler die inneren Turbulenzen eines Geisteskranken visualisieren könne, damit er „mehr als matte Andeutungen solcher Zustände geben“154 konnte. Gleichsam eine Antwort lieferte Charles Bell in seinen Essays in the Anatomy of Expression: „It is only when the enthusiasm of an artist is strong enough to counteract his repugnance to scenes in themselves harsh and unpleasant, when he is careful to seek all occasions of storing his mind with images of human passion and suffering, when he philosophically studies the mind and affections as well as the body and features of man, that he can truly deserve the name of a painter.“155 Für Bell lag die Herausforderung in der künstlerischen Darstellung von Wahnsinn darin, durch die Physiognomie des Kranken im Betrachter eine Vorstellung von dessen Leiden zu erwecken. Hogarths Irre sind eben nicht primär dazu entworfen, um an unser Mitleid zu appellieren; Kaulbach hingegen versucht, sich als Maler zu profilieren, indem er den geforderten Enthusiasmus unter Beweis stellt und den Betrachter mit der physiognomischen Präzision von der unglücklichen Lage seiner Narren zu überzeugen 149

Johann Heinrich Gottlieb Heusinger: Handbuch der Ästhetik, Gotha 1797, Bd. 2, S. 328. Charles LeBrun: Handwörterbuch der Seelenmahlerey, Wien, Prag 1804, S. 29. 151 LeBrun, 1804, S. 12f. 152 LeBrun, 1804, S. 16. 153 LeBrun, 1804, S. 16. 154 Karl Wilhelm Ideler: Biographien Geisteskranker in ihrer psychologischen Entwicklung, Berlin 1841, S. v. 155 Charles Bell: Essays on the Anatomy of Expression in Painting, London 1806, S. 156. 150

30

sucht. Dabei versteht es der Künstler, sowohl seinen eigenen Willen zur Empathie anschaulich

zu

anzusprechen.

machen Die

als

auch

„das

Identifikationsfiguren

Caritasbedürfis sind

im

des

Narrenhaus

Biedermeier“156 eindeutig

die

Wahnsinnigen. Dadurch unterscheidet sich der Stich des 19. Jahrhunderts gravierend von dem Hogarths. In dem Erläuterten offenbart sich aber die Gemeinsamkeit des Narrenhauses zu den Melancholici der empfindsamen Tradition. Der Effekt des Narrenhauses im Stich, der in aller Konzentriertheit bewegen und zum Mitleid anregen soll, korrespondiert mit den Intentionen einer empfindsamen Vermittlung der Thematik. Essentieller als diese Ähnlichkeit, die aufgrund der um 1830 wiedererstarkenden Aufklärungstradition und der Restauration von Gedankengut der Spätaufklärung im Biedermeier

nur

folgerichtig

ist,157

erweist

sich

Kaulbachs

Gestaltung

des

variantenreichen Wahnsinns als Bild der Wirklichkeit. Dadurch dass Füssli oder Wright of Derby sich strikt an die Einzelheiten der literarischen Vorgaben halten, ist deren Bezug eine für jedermann eindeutig nachvollziehbare fiktive Schilderung. Das Narrenhaus geht über die Monotonie der immer wiederkehrenden irrsinnigen Liebenden hinaus, indem sein Künstler das Spektrum des Wahnsinns gemäß den aktuellen medizinischen Erkenntnissen entfaltet, die fantastische Komponente aber entsprechend mindert. Die vorgeführte romantisch-symbolische Entwicklungsrichtung, die vor Kaulbachs Bild den künstlerischen Umgang mit Wahnsinn prägte, ist kaum mit dem Narrenhaus in Einklang zu bringen. Symbolhaft wird der Wahnsinn dort eingesetzt, um das eigene Befinden, die Entfremdung von der Umwelt, in die Krankheit zu proji*zieren. Obwohl Goya ebenfalls eine Irrenanstalt als Kulisse wählte, wirkt die apokalyptische Stimmung bei dem Spanier intensiver als bei Kaulbach. Dieser vermeidet es, ein sichtlich dramatisiertes Abbild zu liefern. Goya hinterlässt im Betrachter eine Fassungslosigkeit ob der Rohheit und dem Elend der evozierten Welt; seine Narren sind im Grunde gesichts- und alterslose Jedermanns, abstrahiert, um die universelle Unvernunft der ihn umgebenden Geschehnisse bildlich zu übertragen. Demgegenüber zeichnet Kaulbach den Einblick in einen Narrenhaushof mit einer Präzision, die an methodische Akribie grenzt. Die Dargestellten sind als konkrete Individuen gemeint, die nach scheinbar objektiver Beobachtung auf dem Papier naturgetreu wiedergegeben wurden. Der Anspruch einer wirklichkeitsgemäßen Annäherung an die psychische Krankheit hegten weder Goya noch Delacroix, der die Abgrenzung von einer barbarisch sinnfreien Welt speziell dem Künstler aufbürdet. Wiederum gleichnishaft stilisiert Delacroix den Melancholiker, dessen Crux in seinem künstlerischen Genie besteht, das ihn von der Umwelt gleich einem Irren entfremdet. Diese Konzeption des 156

Friedrich Sengle: Biedermeierzeit. Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution 1815-48, Stuttgart 1972, Bd. 2: Die Formenwelt, S. 901. 157 Sengle, 1972, Bd. 2, S. 949.

31

Wahnsinns lag Kaulbach fern; wie später deutlich gemacht werden soll, verlagerte er die Mystifizierung des Künstlerdaseins aus dem Bild und ironisierte sie zugleich. Kaulbach demonstrierte seine Exzeptionalität als Künstler in mehrfacher Hinsicht, aber am zentralsten in der Adaption der aktuellen psychiatrischen Kenntnisse. 3.1.2. Adaption der psychiatrischen Methode Wie man den Ausführungen entnehmen kann, ist Kaulbachs große Neuerung in der Geschichte der Darstellung von Wahnsinn seine realistische Vorgehensweise. Wie die zeitgenössische medizinische Illustration von Geisteskranken, stellt Kaulbach das individuelle Leiden eines jeden einzelnen in den Mittelpunkt. Die Physiognomien sind nicht mehr theatralische Fratzen, sondern versuchen, einen akkuraten Eindruck der jeweiligen psychischen Störung zu vermitteln. Strukturiert sind die Porträts von Kaulbachs Zeichnung getreu der Methode der psychiatrischen Abbildungen, die die mimischen Hinweise auf den Wahnsinn anhand eines Einzelfalls isoliert von der Umgebung festhalten wollen. Kaulbach häuft die einzelnen beispielhaften Typen zu einer Gruppe und integriert sie später in den leicht identifizierbaren Ort der Irrenanstalt. Die Vorlagen mussten dabei vor allem Esquirols Schriften liefern; in Deutschland war eine Verbindung von medizinischer Diagnose und ihrer Visualisierung in Bildern bis zu Karl Heinrich Baumgärtners Kranken-Physiognomik von 1839158 und den auf psychische Krankheiten spezialisierten Biographien Geisteskranker von Karl Wilhelm Ideler159 von 1841 nicht geläufig. Pinels Traité médico-philosophique war zwar ab 1801 auch in deutscher Sprache erhältlich, jedoch diente seine Abbildung zuerst als Auftakt für eine umfassendere Abbildungsproduktion, wie sie schließlich Esquirol anfertigte. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts war dieser Arzt die maßgebliche Autorität für die illustrierte psychiatrische Fallgeschichte;160 einen anderen Anknüpfungspunkt konnte Kaulbach um 1830 daneben nur in Géricaults Porträts für Étienne-Jean Georget finden, die aber anders als Esquirols Abbildungen nicht mit einem konkreten medizinischen Text zusammenhingen, und es fragwürdig ist, ob Kaulbach diese Porträts überhaupt gekannt hat: Ihr Verbleib nach Georgets Tod im Jahr 1828 ist ungeklärt. Erst 1863 wurden die fünf heute noch bekannten Bilder in der Hinterlassenschaft eines französischen Landarztes gefunden.161 Die Artikel von Esquirol hingegen wurden – aus dem Dictionnaire des Sciences Médicales zusammengefasst – 1827 mit den dazugehörigen Illustrationen (Abb. 52-61) in Deutschland publiziert.162

158

Karl Heinrich Baumgärtner: Kranken-Physiognomik, Stuttgart 1839. Ideler, 1841. 160 Kromm, 2002, S. 208. 161 Miller, 1940/41, S. S. 151ff. 162 Jean-Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827. 159

32

Es wäre also folgerichtig und nahe liegend, die Dargestellten in die psychiatrischen Ordnungsgruppen nach Esquirol einteilen zu wollen.163 Erschwert wird das Vorhaben aber durch Kaulbachs künstlerische Freiheit. Konkrete Ähnlichkeiten zwischen Esquirols beispielhaft abgebildeten Patienten und Kaulbachs Narren beschränken sich auf minimale Details wie die Frisuren oder den Blick. Kaulbach hat sich also nicht des Plagiats

schuldig

gemacht.

Nichtsdestotrotz

kann

versucht

werden,

die

Narrenhausinsassen durch ihre Ausgestaltung in die von Esquirol vorgeschlagene Nomenklatur einzuordnen.164 Kurz gefasst liegt Esquirols Nomenklatur – wie den meisten der psychiatrischen Konzepte – eine generelle Dichotomie zugrunde zwischen der erregten, unruhigen Form des Wahns, Manie genannt, und der Melancholie als schwermütigem Zustand der Geisteskrankheit. Das Modell wird ergänzt durch Formen der Verwirrtheit („la démence“165) und des Blödsinns („l´imbécilité ou l´idiotie“166). Eine Esquirolsche Besonderheit ist der Entwurf der bereits erwähnten monomanischen Krankheitsform, deren Patienten von einem Delirium, „welches bloß partiell, oder nur auf Einen [sic] Gegenstand gerichtet ist,“167 betroffen sind. Trotz ihres Namens, der eine aggressive Spielform des Wahnsinns vermuten lässt, wird die Monomanie der Melancholie untergeordnet. Zur letzten Kategorie der Monomanie können mit Sicherheit, von links nach rechts, die ersten drei Patienten der unteren Reihe gezählt werden. Wie ihre jeweiligen Attribute andeuten, beschränkt sich ihr Wahn auf den Bereich der Wissenschaften, beziehungsweise des Krieges oder des Herrschens. Die anderen vier Gestalten der unteren Reihe sind schwieriger einzuordnen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Esquirols Beispiel der Melancholie (Abb. 18, bzw. Abb. 22 und Abb. 52) lässt sich in der Position des Kopfes und der zusammengekauerten Haltung der Figur hinter dem imaginären König feststellen. Sein vom Betrachter aus gesehen rechter Nachbar müsste ein Exempel für Manie sein, wie sich aus dem aufgewühlten Gesichtsausdruck schließen lässt, die auf eine „immer währende[n] Aufregung“168 schließen könnte. Möglich wäre auch eine Monomanie, die sich im Ausreißen von Gras äußert. Dagegen spricht, dass Monomanien per definitionem eher unaufgeregte Zustände bedeuten. Das gleiche Problem stellt sich bei der Frau, die ein Holzstück wie ihr Baby in den Händen hält. 163

Ingried Brugger unterstellt, „dass es dem Psychiatriehistoriker ein leichtes ist, die verschiedenen Formen der Geisteskrankheit zu diagnostizieren.“ (Ingried Brugger: „Der fiktive Körper. Eine Geschichte zwischen Voyeurismus und Identifikation“, in: Ingried Brugger, Peter Gorsen, Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.): Kunst und Wahn, Ausst. Kat. Kunstforum Wien, Köln 1997, S. 27.) 164 Das Universal-Lexicon der practischen Medicin und Chirurgie listet mindestens sechs zeitgenössische nomenklatorische Systeme auf, die sich zwar teilweise überschneiden, aber nicht übereinstimmen. Da diese Enzyklopädie vorwiegend Esquirol zitiert, kann aber davon ausgegangen werden, dass seine Terminologie zu dieser Zeit auch in Deutschland verbreitet war. Foville, 1835, S. 272ff. 165 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 11. 166 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 11. 167 Esquirol, 1827, S. 199. 168 Beschreibung der Manie in Esquirol, 1827, S. 527.

33

Eigentlich würde sich die Diagnose der Monomanie anbieten, da ihr Attribut auf einen Wahn mit Ausprägung auf die Sorge für diesen Holzscheit anspielt. Ihr Mienenspiel könnte jedoch auch den Befund einer reinen Manie nahe legen. Die unterste Figur mit dem Brief in der Hand hält das wichtigste Indiz für die Krankheitsbestimmung, den Gesichtsausdruck, verborgen. Die Pose, die an Goyas berühmtes Capricho 43 erinnert, ist jedoch eindeutig der traditionellen Ikonographie der Melancholie, und nicht speziell der psychiatrischen Ikonographie, entlehnt.169 Wiederum einfach zu klären ist der Wahn der Dreiergruppe um den Mann, der das Kreuz hält. Ihre Attribute, beziehungsweise der betende Ausdruck der Frau, markieren eine wahnhafte Verstrickung in religiöse Angelegenheiten, eine Art der mentalen Störung, die Esquirol mit dem Namen Dämonomanie versieht.170 Widersprüchlich ist dabei, dass der Psychiater eher Frauen eine dämonomanische Ausprägung des Wahnsinns zuordnet,171 während Kaulbach die Männer mit religiösem Wahnsinn in die Überzahl stellt. Des Weiteren ist auch die Dämonomanie ein der Melancholie untergeordneter Terminus, während der mittlere Mann vielmehr dem Erscheinungsbild eines Manischen entspricht. Die wild abstehenden Haare sind bei Esquirol ein Merkmal der manischen Krankheit (Abb. 27 und Abb. 28) und auch der erregte Blick ist ein Indiz für Manie. Die Krankheitsform der äußersten Frau am linken Bildrand ist schwierig zu bestimmen, da kein Attribut dabei Hilfe leistet. Die Physiognomie ist zu unspezifisch und eine Ferndiagnose der Melancholie könnte daher genauso zutreffen wie eine der Verwirrtheit. Einzig ist bei diesem Beispiel möglicherweise Kaulbachs Vorlage zu identifizieren: spiegelt man Géricaults Monomane de l´Envie horizontal (Abb. 62), bemerkt man eine auffallende Ähnlichkeit, die umso glaubwürdiger ist, als dass die Frau auf dem Narrenhaus wie neidisch auf die Figurengruppe neben sich späht. Es ist jedoch aufgrund des unsicheren Bekanntheitsgrads der Bilder wahrscheinlich, dass es sich um eine zufällige Ähnlichkeit handelt. Zumindest die linke Frau von den verbleibenden drei Narren erfüllt die Kriterien für Erotomanie, eine Art der Melancholie, die „in einer ausschweifenden und übermäßigen Liebe sowohl für einen wirklichen, als eingebildeten Gegenstand“172 besteht, ohne jedoch „die Grenzen der Schicklichkeit“173 zu übertreten. Im Wahnsinn ihrer Nebenbuhlerin, die ebenso um die Gunst des Mannes streitet, kann eine Manie diagnostiziert werden; ihre Gesichtszüge stimmen mit der physiognomischen Beschreibung des Prototyps der manischen Patientin überein: „die zusammen gezogenen Gesichtsmuskeln, die über den Augen gefaltete Stirn, die convulsivisch 169

Busch, 1985, S. 209. Esquirol, 1827, S. 250ff. 171 Esquirol, 1827, S. 278. 172 Esquirol, 1827, S. 285. 173 Esquirol, 1827, S. 286. 170

34

zurück gezogenen Mundwinkel, die hohlen oft wie injicirten und sehr beweglichen Augen, der belebte obgleich schielende Blick geben dieser Physiognomie einen Charakter, der vollkommen die Störung und gleichzeitige Aufregung ihrer Ideen […] zu erkennen

giebt.“174

Charakteristisch

für

die

Illustration

von

den

manischen

Irrenhausinsassinnen sind auch die kurz geschorenen Haare.175 Hätte Kaulbach nicht zumindest Esquirols Illustrationen gekannt, wäre es dem Künstler wohl kaum eingefallen, eine Frau mit kurzen Haaren zu zeichnen, womit sich der Verdacht erhärtet, dass Kaulbach mit dieser Art der medizinischen Abbildung bekannt gewesen sein muss. Schließlich verbleibt noch der Versuch, die Krankheitsart des Zylinder tragenden Mannes zu eruieren. Sein starrer Blick, seine Bewegungslosigkeit und seine mürrische Miene machen eine Melancholie am schlüssigsten, jedoch ist diese Einschätzung nicht umfassend verifizierbar. Allerdings

sind

die

erwähnten

Uneindeutigkeiten

in

der

Bestimmung

der

Krankheitsbilder letztlich nicht relevant. Wesentlich ist nicht die Frage, ob Kaulbach exakt diagnostizierbare Krankheitsfälle aufgezeichnet hat, sondern die Tatsache, dass die einzelnen Darstellungen wie medizinische Porträts wirken sollten. Für Kaulbachs Zielpublikum war es ausreichend, wenn der Eindruck entstand, die abgebildeten Figuren seien detailgetreu nach dem Modell real existierender psychisch Kranker auf Papier kopiert worden. Die Stilistik der medizinischen Porträts hat Kaulbach so übernommen, dass er den ärztlichen Blick zu imitieren scheint. Mit dieser geschickten Methode münzte er die anscheinende Objektivität der Medizin auf die Kunst um. So zeichnet sein Narrenhaus einerseits einen hochgradigen, wissenschaftlich anmutenden Realismus aus, andererseits soll die Zeichnung trotzdem als Werk der Kunst verstanden werden. In der neuartigen Idee, bei der Darstellung von Wahnsinn einen die medizinische Distanz simulierenden Stil anzuwenden und trotzdem die Funktion von Kunst beizubehalten,

ähnelt

das

Narrenhaus

am

ehesten

Géricaults

Porträts

der

Monomanischen. Auch er intendierte eine Form der psychiatrischen Illustration, die die Wirkung von bildender Kunst für sich beanspruchen konnte. Versuchte der französische Maler eine Annäherung vom Realismus der medizinischen Abbildungen an die Kunst durch die Technik der Ölfarbe zu erreichen, bleibt Kaulbach zwar bei der Graphik, schließlich war das Narrenhaus aber nicht für die Fachliteratur, sondern für ein kunst- und kulturinteressiertes Publikum bestimmt. Dieser Realismus in Kaulbachs Narrenhaus, der auf der Reproduktion einer naturwissenschaftlichen Methode basiert, ohne dass es den Status als Kunstwerk

174 175

Esquirol, 1827, S. 531. Kromm, 2002, S. 214.

35

aufgeben würde, war zumindest in Deutschland ein unerhörtes Novum, das sich – wie im Folgenden erläutert wird – von der deutschen Kunst der Zeit erheblich absetzte. 3.1.3. Abgrenzung zum zeitgenössischen Kunstgeschmack Nachdem nachgeprüft wurde, wie sich das Narrenhaus in die Chronologie seiner Ikonographie einfügt, erfolgt nun die Verortung in den Kontext der zeitgenössischen Kunst. Gestützt ist die These, dass Kaulbachs Narrenhaus sich erheblich von der gewohnten Kunstproduktion seiner Zeit differenziert, auf die Erkenntnis des letzten Kapitels. Der prägende Impuls nach der ersten Phase der Romantik ging von der Kunst der Nazarener aus; die meist religiös-altdeutsch inspirierten Szenen im klassischen Stil der Renaissancemalerei idealisierten ihren Gegenstand. Eine realistische Szene als Selbstzweck war nach dem nazarenisch geprägten Kunstgeschmack undenkbar.176 Während der gebildete Zeitgenosse damals Kunst mit einem Anspruch auf Wissensvermittlung besah, legte das weniger gebildete Publikum eher Wert auf die Vermittlung von Gefühlen oder Sensationen177 – in beidem äußern sich ein eskapistisches Verlangen und eine Entsagung an Bildinhalte, die nicht das allgemeine Gefühl für Sittlichkeit verletzten.178 Beide Anforderungen des Kunstgeschmacks – Eskapismus und Festhalten an der Moral – erfüllt das Narrenhaus nur bedingt. Das Thema, das deutlich Tabus bricht, indem Kaulbach „formal das Deformierte und inhaltlich

das

Nichtseinsollende“179

thematisiert,

verhält

sich

konträr

zum

Kunstverständnis des Biedermeier, und die Radikalität der realistischen Darstellung ohne eine moralische Rechtfertigung galt ästhetisch als nicht legitim, wie einige Stimmen der damaligen Zeit untermauern werden. In einem Artikel zur Berliner Kunstausstellung hieß es 1852: „Die Kunst verlangt aber durchaus bei der Darstellung von sittlichen Schattenseiten, so wie von selbst verschuldetem Unglück, ein versöhnendes Moment und die bloße Schilderung einer beklagenswerthen Unsitte, die unser Gefühl empört, kann nicht darauf rechnen, unser Interesse in Anspruch zu nehmen.“180 Zwei Jahre später werden in der Rezension der gleichen Ausstellung realistische Darstellungen als unkünstlerisch verurteilt: „Aber die Darstellung des bloßen Elends weckt im besten Falle kein anderes Gefühl in uns, als daß wir eilig gehen möchten, zu helfen; die Kunst hat rein gar nichts damit zu schaffen; denn nicht der praktische, sondern der künstlerische Mensch in uns soll durch das

176

Busch, 1985, S. 180. Fritz Baumgart: Idealismus und Realismus 1830-1880. Die Malerei der bürgerlichen Gesellschaft, Köln 1975, S. 11f. 178 Baumgart, 1975, S. 12. 179 Ines Janet Engelmann: Hässlich!? Eine Diskussion über bildende Kunst und Literatur vom Anfang des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Weimar 2003, S. 9. 180 Anonym: „Die diesjährige Berliner Kunstausstellung“, in: Deutsches Kunstblatt 3, Nr. 50 (1852), S. 423. 177

36

Kunstwerk angesprochen werden.“181 Noch der Kaulbach-Biograph Hans Müller schrieb am Ende des 19. Jahrhunderts: „Alle hervorragenden Kunstwerke der Menschenheit […] haben einen Grundzug. […] Sie erheben sich und den andächtig Genießenden aus der gemeinen Alltäglichkeit […] in eine außergewöhnliche, höhere Welt, wo das Herz reiner und größer empfindet, wo man das Niedrige und Widrige vergisst und verachten lernt, wo man seine Lüste und Leidenschaften an erhebenden oder abschreckenden Vorbildern läutert und Erholung vom Leiden und Sorgen, Ermunterung zum Leben und Streben gewinnt. Alle wahre Kunst ist schöner als das Leben, sonst wäre ihr Dasein unnütz.“182 In direktem Bezug zu Kaulbach warnte ein Kritiker, dass das Narrenhaus „wohl ein Schulhaus für seine [Kaulbachs] Kunst, aber nicht ein bleibendes Wohnhaus sein dürfe“183 – eine Ermahnung zugleich an den Stellenwert von realistischer Kunst als auch ein Hinweis auf die Bedeutung von Kaulbachs Schwerpunktverlagerung auf idealistische Historienmalerei im Verlauf seiner beginnenden Karriere. Tatsächlich bekannte sich Kaulbach aber anfänglich zu seinem Realismus. Er sprach sich aus für eine Erneuerung der Kunst in Richtung eines Naturalismus zu Ungunsten der historistischen Wiederverwertung altbekannter Formeln, welchen er aber nicht ohne Nostalgie und Epigonenbewusstsein die Absage erteilt: „Die Kunst, die Ihr ausübt, besteht nur in Stilübungen, nur in Raisonnements, ohne alle Empfindung. Gehet zur lebendigen Natur und fragt da um Rat und lasst die alten Meister ruhen. […] Du Affengeschlecht von heute, in deinem trüben, nebligen Zustande, kannst nichts davon wieder erwecken noch beleben. Nein! Wie wenige von Euch begreifen und verstehen diese spärlichen Reste untergegangener Herrlichkeit – darum lasst sie ruhen, gehet hin zum Quell der ewig neuschaffenden Natur, da trinkt mit vollen Zügen Verjüngung!“184 Noch ausdrücklicher wird Kaulbach in einem Brief an seine Frau, der zu einem Zeitpunkt geschrieben wurde, als er seine ehemalige Ausbildungsstätte, die Akademie in Düsseldorf, besuchte. „Meine Arbeiten haben hier außerordentlich gut gefallen; sie kannten diese nur vom Hörensagen. Die Darstellungsweise meines ‚Narrenhauses‛ und ‚Sonnenwirtes‛ [aus dem Zyklus Verbrecher aus verlorener Ehre] erregte Erstaunen. Sie sagten, sie hätten bis jetzt keine Vorstellung gehabt, wie vielseitig sich ein Künstler ausbilden kann: wie vielerlei ihm zu Gebote steht, auf welch mannigfaltigem Wege er die Natur kennen lernen kann. Ja, daß es sogar notwendig ist, den Menschen in allen erdenklichen Verhältnissen zu studieren, sie mögen uns nun als Narren oder als Weise erscheinen. Kurz, die Arbeiten waren ihnen eine merkwürdige

181

Anonym: „Die Berliner Kunstausstellung“, in: Deutsches Kunstblatt 5, Nr. 47 (1854), S. 413. Müller, 1893, S. 177. 183 Zit. nach Müller, 1893, S.416. 184 Ostini, 1906, S. 68. 182

37

Erscheinung. Auch wunderten sie sich darüber, daß man den Schattenseiten des Menschenlebens auch Poesie abgewinnen könne. Der Eindruck war aber nur darum so groß, weil die Künstler nur immer trachten, sich in den siebten Himmel der Begeisterung zu zaubern, und glauben, dieses Gebaren sei die einzige Quelle der wahren Kunst. Aber darum bringen sie eben nur Figuren zum Vorschein, die zu sehr überirdischer Natur sind. Es kommt aber nur darauf an zu bestimmen, was eigentlich die Aufgabe ist: Die Menschen darzustellen, wie sie wirklich sind – siehe Shakespeare – oder wie sie in einem exaltierten Kopfe idealistisch gebildet werden. Meine Muse bestimmt mich für das Erstere.“185 Mit dieser leidenschaftlichen Parteinahme für eine Kunst, die nicht bloß eine zur Erhebung des Betrachters gefilterte Wirklichkeit wiedergeben möchte, positionierte sich Kaulbach nicht nur abseits der gewohnten und gewöhnlichen Maßstäbe der damaligen Kunstproduktion, sondern er brachte sich in erster Linie mit dem Narrenhaus in direkte Opposition zu seinem Lehrer Peter Cornelius. Die Kunstanschauungen des Lehrers und seines Schülers „schieden im Grunde genommen von Anfang an Welten“186 und wie Werner Busch konstatiert, trennte sie auch im späteren Werk ein grundverschiedenes künstlerisches Konzept.187 Am prägnantesten lässt sich die Entfremdung von Cornelius jedoch anhand des Narrenhauses erschließen. In Cornelius, „für den es eine andere Kunst als die monumentale überhaupt nicht gab“,188 findet man eine Leitfigur der deutschen zeichnerisch-idealistischen Malerei zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es ist daher nahe liegend, dass er eine Kunst mit Sinn für die gesellschaftliche Realität konsequent ablehnte.189 Seine Reaktion auf Kaulbachs Versuche einer Ästhetik der Authentizität reichte über Empörung bis Entsetzen. Derart vehement war seine Aversion gegen die „ästhetische Entgleisung“190 und den „sittlichen Frevel“191 der realistischen Kunst, dass Cornelius nach Berichten von Kaulbachs Frau seinen ehemaligen Eleven bei einer Begegnung in Berlin brüsk zurückwies. „Cornelius […] hat es Kaulbach nie verziehen, dass er so ‚auf Abwege‛ geraten ist.“192 Schon seit der damaligen Kunstkritik ist der Konflikt zwischen den beiden Künstlern dominant behandelt worden. Mehr als künstlerisch wurden oft die beiden ungleichen Persönlichkeiten kontrastiert. Noch im 20. Jahrhundert wurde Kaulbach ein 185

Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, Düsseldorf 9. Juli 1831. Zit. nach Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 157. 186 Busch, 1985, S. 142. 187 Busch, 1985, S. 142. 188 Ostini, 1906, S. 71. 189 Schon die Genremalerei konnte Cornelius nicht mit seiner Idee von Kunst vereinen: „Das [die Genremaler] sind die Fächler, die Classe von Malern, denen die Kunst nicht in ihrer Allheit und Einheit erscheint; sondern die sich ein Fach auslesen und dafür allein arbeiten. Sie sind immer ein Zeichen des Verfalls der Kunst und behalten nur einigen Werth, insofern die sich auf die wahre, allumfassende Kunst stützen, wie die Niederländer; sonst sind sie mir immer langweilig.“ Zit. nach Erich Förster: Peter Cornelius. Ein Gedenkbuch aus seinem Leben und Wirken, Berlin 1874, Bd. 1, S. 274. 190 Ostini, 1906, S. 71. 191 Ostini, 1906, S. 71. 192 Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 110.

38

„abtrünniger Epigone des großen Meisters“193 genannt; viel aufschlussreicher ist die Einschätzung von Cornelius als „klassisch einfache“194 Person, demgegenüber Kaulbach als „eine gemischte, vor allem gründlich moderne, die mannigfaltigsten Widersprüche in sich vereinigende, viel reichere, wenn auch nicht die Spur von antikem Wesen in sich enthaltende, sondern romantisch geistreiche Natur“195 beurteilt wird. Aus diesen Charakterisierungen kann gefolgert werden, dass die Kunstauffassung des jungen Kaulbach sich nicht nur hinreichend von derjenigen seines Lehrers unterschied, sondern sich generell vom idealistischen Kunstgeschmack abgrenzte. 3.1.4. Abgrenzung zur zeitgenössischen Genremalerei Vor allem im Stich, in dem die Dargestellten eine deutliche Einbettung in einen Kontext erfahren, weist das Narrenhaus Anleihen an das Genre auf. Um sich jedoch zu versichern, dass es Kaulbachs bewusster Wille gewesen war, eine Kategorisierung des Narrenhauses in das zeitgenössische Konzept des Genre zu erschweren, hilft schon ein Blick in die Bemerkungen von Guido Görres und Karl Rosenkranz. Die Kritik, die Guido Görres in seinen Erläuterungen am Narrenhaus übt, ist bezeichnend für seine christlich-didaktische Kunstbetrachtung. Seines Erachtens hätte der Künstler den Eindruck des Bildes verbessert, wenn er „in dem ganzen Jammer neben dem kalten Weltverstande [dem Wärter] auch den höheren von Gott erleuchteten und erwärmten Verstand dargestellt hätte, der […] voll Mitleid und Liebe die Kranken wie seine Brüder pflegt,“196 um „ein Gegengewicht zu den Wahnsinnigen und ihrer kalten, gierigen, angstvollen Welt“197 zu bilden. Dem sollte Karl Rosenkranz in den sechziger Jahren beipflichten: „Es wäre auch unsere Ansicht gewesen, […] dass zur Milderung und Versöhnung des schmerzvollen Eindruckes […], der Künstler […] noch ein anderes Princip der Versöhnung, als lindernden Gegensatz beigefügt hätte.“198 Die Kritik beider Autoren betrifft also die schonungslose Ausbreitung einer abstoßenden, beängstigenden Thematik, ohne den Eindruck mit einem Hoffnung versprechenden Gegengewicht auszugleichen. Dieser Unstimmigkeit hätte Kaulbach nach Görres Abhilfe leisten können, indem er als „Kontrast zu all diesem Jammer“199 barmherzige Schwestern dazugesellt hätte. „Aus ihrem ruhigen, mitleidsvollen Auge, dem Spiegel einer reinen, von keiner Leidenschaft, sondern von heiliger Liebe erglühten Seele, wäre in diese Nacht des Elendes und des Verbrechens ein Lichtstrahl

193

Hans Geller: Curiosa. Merkwürdige Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert, Leipzig 1955, S. 66. Friedrich Pecht: Deutsche Künstler des neunzehnten Jahrhunderts. Studien und Erinnerungen, Nördlingen ²1887, Bd. 2, S. 68. 195 Pecht, ²1887, Bd. 2, S. 68. 196 Görres, [1836], S. 93. 197 Görres, [1836], S. 93. 198 Schilling, 1863, S. 472. 199 Görres, [1836], S. 92. 194

39

aus einer höheren Welt gefallen.“200 Rosenkranz´ Vorschlag zur Abwendung des allzu unangenehmen Empfindens bei der Betrachtung des Narrenhauses, ist ähnlich angelegt: „Hätte man nicht auch diesen Jammerbildern […] ein ruhig, harm- und schuldlos spielendes Kind (von 8-10 Jahren) als schönsten, wohlthuendsten Gegensatz aufstellen können? Ein Kind, auf dessen freiem, lichtvollen Antlitze die Leidenschaften noch keine Wellenlinien gefurcht, ein Kind, dessen seelenvolles Auge die Unschuld und die Ruhe des Gewissens, dessen offener, leidenschaftlicher Blick die vollste, innerste geistige Harmonie ausspräche?“201 Zunächst ist diesem beiderseitig geäußertem Wunsch nach einer positiven Position im Bild zugrunde liegend, dass der unbeschönigende Realismus im Narrenhaus, wie schon ausgeführt wurde, nicht dem zeitgenössischen Kunstgeschmack entsprach. Beide können den künstlerischen Wert von Elend an sich nicht akzeptieren; sie verlangen daher nach einem moralischen Gegenpart zum ‚unmoralischen‛ Wahnsinn, nach einer beruhigenden Norm, die die Abnorm des Dargestellten gleichsam allopathisch neutralisiert. Der Wärter wird als Kontrast wenig ausreichend empfunden, da seine drohende Peitsche, der grimmig verzogene Mund und die verborgenen Augen wenig Gutes verheißen. Sowohl Görres als auch Rosenkranz hätten es befürwortet, stattdessen positiv besetzte Eigenschaften wie Unschuld und Gutmütigkeit in Personifikation von Krankenschwestern oder einem Kind zu integrieren. Das vorgeschlagene Schema, ästhetisch Hässliches mit der Darstellung von Tugendhaftigkeit zu kompensieren, war nun mit Vorliebe in der zeitgenössischen Genremalerei angewandt worden. Häufig beruht die Wirkung des biedermeierlichen Genres gerade auf Kontrastwirkung, „die bei anekdotischer Zuspitzung zu einem typischen Merkmal des moralisierenden Genre wird.“202 Waren Szenen des Elends sowieso nur in einem marginalen Spielraum toleriert worden, fungierten in Unglücksdarstellungen wie beispielsweise dem Hessischen Leichenbegräbnis im Winter von Ludwig Knaus (Abb. 63) gerade Kinder als versöhnendes Moment.203 Die Unschuld des Kindes im Gegensatz zur verdorbenen Erwachsenenwelt wurde auch in Knaus´ Bild Die Falschspieler (Abb. 64) lobend hervorgehoben: „Ohne Zweifel sind auch Sie begeistert für die kleinen liebenswürdigen Geschöpfe, in denen die Natur ihre tiefen geheimen Wunder unverdorben und klaräugig offenbart, die noch nichts von der Lüge wissen, sondern die Wahrheit selber sind, denen eine oft falsche und unsinnige

200

Görres, [1836], S. 93. Schilling, 1863, S. 473. 202 Sigrid Russ: „‚Das interessante gemüthliche deutsche Genre‛ – Betrachtungen zur Genremalerei von Ludwig Knaus“, in: Ulrich Schmidt (Hrsg.): Ludwig Knaus 1829-1910, Hanau 1979, S. 21. 203 Ute Ricke-Immel: „Die Verklärung des Alltäglichen. Zum Genrebild im 19. Jahrhundert“, in: Rüdiger Articus, Martina Sitt (Hrsg.): Angesichts des Alltäglichen. Genremotive in der Malerei zwischen 1830 und 1900, Ausst. Kat. Kunstmuseum Düsseldorf, Köln, Düsseldorf 1996, S. 14. 201

40

Cultur noch nicht die ursprünglichen Farben des Geistes mit mißlichen Tinten übertüncht hat.“204 Kaulbach aber verzichtete auf einen derartigen moralischen Ausgleich. Zwar erreichte die deutsche Genremalerei erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt, jedoch hatte sich gerade Kaulbachs Wohnort München schon in den ersten Dezennien zu einem Zentrum der Genremalerei entwickelt;205 der Künstler musste wissen, dass ein bloßes Elendsmotiv nicht dem Usus entsprach. Inhaltlich kommt das Narrenhaus der Definition von Genremalerei in Jeitteles´ Aesthetischem Lexikon nahe, wonach „der Charakter der Genremalerei […] Darstellung des Wirklichen im Gegensatze des Idealen“206 sei, die Verklärung dieses Wirklichkeitsbildes ist dem Genre des 19. Jahrhunderts jedoch immanent.207 Die Wahrheit des Tatsächlichen beschränkt sich meistens auf das Gefällige und Wohltuende. Das Narrenhaus distanziert sich aber eben von dieser Tendenz. Kaulbach hat es vermieden, eine idyllische, behütete Welt ohne körperliche oder seelische Defizite zu verherrlichen – oder auch nur den Effekt des Wahnsinns durch hinzugefügte Kinder zu schmälern. Die beabsichtigte Wirkung des Schocks und der einzigartige Charakter seines Werkes wären damit entscheidend gemindert worden. Ungefähr 70 Jahre nach dem Erscheinen des Görresschen Kommentars erkannte Müller den ästhetischen Sinn eines Sujets, das von keinem versöhnendem Gegeneffekt entkräftet wird: „Aber die Erfüllung solcher Forderungen [wie von Görres und

Rosenkranz]

würde

die

tragische

Gewalt

des

Kunstwerkes

unbedingt

beeinträchtigen und einen bedenklichen Zug von Sentimentalität in die dramatische Darstellung eingemischt haben.“208 3.1.5. Abgrenzung zum Gruppenporträt Augenfälliger als der Bezug zum Genre, der sich vor allem hinsichtlich des Inhalts herstellen lässt, ist kompositorisch der Porträtcharakter des Narrenhauses, namentlich des Gruppenporträts. Hierbei erwähnenswert ist vor allem das Conversation Piece, diese Form des informellen Gruppenporträts ausgehend von Hogarth, das sich bei bürgerlichen Schichten großer Beliebtheit erfreute, da es sich per definitionem vom steif wirkenden Zeremoniell der adligen Porträtkunst unterschied.209 Das spezifische Interesse bestand darin, die dargestellten Familien-, Freundschafts- und andere Bündnisse nicht in einem hierarchischen System zu arrangieren, sondern mit einem

204

Wolfgang Müller von Königswinter: Düsseldorfer Künstler aus den letzten 25 Jahren. Kunstgeschichtliche Briefe, Leipzig 1854, S. 250. 205 Ricke-Immel, 1996, S.10. 206 Ignaz Jeitteles: Aesthetisches Lexikon. Ein alphabetisches Handbuch zur Theorie der Philosophie des Schönen und der schönen Künste, Wien 1835, Bd. 1, S. 310. 207 Ricke-Immel, 1996, S. 10. 208 Müller, 1893, S. 192. 209 Ellen G. D´oench: „Conversation Piece“, in: Jane Turner (Hrsg.): The Dictionary of Art, New York 1996, Bd. 7, S. 785.

41

erzählerischen Hintergrund zu versehen. Die Individualität eines jeden Porträtierten sollte auch in der Totalität des Zusammenschlusses bestehen bleiben. Die Gefahr einer solchen bürgerlichen Selbstbehauptung, für die wiederum Werner Busch sensibilisiert, besteht im Abgleiten des Gruppenbildes in ein „gänzlich additives Konglomerat

von

Verweisen,

dem

eine

einheitliche

Richtung

fehlt.“210

Der

Kunsthistoriker sieht diese Problematik im Narrenhaus ad absurdum geführt zu einem Extrembeispiel für die „seit dem fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts akute Krise des szenischen Gruppenbildes.“211 In der Tat kennzeichnet das Narrenhaus eine undurchsichtige Komposition ohne verbindende Bezugnahmen, so dass, wie schon gesehen, bei einer Bildbeschreibung ein Aufzählen der einzelnen Figuren am leichtesten fällt. Das Conversation Piece definiert sich aber doch just durch die Kommunikation – die Konversation – unter den Porträtierten. Es zeigt den „Bürger als gesellschaftliches Wesen.“212 Im Narrenhaus wird dieses wichtigste Kriterium nicht erfüllt – die Unfähigkeit der Dargestellten, miteinander in Kontakt zu treten, wird thematisiert: die Blickrichtungen verlaufen bei jedem der Irren anders, eine sinnvolle Kommunikation findet weder körperlich noch verbal statt. Die Zusammenhangslosigkeit der dicht gedrängten Gruppe kann unmittelbar durch den Wahnsinn jedes Einzelnen erklärt werden. Denn das Unvermögen zur Kommunikation war eine feststehende Konnotation des Wahnsinns in der

Fachliteratur.

Kant

determiniert

„das

einzige

allgemeine

Merkmal

der

Verrücktheit“213 im „Verlust des Gemeinsinnes (sensus communis), und der dagegen eintretende logische Eigensinn (sensus privatus).“214 Esquirol schreibt prosaischer: „Dans une maison de fous, les liens sociaux sont brisés; les amitiés cessent, la confiance est détruite, […] chacun a ses idées, ses affections, son langage; n´ayant aucune communauté de pensées, chacun vit seul et pour soi, l´egoïsme isole tout.“215 Die primäre Veranlassung Kaulbachs, die Narren in einer Beziehungslosigkeit zu ihrer Umwelt zu zeichnen, kann aus diesem Topos des in seiner Welt gefangenen Wahnsinnigen abgeleitet werden. Mit dem Fortschritt der psychiatrischen Reformen nimmt passend zur Entwicklung hin zu einem somatischen Verständnis der Krankheit auch die Darstellung des kommunikationslosen Irren ab: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehren sich Darstellungen von Tanzveranstaltungen in Anstalten (Abb.

210

Busch, 1985, S. 149. Busch, 1985, S. 148. 212 Ehrenfried Kluckert: „Rezension von Mario Praz, Conversation Pieces – A survey of the Informal Group Portrait in Europe and America, Rom 1971“, in: Kunstchronik 27 (1974), S. 132. 213 Immanuel Kant: „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht“, in: Immanuel Kant: Werkausgabe, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main ²1978, Bd. 12, S. 535. 214 Kant, ²1978, Bd. 12, S. 535. 215 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S.2 Étienne-Jean Georget: De la Folie, hrsg. von Jacques Postel, Toulouse 1972, S. 38: „L´amour, l´attachement sont quelquefois remplacés par la jalousie, l´indifférence, la haine, sans motifs extérieurs.“ In ähnlicher Weise spricht Reil davon, dass die psychisch Kranken nicht auf ihre Umwelt achten. (Reil, 1803, S. 317.) 211

42

65-66), und auf den Zeichnungen des Schweizers Johann Konrad Fäsi-Gessner aus dem Zürcher Irrenhaus sieht man die Kranken in heiterem Beisammensein (Abb. 6768). Ein weiterer Bruch mit dem herkömmlichen Gruppenporträt vollzieht sich durch den erzählerischen Hintergrund, den das Gruppenporträt um 1800 charakterisierte216 und sich dort aus der Begegnung der Figuren im Bild konstruierte. Adäquat zur Isolation der einzelnen Irren im Narrenhaus produziert in diesem Fall jeder Porträtierte den narrativen Kontext aus sich selbst heraus. Die Attribute machen nicht aufmerksam auf zwischenmenschliche Beziehungen oder soziale Stellungen, sondern sie sind selbstreferentiell. Es gibt nichts, was die Gruppe eint, außer ihrem Wahnsinn. Werner Hofmann interpretiert die Zusammenhangslosigkeit in der Gedrängtheit des Narrenhauses im Kontext der vermehrten Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt im 19. Jahrhundert. Den „Zerfallsprozess der modernen Gesellschaft“,217 den beispielsweise später Baudelaire allgegenwärtig in der Isolierung, der urbanen Anonymität und der Beziehungslosigkeit unter den Menschen eingewirkt sieht, verlegt Kaulbach nach Hofmann in eine Randzelle. Das Einsamsein in der Masse, wie es im Verlauf des 19. Jahrhunderts in den bürgerlichen Alltag eindringen sollte, ist bei Kaulbach noch ausgegrenzt.218 Beide Interpretationsansätze sowohl von Hofmann als auch von Busch zielen auf das gleiche Kernproblem im Umbruch der vorindustriellen zur demokratischen Gesellschaft: Das zunehmende Individualitätsbewusstsein im Prozess der Loslösung der Menschen von autoritären Systemen korreliert mit der Orientierungslosigkeit in einer auf sich gestellten Massengesellschaft.219 Man muss sich fragen, ob Kaulbach dieses Phänomen

erkannt

und

metaphorisch

im

Auseinanderbrechen

jeglicher

kommunikativer Struktur im Narrenhaus verarbeitet hat. Jedoch spiegelt sich vor allem im graphischen Kunstschaffen Kaulbachs, dass der Künstler zwar zeitkritisch engagiert war, aber überwiegend politische Angelegenheiten reflektierte. Die politisch brisante Zeichnung zum Fall Peter Arbuez (Abb. 69), Der heilige deutsche Michel (Abb. 70) oder die Totentanzskizzen (Abb. 71-72) sprechen eindeutig dafür, dass auch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts Kaulbach konkrete Problemstellungen der Tagespolitik akuter zu beschäftigen schienen als grundlegende gesellschaftliche Krisen. Zumindest hat Kaulbach vorsätzlich durch seine Komposition „das Problem der gesonderten Figuren noch hervorgekehrt“,220 vermutlich

216

D´oench, 1996, Bd. 7, S. 785. Hofmann, 1979, S. 226. 218 Hofmann, 1979, S. 226. 219 Ehrenberg, 2004, S. 8. 220 Werner Busch: „Überlegungen zur Hogarth-Rezeption bei Chodowiecki und Kaulbach“, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 46 (1992), S. 17. 217

43

um dem Gegenstand des Bildes gerecht zu werden und nicht um tiefgründige Gesellschaftskritik zu üben. 3.2. Anknüpfung des Narrenhauses an den Idealismus Kaulbach konnte trotz der Differenzierung des Narrenhauses von überlieferten Kunstkonzepten und der Hinwendung zu einem ungekannten Realismus dennoch nicht als ein deutscher Courbet in die Geschichte eingehen, weil er zum einen seine Reputation den Monumentalgemälden seines künstlerischen Zenits verdankt, zum anderen, weil die Radikalität im Narrenhaus die Grenze des damals Akzeptierbaren nicht überschreitet. Belegen lässt sich die Konformität mit damaligen Konventionen einerseits inhaltlich – Kaulbach verwendet bereits bekannte Schemata – und andererseits stilistisch, in der Reminiszenz an seine akademische Künstlerausbildung bei Peter Cornelius. 3.2.1. Verhaftung in der idealistischen Kunsttradition Aus der Sicht der retrospektiven Bewertung muss man darin eine „Problematik“221 Kaulbachs

sehen,

dass

er

sich

Zeit

seiner

beruflichen

Laufbahn

den

avantgardistischen künstlerischen Ausdrucksweisen verweigert hat, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Malerei entstanden. Kaulbach war der idealistisch-zeichnerischen Kunst mit historischen und narrativen Gegenständen zu stark verpflichtet, als dass er sich davon lösen konnte oder wollte, denn schließlich war er damit nach dem Narrenhaus erfolgreich geworden. Zeitlebens war er ein Idealist geblieben, und so revolutionär das Konzept hinter dem Narrenhaus erscheint, verletzt er auch hier nicht die klassizistischen Stilvorgaben. Vergleicht man das Narrenhaus mit den Stichen und Kartons seines Lehrers Cornelius wird man in der zeichnerischen Ausführung eine deutliche Ähnlichkeit feststellen (Abb. 73-74). Die Überdeutlichkeit der klar umrissenen Linienführung, die prägnante Mimik und Gestik verleihen den dargestellten Narren den inszenierten Ausdruck der nazarenischen

Historienmalerei,

realistischen Wirkung 222

Heroengeschlechts“

und

eine Wendung

das ins

pathetische

Arrangement

Unnatürliche.

Der

gibt

der

„Abglanz eines

wird sogar in der körperlichen Erscheinung von Irren bewahrt,

so dass Kaulbachs Figuren letztlich „Würdeformeln“223 bleiben, auch wenn sie nicht ganz

dem

athletisch-antikischen

Schönheitsideal

der

Corneliusschen

Figuren

entsprechen. Formal ist Kaulbach dem klassischen Disegno verpflichtet. Es ist jedoch schon Friedrich Pecht aufgefallen, dass sich hinter Kaulbachs Narren „Charaktermasken oder Formentypen“224 verbergen. Später erwähnen Kümmel und

221

Lehmann, Riemer, 1978, S. 79. Busch, 1992, S. 19. 223 Busch, 1992, S. 19. 224 Pecht, ²1887, Bd. 2, S. 73. 222

44

Lehmann/Riemer die „hochgradige Stilisierung“225 und „sinnbildliche Überhöhung“226 im Narrenhaus. Neben Kümmel und dem Duo Lehmann/Riemer weist auch Werner Hofmann darauf hin, dass Kaulbachs Kompositionsgedanke aus der Historienmalerei kommt.227 Werner

Buschs

Ausführungen zu diesem

idealisierten Bild einer

realitätsnahen Szene waren also keineswegs ganz neu. Aber man kann schon Kaulbachs eigenen Aussagen entnehmen, dass seine Vorstellung von einer realistischen Darstellungsweise nicht einer ungeschönten Sozialdokumentation gleichkommt. In seinem bereits zitierten Bekenntnis zum Realismus definiert Kaulbach sein künstlerisches Ziel darin, „die Menschen darzustellen, wie sie wirklich sind.“228 Als Beispiel für eine solche Kunstform zieht er Shakespeare heran. Dabei ist dem Künstler nicht bewusst, dass das Menschenbild in den Dramen des Renaissancepoeten eine dichterische Stilisierung erfahren hat. Um die

Schattenseiten

des

Menschenlebens,

denen

Kaulbach

eben

„Poesie

abgewinnen“229 möchte, gerade unpoetisch, also ohne eine Reverenz an überhöhende Schönheitswerte, wiederzugeben, waren der Erschaffer des Narrenhauses und seine Zeit nicht bereit. Ein Diktum Theodor Fontanes bringt Kaulbachs Idee vom Realismus prägnant zum Ausdruck: „Wohl ist das Motto des Realismus der Goethesche Zuruf ‚Greif nur hinein ins volle Menschenleben, wo du es packst, da ist´s interessant‛, aber freilich, die Hand, die diesen Griff tut, muss eine künstlerische sein.“230 Auch in diesem Zitat wird ein Ausgang der Kunst vom Wirklichen gefordert, Realismus jedoch nur im Rahmen einer künstlerischen Inszenierung geduldet. 3.2.2. Der stereotype Wahnsinn – zur Sicht des Wahnsinnigen am Anfang des 19. Jahrhunderts 3.2.2.1.

Hintergründe der Stereotypenbildung

Die Möglichkeiten, Erfahrungen mit psychisch Kranken zu sammeln, waren im frühen 19. Jahrhundert selbst für Laien nicht allzu eingeschränkt. Auch nach den Reformen zu einer zunehmend medizinisch-naturwissenschaftlichen Herangehensweise an den Irrsinn, blieb es das ganze 18. Jahrhundert über bis zu Kaulbachs Zeiten gängige Praxis, den Anstalten – vorgeblich zur Bildung – einen Besuch abzustatten.231 Für

225

Kümmel, 2001, S. 10. Lehmann, Riemer, 1978, S. 49. 227 Hofmann, 1979, S. 226. 228 Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, Düsseldorf 9. Juli 1831. Zit. nach Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 157. 229 Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, Düsseldorf 9. Juli 1831. Zit. nach Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 157. 230 Theodor Fontane: „Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848“, in: Theodor Fontane: Aufsätze zur Literatur, hrsg. von Kurt Schreinert, München 1963, S. 12. 231 Wolfgang Promies: Der Bürger und der Narr oder das Risiko der Phantasie. Sechs Kapitel über das Irrationale in der Literatur des Rationalismus, München 1966, S. 271. 226

45

Ärzte gehörte eine berufliche Studienreise durch die europäischen Kliniken und Irrenhäuser zum Pflichtprogramm ihrer Ausbildung.232 Dass die öffentliche Meinung im 19. Jahrhundert trotz der legitimen Besichtigungen der psychiatrischen Kliniken stark von stereotypen Überlieferungen der Literatur und der bildenden Kunst abhängig war, muss also mit anderen Faktoren begründet werden können. Noch Studien aus den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts belegen, wie sehr das allgemeine Bild von Geisteskrankheit auf Vorurteilen beruht.233 Tief verwurzelt im kollektiven Bewusstsein sind die Ängste, die sowohl psychisch als auch physisch Kranke auslösen und maßgeblich die stereotypen Vorstellungen bestimmen. 234 Von der Frühgeschichte bis zu den mittelalterlichen Flugblättern, die Nachrichten von Monstergeburten, Katastrophen und anderem Unerhörten verbreiteten, waren unerklärliche Krankheiten, welche schicksalhaft über die Menschen hereinbrachen, mit Unheil gleichgesetzt.235 Meistens wurde Widernatürliches als Ankündigung einer Strafe Gottes wahrgenommen: „Dann das [prodigia wunder und zeichen] sind nitt gnaden zeichen, sunder Gottes zorn und ungnad“, wie am Ende des 16. Jahrhunderts angenommen wurde.236 An mehreren Stellen in der Bibel wird dem Menschen mit Krankheit gedroht, wenn er sündigen sollte.237 Indem man die Ursache von Krankheiten als selbst verantwortete Schuld interpretierte, musste als Maßstab für gesundes Verhalten gottgefällige Rechtschaffenheit gelten. Im Zuge des Rationalismus wurden derartige Ansichten nicht ausgemerzt, sondern sie prosperierten in Deutschland bis in Kaulbachs Zeiten. Auf Kant, der auch den Wahnsinn als „Form der selbstverschuldeten Unmündigkeit“238 ansah, beriefen sich viele der Psychiater des 19. Jahrhunderts, die – im Gegenteil zu den Fürsprechern des somatischen Modells – in psychischen Bedingungen die Voraussetzung für den Wahnsinn erahnten.239

232

Christoph Mörgeli: Europas Medizin im Biedermeier anhand der Reiseberichte des Zürcher Arztes Conrad Meyer-Hofmeister 1827-1831, Basel 1997, S. 13. 233 John Marshall Townsend: „Stereotypes of Mental Illness: A comparison with Ethnic Stereotypes“, in: Culture, Medicine and Psychiatry 3 (1979), 207f. 234 Dabei trifft die von Pleitner vorgeschlagene Definition von Stereotypen auch auf unser Verständnis des Begriffes zu: Stereotypen sind aufzufassen „als Wahrnehmungsmuster der sozialen Umwelt. Dabei werden Gruppen (oder deren einzelnen Mitgliedern) verallgemeinerte und vermeintlich ewig gültige positive oder negative Wesenserkmale oder Verhaltensweisen zugeschrieben. Stereotypen sind dabei immer wertend und emotional aufgeladen. Sie sind jedoch nicht […] als nur negativer Auswuchs menschlicher Vorstellungskraft und Kommunikation zu verstehen. Ihre Verwendung erfüllt vielmehr den Zweck der eigenen Positions- und Identitätsbestimmung.“ Pleitner, 2002, S. 173. 235 Ursus-Nikolaus Riede: Die Macht des Abnormen als Wurzel der Kultur. Der Beitrag des Leidens zum Menschenbild, Stuttgart 1995, S. 82. 236 Wickiana, F 30, fol. 244a. Zit. nach Matthias Ludwig Senn: Johann Jakob Wick (1522-1588) und seine Sammlung von Nachrichten zur Zeitgeschichte, Zürich 1973, S. 29. 237 Johannes, 5,14: „Danach fand ihn [einen Mann, den Jesus geheilt hatte] Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmes widerfahre.“ Deuteronomium, 28,15- 28,22: „Wenn du aber nicht gehorchen wirst der Stimme des Herrn, deines Gottes, und wirst nicht halten und tun alle seine Gebote und Rechte, die ich dir heute gebiete, so werden alle diese Flüche über dich kommen und dich treffen: […] Der Herr wird dich schlagen mit Auszehrung, Entzündung und hitzigem Fieber, Getreidebrand und Dürre.“ 238 Dörner, ³1995, S. 206. 239 Führender Vertreter dieser Richtung war Johann Christian Heinroth, der jede Leidenschaft für ein selbstverschuldetes Laster hielt, worin die Ursache des Wahnsinns zu ergründen sei. Vgl. Johann

46

An einen solchen Ansatz ist der Wunsch gebunden, sich vom mit Schuld und Sünde konnotierten Begriff des Wahnsinns zu distanzieren. Dafür musste eine bestimmte Idee von Normalität Geltung erlangen, ein Katalog von akzeptierten gesellschaftlichen und moralischen Verhaltensformen, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet einem christlich-religiösen Kodex entsprach.240 Dabei entsteht ein antithetisches Verhältnis zwischen dem Erlaubten und dem, was im Vergleich dazu fremd erscheint. Die Begegnung mit einer entgegen der Norm handelnden Person, verursacht zunächst Angstgefühle, weil es unbekannt oder undefinierbar ist. Daher neigen sowohl Einzelne als auch ganze Gesellschaften dazu, „solche Verunsicherungen durch Ausblenden, Ausgrenzen, Ausstoßen und Verteufeln zu bewältigen.“241 Dass dieses Problem gerade bei Geisteskrankheiten zutrifft, ist einleuchtend. Durch die Unwillkürlichkeit, mit der die Krankheit

die

Kontrolle

über

die

Vernunft

einbrechen

lässt

und

zu

nicht

regelkonformem Benehmen umschlägt, bedeutet der Irrsinn eine „Herausforderung, die [...] vielfach auch überfordert“,242 zumal der Leidende eindringlich an die eigene Verwundbarkeit erinnert. Nachdem selbst an den Organen von obduzierten psychisch Kranken keine klinischen Symptome gefunden werden konnten, blieb der Wahnsinn auch im 19. Jahrhundert ein unheimliches Rätsel.243 Der Wahnsinn bedroht das Selbstverständnis des Menschen als animal rationale; er mobilisiert Elementarängste um die eigene Existenz.244 Der Mensch reagiert mit der einzigen ihm in diesem Falle zur Verfügung stehenden Verteidigungsmaßnahme: mit der Bildung von Vorurteilen. Diese vereinfachen die Abgrenzung zwischen der Norm und der Abnorm und helfen, den Wiedererkennungswert des Geisteskranken zu gewähren. So kann der Ratlosigkeit im Umgang mit psychischer Krankheit abgeholfen werden. Um das Unbekannte, Unheimliche des Wahnsinns zu bannen und die Geistesstörung begreiflicher zu machen, war es nur folgerichtig, dass Kaulbach sich in der Gestaltung des Narrenhauses vorhandener Stereotypen bediente. Diese Folgerung lässt sich sowohl anhand der Äußerlichkeiten der Porträtierten als auch anhand der vorgeführten Ausprägungen des Wahnsinns verifizieren. 3.2.2.2.

Physiognomische Stereotype

Kaulbachs Einbeziehung von psychiatrischen Porträts musste den Zeitgenossen progressiv

erscheinen

allein

das

physiognomische

Prinzip,

worauf

diese

Christian August Heinroth: Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens oder der Seelenstörungen, Leipzig 1818, 2 Bände. 240 Sengle, 1972, Bd. 2, S. 610. 241 Wulf-Volker Lindner: „Die Fremden und unsere Identität. Überlegungen aus psychoanalytischer und psychosozialer Sicht“, in: Helga Egner (Hrsg): Das Eigene und das Fremde. Angst und Faszination, Solothurn, Düsseldorf 1994, S. 150. 242 Riede, 1995, S. 139. 243 Mörgeli, 1997, S. 154. 244 Zilch-Purucker, 2001, S. 15.

47

medizinische Methode basiert, bildet ein „Vorurteil im Leibe.“245 Der Glaube der damaligen Psychiatrie, eine Analogie zwischen nosologischen Ordnungen und Charakteristika des Gesichtsausdrucks bilden zu können, wurzelt zweifelsohne in den zahlreichen Bemühungen seit Lavaters Physiognomischen Fragmenten von 17751778, dem äußeren Erscheinen sogleich eine innere Befindlichkeit zuordnen zu wollen – Texte, die dem Bedürfnis „einer bereits stark differenzierten Gesellschaft“246 Ausdruck

verleihen, „deren Verkehrsformen offenbar dringend der Anleitung 247

bedurften.“

Der „Orientierungsbedarf“248 ist Ausdruck der grundlegenden Frage, wie

der „Zugang zu Fremdseelischen“249 ermöglicht werden kann. Eine Antwort darauf zu finden, musste auch im größten Interesse der Psychiatrie liegen, da es ihre Aufgabe ist, sichtbar zu machen, was sich im verborgenen Innern eines Menschen abspielt. Der „Zeichenträger Gesicht“250 versprach, diesem Anspruch gerecht zu werden.251 Nachdem die Geisteskrankheit als entfremdeter Zustand erkannt und das Credo, dass der „Körper nichts anderes als die sichtbar gemachte Seele“252 sei, auch von der Psychiatrie erhoben worden war, musste sich die Physiognomie eines Betroffenen offensichtlich

von

derjenigen

eines

gesunden

Menschen

unterscheiden.

Am

anschaulichsten konnte die Unmenschlichkeit eines unvernünftigen Irren übermittelt werden, indem das Aussehen in die Nähe des Tieres gerückt wurde, „da seine Eigenschaften, Unberechenbarkeit und instinktmäßige Reaktionsweisen, ihn in den Augen der Mediziner auf die Ebene des naturbestimmten Wesens stellte.“253 Ein anderes Hilfsmittel, um die psychisch Kranken physiognomisch zu definieren und sie mit Hilfe von bekannten Maßstäben sich zu erschließen, bediente sich der Vergleiche mit mythologischen Ungeheuern wie der Medusa oder der Megäre.254 In beiden Fällen

245

Claudia Schmölders: Das Vorurteil im Leibe. Eine Einführung in die Physiognomik, Berlin 1995. Schmölders, 1995, S. 28. 247 Schmölders, 1995, S. 28. 248 Schmölders, 1995, S. 47. 249 Schmölders, 1995. S. 40. 250 Till Bastian: Der Blick, die Scham, das Gefühl. Eine Anthropologie des Verkannten, Göttingen 1998, S. 23. 251 Karl Heinrich Baumgärtner: Kranken-Physiognomik, Radeburg ³1929, S. 22: „Die Seele beherrscht die motorischen Nerven; es reflektiert sich daher ihr Zustand in den Bewegungen des Körpers. […] Der außerordentliche Reichtum des menschlichen Antlitzes an Nerven, die nahe Verbindung derselben mit dem Gehirne und die vielfachen und die mannigfaltig beweglichen Muskeln daselbst machen das Gesicht vorzüglich geeignet, der Verkünder der geistigen Tätigkeit und der Leidenschaften und Affekte zu sein.“; Ideler, 1841, S. xvi: „Wirklich ist auch die Physiognomie der Wahnsinnigen ein treuer Spiegel ihrer Seele, drückt viele tief in derselben verborgenen Vorgänge auf eine der Feder unnachahmliche Weise aus, und macht daher im getroffnen Bilde ein wesentliches Element ihrer Schilderung aus.“; Alexander Morison: Outlines of Lectures on Mental Diseases, London 1826, S. 125: „The appearance of the face, it is well known, is intimately connected with, and dependent upon, the state of mind.“ 252 Johann Georg Sulzer zit. nach Dörner, ³1995, S. 208. 253 Foucault, ³1978, S. 438f. 254 Siehe zum Beispiel Reil, 1803, S. 34: „Im Wahnsinn wird das Sanfte wie eine wüthende Megäre“, oder August Moritz Thümmel: „Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich“, in: A.M. Thümmels sämmtliche Werke, Leipzig 1854 Bd. 6, S. 21f: „Kaum hatte er [der Wärter des besichtigten Irrenhauses] die Thür des Hofs geöffnet, so bäumte sich mir auch schon in dem nächsten Behälter ein so widriges Megärengesicht entgegen, als mich seit langer Zeit keins mehr erschreckt hat.“ 246

48

ist

eine

„Suggestion

der

Andersgeschöpflichkeit“255

intendiert,

um

den

durchschnittlichen, vernünftigen Menschen fern von gesellschaftlich untolerierten Regungen zu positionieren. In der progressiveren psychiatrischen Literatur wurden solche vereinfachenden überzeichnenden Wendungen tendenziell unterlassen, um stattdessen durch rein beobachtende Deskription der im Gesicht ausgedrückten seelischen Befindlichkeit auf die Spur zu kommen. Das Postulat der fachmedizinischen Literatur, die Physiognomien von Wahnsinnigen in ihrer Individualität nachzuzeichnen, ist jedoch nicht mit dem „fundamentalistische[n] Grundzug aller Physiognomik, die an de Identität von Zeichen und

Bezeichnetem

glauben

will“,256

zu

vereinen.

Der 257

Krankenphysiognomik ist an einem Krankheitsbild gelegen;

Illustration

der

entscheidend ist nicht

die Charakterisierung einer bestimmten Person, sondern die Visualisierung eines nosologischen Begriffs, so dass fast unweigerlich eine Typisierung entstehen musste. Sowohl in den französischen als auch in den deutschen psychiatrischen Texten ist beispielsweise die Analogie zwischen einer bestimmten Haarfarbe oder einer Körperhaltung und einem gewissen Temperament allgegenwärtig anzutreffen.258 Nachdem schon nachgewiesen wurde, dass Kaulbach seine Narren nach dem Vorbild von psychiatrischem Bildmaterial entworfen hat, können Parallelen zwischen den physiognomischen

Merkmalen,

die

man

den

verschiedenen

Wahnsinnstypen

zuschrieb, auch im Narrenhaus ermittelt werden. Der Antagonismus „zwischen den bewegten Zügen eines Maniacus, [und] […] der traurigen und starren Physiognomie eines Melancholicus“259 ist ein Gemeinplatz, der die auch heute noch geläufige Auffassung über das Erscheinungsbild der Pole Manie und Melancholie zusammenfasst. Die Unterscheidung zwischen vermehrt ruhigen und

255

Schmölders, 1995, S. 94. Schmölders, 1995, S. 44. 257 Schmölders, 1995, S. 121. 258 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 21: „En général ceux qui ont les cheveux noirs, qui sont forts, robustes, d´un temperament sanguin sont maniaques et furieux, la marche de leur folie est plus aiguë, les crises sont plus sensibles. Ceux dont les cheveux sont blonds, qui ont les yeux bleus, un tempérament lymphatique, deviennt maniaque, monomaniaques, mais leur folie passe facilement à l´état chronique et dégénère en démence. Ceux qui ont les cheveux et les yeux noirs, qui sont d´un tempérament sec, nerveux, sont plus souvent lypémaniques. Les individus qui ont les cheveux d´un blond ardent, sont furieux, traîtres et dangereux.“; Reil, 1803, S. 260: „Es giebt Menschen, die meistens ein blondes Haar, ein grosses blaues Auge und eine sanfte Haut haben, welche so delikat organisiert sind, dass sie schon Sugillationen bekommen, wenn man sie nur derb anfasst. Andere, die meistens eine harte Haut, ein festes Fleisch und schwarzes Haar haben, sind von entgegengesetzter Natur. […] Diese haben einen starren Sinn; jene sind biegsam, empfänglich für das Leiden der Menschheit und mit einer sanft schwärmenden Phantasie begabt.“; Ideler, 1841, S. 39: „ […] dass sein kleiner, jedoch regelmäßig gebauter Körper den Habitus des melancholischen Temperaments zu erkennen gab.“ 259 Jean Étienne Dominique Esquirol: Von den Geisteskrankheiten, Berlin 1838, Bd.1, S. 11. Siehe auch Foville, 1835, S. 275f: „Die Physiognomie der von Manie Ergriffenen ist stets sehr ausdrucksvoll; ihre Augen sind glänzend, beweglich, ihr Gesicht trägt das Gepräge leidenschaftlicher Erregung, ihr Hals ist angeschwollen, ihre Halsadern strotzend. […] Die an Lypemanie [Esquirols Terminus für verzweifelte Melancholie] oder Tristimanie [Rushs Terminus für verzweifelte Melancholie] Leidenden hingegen hängen stets traurigen Gedanken nach, sind furchtsam, argwöhnisch, suchen die Einsamkeit auf.“ 256

49

vermehrt unruhigen Wahnzuständen ist auch der Leitfaden bei der Auslegung der Gesichter im Narrenhaus. Den Porträts der Patienten von Esquirol und den Patienten des Narrenhauses sind gewisse Kennzeichen gemeinsam, die durchgehend eine mentale Affektion anzeigen: zusammengezogene Gesichtsmuskeln in der Stirn- und Brauenpartie, verkrampftes Starren, zerzauste oder millimeterkurze Haare, eine ungepflegte, weite Kleidung…260 Kaulbachs Physiognomien entpuppen sich im Vergleich zu den Darstellungen aus Esquirols Aufsätzen und dem Buch Des Maladies Mentales weniger überspitzt. Die erwähnten Charakteristika sind bei Esquirol überdeutlich erkennbar und stereotyp eingesetzt,261 während Kaulbach es vermochte, die Relativität der Abgrenzung zwischen pathologischem und gesundem Aussehen herauszukehren. Einige der Narren machen äußerlich nicht den klischeehaften Anschein von Irrsinn, sondern kommen

im

Gegenteil

dem

klassischen

Schönheitsideal

nahe.

Selbst

die

expressiveren Physiognomien sind noch zurückhaltender als Esquirols exemplarische Modelle, und nach seinem Äußerlichen könnte auch die psychische Gesundheit des Wärters, der als einziger nicht zu den Anstaltsinsassen zählt, in Frage gestellt werden. Einerseits mindert Kaulbach so die Stereotypie der Geisteskranken, andererseits weicht der Künstler damit der Darstellung anstößiger Hässlichkeit aus. In diesem zwiespältigen Bestreben, gleichzeitig so realistisch wie möglich und so idealistisch wie nötig zu sein, ist die schon angesprochene Kernproblematik des Narrenhauses impliziert, die noch in aller Ausführlichkeit besprochen werden wird. 3.2.2.3.

Stereotype Klassifizierungen des Wahnsinns

Der Antrieb, per physiognomischen Charakteristika Aufschluss über die Wesensart der Seele zu erhalten, nährte das Interesse, biographische Details, die am Körper ihre Spuren hinterlassen haben, entziffern zu wollen.262 Während Lavater sich vor allem darauf konzentrierte, aufgrund einer spezifischen Physiognomie eine Prognose der Zukunft zu erstellen, geriet es zunehmend in Mode, vergangene Erlebnisse aus den Gesichtszügen

abzuleiten.263

Der

Menschenkenntnis,

die

man

sich

durch

physiognomische Deutungen versprach, gewann die Literatur des endenden 18. Jahrhunderts vermehrt ein unterhaltsames Moment ab, und „eine kuriose Sucht nach dem absonderlichen Menschenleben“264 brach aus. So erzählt beispielsweise Johann Carl Wezel in der Lebensgeschichte Tobias Knauts des Weisen (1773-1775) von der Figur Selman, einem „psychologischen irrenden Ritter, der nach abenteuerlichen

260

Siehe Kromm, 2002, S. 227f und Hauptman, 1975, S. 412. Beispielsweise entsprechen die Beispiele von Idioten im Dictionnaire des Sciences Médicales geradezu mustergültig dem physiognomischen Klischee eines Minderbemittelten (Abb. 36-43). 262 Schmölders, 1995, S. 47f. 263 Schmölders, 1995, S. 47f. 264 Promies, 1966, S. 270. 261

50

Charakteren ausgeht.“265 „Die besondern [sic] Charaktere waren sein eigentlicher Raub, auf den er am liebsten ausging. So kam es, daß sein Haus eine moralische Raritätenkammer war, wo oft die abenteuerlichsten Charaktere nebeneinander figurierten“,266 ein „psychologische[s] Theater, wo er Mienen, Blicke, Handlungen anatomierte.“267 Ein solches psychologisches Theater erwartete der Leser von Berichten aus Irrenhäusern und ähnlichen Texten genauso. Lavater empfahl dem Anfänger in der Physiognomik einen Besuch in der Irrenanstalt und das Studium seiner Insassen.268 Es ist frappant, wie eng der Kreis der Wahnsinnigen in der Laienliteratur abgesteckt ist. Als fundamentale Typen werden von Mackenzie269 bis Kleist270 einige Figuren beständig wiederholt, dazu gehören der Irre als imaginärer König, der zum Exzess Studierte, ein Vertreter des religiösen Wahns, ein – überwiegend weiblicher – Patient, der aus Liebe den Verstand verlor und ein Handwerker, den missglückte Geschäfte wahnsinnig werden ließen; als besonders für den Wahnsinn anfällig galten unter diesen Schuster und Schneider.271 Selbstverständlich werden diese Muster variiert, der Kern bleibt aber – wie dem Leser in den folgenden Ausführungen nahe gebracht wird – meistens bestehen. Derselben Schematisierung, mit der die Physiognomik arbeitete, bediente sich überdies die psychiatrische Literatur bei der Beschreibung der Ausformungen des Wahnsinns und seiner Ursachen. Selbst dem Urvater der modernen Psychiatrie, Philippe Pinel, begegnete bei seinen Besuchen im Hospital „ein General von der Armee, der seiner Sage nach fünfzig tausend Menschen auf dem Wahlplatz hingestreckt hatte; an seiner Seite war ein Monarch, der von nichts anderem sprach, als von seinen Unterthanen und Provinzen; anderswo war der Prophet Mahomet in eigener Person, der im Namen des Allerhöchsten drohete; weiterhin war der oberste Herr der Welt, der mit einem Hauch die Erde vernichten könnte.“272 Ebenso trifft man laut dem Universal-Lexicon der practischen Medicin und Chirurgie in Irrenanstalten 265

Johann Karl Wezel: Lebensgeschichte Tobias Knauts, des Weisen, sonst der Stammler genannt, Berlin 1990, S. 216. 266 Wezel, 1990, S. 227. 267 Wezel, 1990, S. 227. 268 Zit. nach Promies, 1966, S. 270. 269 Henry Mackenzie: The Man of Feeling, hrsg. von Brian Vickers, London 1967, S. 29ff. 270 Brief von Heinrich von Kleist an Wilhelmine von Zenge, Würzburg 13. September 1800, in: Heinrich von Kleist: Sämtliche Werke und Briefe, hrsg. von Ilse-Marie Barth, Klaus Müller-Salget et al., Frankfurt am Main 1997, Bd. 4, S. 117ff. 271 Lichtenberg, 1999, S. 34: „Ich habe einmal gehört, die Schneider seyn immer desto schlechtere Arbeiter, je mehr sie aussehen wie die Schuster. Wenn dieses so ist, so ist dieser hier ein erbärmlicher Stümper, denn er sieht völlig aus wie ein Schuhflicker.“; Reil, 1803, S. 129: „Tissot erzählt […] die bekannte Geschichte eines Schusters, der vor Gram in diese Krankheit verfiel.“; Görres, [1836], S. 52: „Er war ursprünglich ein ehrsamer Schneider oder Knopfmacher, der schon als Kind große Mühe hatte, die Länge von der Breite zu unterscheiden, und die Treppen hinauf zu fallen pflegte.“; Ideler erzählt von einem verrückten Schneider, „der in unmäßiger Todesfurcht lebte“ (Ideler, 1841, S. 132); Anton Müller führt abgesehen von der Schuhmacherei keinen der Berufe seiner Patienten auf (Anton Müller: Die Irren-Anstalt in dem K. Julius-Hospitale in Würzburg, Würzburg 1824, S. 32). 272 Pinel: Abhandlung, 1801, S. 168f.

51

vielfach auf „Propheten, Heilige und Märtyrer unter den Narren“273 sowie auf „große Würdenträger, Prinzen, Fürsten, Könige und Kaiser, ja nicht selten auch Gott und Götter.“274 Dr. Anton Müller sieht in seiner Patientenrunde des Würzburger Irrenhauses „Blödsinnige

und

Rasende,

lustige

Schwätzer,

und

finstere

Misanthropen,

Herrschsüchtige, die sich für übermäßig reich, für Könige und Gott selbst halten, niedergebeugte, furchtsame, jeden Augenblick Polizeidiener, Scharfrichter fürchtende, geile, an Mutterwuth leidende und keusche, andächtige, gewissensängstige Menschen in einer Gesellschaft beisammen“,275 ein Spektrum an Wahnsinn, das sehr passend auch dem Narrenhaus entsprechen könnte. Genauso einheitlich formelhaft ähneln sich die moralischen Ursachen des Wahnsinns, die sich in den Stichworten „Liebe, Ehre, Habe, Religion“276 zusammenfassen lassen.277 Der Realismus der Irrenporträts im Narrenhaus legt nahe, dass Kaulbach über profunde Kenntnisse der psychiatrischen Literatur verfügte; genauso wie er sich mit der Unterhaltungsliteratur seiner Zeit – und damit auch mit dem literarischen Wahnsinn – auskannte.278 Dass diese beiden Stränge – medizinische Fachliteratur und Belletristik – im frühen 19. Jahrhundert sowieso noch eng miteinander in Verbindung standen, zeigen literarische Konstrukte wie die Biographien der Wahnsinnigen (1795-1796) von Christian Heinrich Spieß, einem Schriftsteller, der um die Jahrhundertwende zu den populärsten Schriftstellern Deutschlands gezählt wurde und als ein „Vater des Schauerromans“279 gilt. Wie sich herausstellen wird, verdanken Kaulbach und Görres einen entscheidenden Beitrag ihrer Inspiration den Biographien von Spieß. Parallel zu diesen eher trivialliterarischen Erzeugnissen, die den Wahnsinn wirkungsästhetisch zur Rührung und Belehrung des Lesers einsetzten, aber das pathologische Phänomen ignorierten,280 entwickelte sich die psychiatrische Fallgeschichte, die zeigen wollte, „wie eine ihm [dem Geist] ertheilte falsche Richtung nothwendig immer entschiedener hevortreten musste, wie die irre geleitete Seele sich mit allen Kräften […] in ein 273

Foville, 1835, S. 267. Foville, 1835, S. 267. 275 Müller, 1824, S. 34f. 276 Reil, 1803, S. 279. 277 Ideler, 1841, S. 102: „Warum schweifen denn fast jedes Mal die Wahngestalten der religiösen Schwärmerei, des Ehrgeizes, der Herrschsucht, Liebe u.s.w. in unendliche Fernen über alle Naturgrenzen hinaus?“; Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 30: „De toutes les causes morales, celles qui produisent le plus fréquemment la folie, sont l´orgueil, la crainte, la frayeur, l´ambition, les rêves de fortune, les chagrins domestiques.“ Pinel: Abhandlung, 1801, S. 119: „Bey der Musterung der Wahnsinnigen, die ich im Bicêtre im dritten Jahre der Republik vornahm, beobachtete ich, dass unter denen diese Krankheit hervorbringenden Ursachen, heftige moralische Affecte die häufigsten sind, wohin ein überspannter und in seiner Erwartung betrogener Ehrgeiz, religiöser Fanatismus, tiefer Kummer, und unglückliche Liebe gehört.“ 278 Brief von Wilhelm Kaulbach an August Speyer, München 18. April/18. May/28. 1853, Archiv Fürstlich Waldeckische Hauptverwaltung. Zit. nach Kümmel, 2001, S. 5: „Ihr damaliger Diener der Bibliothek […] war mein intimster Freund in Arolsen […] und da lasen wir und studierten wir Märchen, Geschichten und Romane – was solchen dummen Jungen alles in die Hände fiel, ganze Nächte durch mit wahrem Heißhunger.“ 279 Wolfgang Prromies: „Nachwort“, in: Christian Heinrich Spieß: Biographien der Wahnsinnigen, hrsg. von Wolfgang Promies, Berlin 1966, S. 320. 280 Reuchlein, 1986, S. 119 274

52

Mißverhältniß zur ganzen Welt hineinarbeitet, so daß der Wahnsinn nur als das letzte unvermeidliche Ergebnis des ganzen bisherigen Lebensganges erscheint.“281 Aufgrund der Dichte an verfügbarem Material über den Wahnsinn muss der Bildungsbürger des Biedermeier mit dem Thema vertraut gewesen sein. Görres, der sich im Morgenblatt an ein Laienpublikum wendet, verweist in einer Passage seines Narrenhaus-Kommentars ohne Erklärung auf Esquirol;282 man darf also annehmen, dass den Lesern der Name geläufig war. Umgekehrt trifft man in psychiatrischen Schriften auf Bezüge zu exemplarischen Wahnsinnigen der Literatur. Beispielsweise meint Ideler, dass Shakespeares Beschreibungen der Ophelia oder des King Lear, wie sich deren „Bewusstsein in ein chaotisches Durcheinanderwogen von Bildern“ verliert, „mit voller Naturwahrheit“283 gezeichnet sind.284 Die Wechselwirkung zwischen medizinischen Beobachtungen und literarischen Phantasien, wie sie gerade für die beginnende deutsche Psychiatrie charakteristisch war,285 wirkte auch auf das Narrenhaus, wo der Betrachter auf einen wohlbekannten Figurenkanon trifft.286 Die geläufigste Vorstellung über den Ausdruck des Wahnsinns betrifft kontinuierlich die Einbildung der kranken Persönlichkeit, eine Autoritätsfigur wie beispielsweise ein König zu sein.287 Swift beschreibt den Typus des imaginären Königs schon 1704 im Kapitel „A Digression Concerning the Original, the Use and Improvement of Madness in a Commonwealth“ aus A Tale of A Tub, einem Essay, der Hogarth in der Gestaltung des letzten Bildes im Rake´s Progress beeinflusste,288 wo schließlich auch ein solcher König zu sehen ist.289 Der König gehörte bis im 19. Jahrhundert zum klassischen Inventar eines literarischen Irrenhauses und schließlich beschreiben auch Pinel, Esquirol oder Ideler Patienten mit dem Wahn, König zu sein.290 Es ist wenig verwunderlich,

dass

der

monomanische

König

mit

seinem

„stolzen,

hohen

Gesichtsausdruck“291 auch in Kaulbachs Narrenhaus thront. Vergleichbar ubiquitär und strukturell ähnlich ist der religiöse Wahnsinn, dem nach Dr. George Burrows „jeder Schriftsteller, der sich über die erregenden Ursachen der

281

Ideler, 1841, S. xii. Görres, [1836], S. 30 283 Ideler, 1841, S. 59. 284 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 21: „Dryden a dit que les hommes de génie et les fous se tiennent de très-près.“ Reil erwähnt als Beispiel für Hochmut König Nebucadnezzar (Reil, 1801, S. 295). 285 Dörner, ³1995, S. 198ff. 286 Gilman, 1982, S. 138: „When his [Kaulbachs] contemporaries turned to his work they saw a verisimilitude that closely reflected their own stereotypical concept of the appearance of the insane.“ 287 Townsend, 1979, S. 208. 288 Ronald Paulson: Hogarth, Cambridge 1992, Bd. 2, S. 22. 289 Jonathan Swift: „A Digression Concerning the Original, the Use and Improvement of Madness in a Commonwealth“, in: Jonathan Swift: A Tale of A Tub with other Early Works 1696-1707, hrsg. von Herbert Davis, Oxford 1957, S. 102ff. 290 Ideler, 1841, S. 125; Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 28; Pinel: Abhandlung, 1801, S. 153 und S. 327. 291 Georget, 1972, S.61: „Le monomaniaque roi, [sic] a l´air fier et haut.“ 282

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Geisteszerrüttung ausgelassen, […] auch den religiösen Vorstellungen einen ausgebreiteten und unmittelbaren Einfluß zugeschrieben“292 hat.293 Auch hier war Hogarths Ansicht des Bedlam Hospitals ein wichtiger Anhaltspunkt für Kaulbach. Hogarth entwirft zwei Arten des religiösen Wahnsinns: der betende Patient in der Kammer vertritt einen religiösen Fanatismus, eine Übersteigerung des vernünftigen Gottesglaubens, andererseits gibt es den Wahnsinnigen mit dem abgewandelten Kruzifix, der sich für den Papst hält.294 Ebenso beruft sich Kaulbach auf diese zwei Formen, zum einen im „Religionsfabrikanten“295 mit dem wirren Haar und dem Kreuz vor der Brust, der laut Görres ruft, „dass er eigentlich der Gott sei“,296 andererseits im daneben stehenden Jüngling mit dem Rosenkranz, der innig zu beten scheint, und genauso der innig betenden jungen Frau. Oft finden sich auch in der Literatur diese Ausprägungen des Wahns, „als Nachfolger Christi von Gott abgesandt zu sein“297 oder sich durch eifriges Bibellesen in einen Wahn zu steigern. Der Typ des irren Kriegers, der neben dem König vor sich hin starrt, gehört ebenso zum festen Repertoire sowohl des literarischen298 als auch des psychiatrisch analysierten Wahnsinns.299 Die von Kaulbach relativ unauffällig gezeichnete Person, die sich an den Rücken des Königs anlehnt, wird in Görres´ Text als „schwindelnder Börsenspekulant“300 bezeichnet. Er gehört zu den Opfern des leichtsinnigen Umgangs mit Geld, ein Typus, der in den Biographien von Spieß mehrmals Erwähnung findet, am prominentesten in der Geschichte vom „spekulierende[n] Ökonom“301 Jakob W***r. Esquirol schreibt von der besonderen Gefährdung von Kaufleuten – „besonders die, welche gewagte Speculationen unternehmen“302 – dem Irrsinn zu verfallen.

292

George Burrows: Untersuchungen über gewisse Geisteszerrüttung betreffende Irrthümer und ihre Einflüsse auf die physischen, moralischen und bürgerlichen Verhältnisse des Menschen, übersetzt von Johann Christian August Heinroth, Leipzig 1822, S. 103. 293 Reil, 1803, 280f: „Ein bedeutender Gegenstand, an welchem der Verstand so leicht scheitert, ist die Religion.“ 294 Paulson, ³1989, S. 98. 295 Görres, [1836], S. 82. 296 Görres, [1836], S. 82. 297 Ideler, 1841, S. 21. Auch bei Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 2: „Celui que vous voyez renfermé est un fanatique qui vocifère des injures pour convertir les hommes: c´est par le baptême de sang qu´il veut les purifier.“; Müller, 1824, S. 41f.: „Ein junger Theolog wurde durch das eifrige Studium der Apokalypse toll.“ 298 Achim von Arnim: „Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau“, in: Achim von Arnim: Werke, hrsg. von Roswitha Burwick, Jüren Knaack, Paul Michael Lützeler et al., Frankfurt 1992, S. 32ff. 299 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 23: „Les Militaires, jouets des caprices de la fortune, les négociants, surtout ceux qui font des speculations hasardeuses, les employés, dont l´existence dépend de la volonté de leurs chefs, courent le même danger [d´être sujet à cette maladie].“ Reil, 1803,S. 8: „Der eingebildete Heerführer glaubt, nach einem tollkühnen Plan, den halben Erdball mit dem Schwerdt zu zerstören.“ 300 Görres, [1836], S. 57. 301 Christian Heinrich Spieß: Biographien der Wahnsinnigen, hrsg. von Wolfgang Promies, Berlin 1966, S. 44. 302 Esquirol: Geisteskrankheiten, 1838, Bd. 1, S. 27.

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Görres´ Biographie des „philosophirenden Schusters“,303 die nachdenkliche Figur in der untersten Reihe ganz links, erscheint in leicht modifizierten Varianten sowohl bei Spieß in der „Geschichte von Friedrich M. und seiner Familie“304 als auch in den Fallgeschichten Idelers, dort in Person von H.305 In allen diesen Erzählungen kann einem intelligenten Kind keine weitere Bildung mehr gezahlt werden, wodurch es sich anderweitig Wissen vermitteln muss und im späteren Leben aufgrund des wahllosen und maßlosen Studierens verrückt wird. Sich zu exzessiv Studien hinzugeben, wurde auch in der Psychiatrie als den Wahnsinn prädisponierend verurteilt.306 Aus dem im Profil dargestellten Irren, der sich mit der einen Hand am Kopf kratzt, mit der anderen einer imaginären Person oder dem König des Narrenhauses einen Grasbüschel darreicht, schloss Werner Busch, dass Kaulbach eine Figur aus Goethes Leiden des jungen Werther rezipierte. Bei dieser handelt es sich um einen Tollhausinsassen, der damit beschäftigt ist, Kräuter zu suchen.307 Das Kratzen am Kopf könnte jedoch auf eine Hautkrankheit hinweisen, denn dermatologische Beschwerden waren in der psychiatrischen Literatur als häufiges Leiden der Geisteskranken geschildert worden. Ideler bespricht die Biographie einer Patientin, bei der „Kopfausschläge, Drüsenanschwellungen, Augenentzündungen“308 auftraten. Einige Passagen von Esquirol deuten auf die verbreitete Annahme, dass Kopfausschläge eine mentale Störung anzeigten.309 Kaulbachs kratzender Narr könnte von einem derartigen Ekzem betroffen sein. Von den männlichen Patienten im Narrenhaus konnten damit alle außer dem ominösen Melancholiker mit dem Brief und dem zylinderbekleideten Kritikus310 auf beständig wiederholte Typen aus dem Konglomerat von literarisch anmutender Psychiatrie und psychiatrisch anmutender Unterhaltungsliteratur hergeleitet werden. Das vielseitige Einflechten von bereits vorhandenen Irrentypen in der psychiatrischen Literatur ist umso erstaunlicher, als dass die Psychiater nach Pinel mit dem Anspruch 303

Görres, [1836], S. 47. Es wurde schon auf das fast epidemische Auftauchen von irren Schustern in der damaligen (Fach-)Literatur hingewiesen. 304 Spieß, 1966, S. 62ff. 305 Ideler, 1841, S. 1ff. 306 Burrows, 1822, S. 81: „Allerdings kann der Verstand durch allzuangelegentliche Beschäftigung mit abstracten Religions-Gegenständen in Verwirrung gerathen, gerade so wie durch allzu angestrengtes Studium anderer abstruser Gegenstände der Moral, Physik oder Politik.“; Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 21: „Les personnes qui se livrent à des études très-opiniatres, qui s´abandonnent à la fougue de leur imagination, qui fatiguent leur intelligence, soit par une curiosité inquiète, soit par un entrainement pour les théories et les hypothèses; soit par attrait pour leurs idées speculatives, présentent une condition favorable au développement de l´aliénation mentale.“ 307 Busch, 1985, S. 208. 308 Ideler, 1841, S. 65. 309 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 8: „Plusieurs aliénés ont des céphalalgies atroces qui les portent à se frapper la tête; […] Enfin ils sont sujets aux affections cutanées.“; Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 42: „Les affections cutanées méritent d´autant plus notre attention, que leur suppression cause la folie, et que les aliénés sont très-sujets à ces affections.“ 310 Eine Ähnlichkeit des Kritikus, der im Narrenhaus sein altes Handwerk fortführt – „überall sucht er Druckfehler“ (Görres, [1836], S. 73) – besteht zu einem männlichen Patienten von Reil, „der den größten Theil seines Lebens mit Korrekturen zugebracht hatte. Er dachte an nichts anderes als diesen Gegenstand.“ (Reil, 1803, S. 321)

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arbeiteten, die Patienten individuell zu behandeln.311 Die Darstellungen der Fallgeschichten und der dazugehörigen Bilder entsprechen sich aber in solcher Prägnanz, dass der Anspruch der realitätsnahen Darstellung fast unmöglich erfüllt werden konnte. Obwohl täglich mit psychischer Krankheit konfrontiert, dachten die Ärzte häufig in literarischen Kategorien – ein Anzeichen auch dafür, dass Geistes- und Naturwissenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht in streng abgegrenzte Disziplinen gespalten waren. Man dürfte auch vermuten, dass Kaulbach in seiner kurzen Beschäftigungszeit im Düsseldorfer Irrenhaus zumindest eine Ahnung von den tatsächlichen Verhältnissen in einem psychiatrischen Krankenhaus bekommen haben dürfte. Nichtsdestotrotz griff er für seine Darstellung auf allgemeine Klischees und literarische Topoi zurück. Abgesehen von der natürlichen Reaktion auf die Angst einflößende Abnorm des Wahnsinns mit der Bildung von Vorurteilen, kann man auch feststellen, dass das bloße Betrachten von Irrsinnigen dazu anregt, sich Gedanken über den Grund von abweichendem Aussehen und Verhalten zu machen. Eine Anekdote aus der Geschichte der Porträts für Dr. Georget von Géricault veranschaulicht, wie sehr Bilder des Wahnsinns zu Phantasien animieren, was die krankhafte Andersartigkeit veranlasst haben könnte. Als die Bilder 1863 gefunden wurden, erschien ein Bericht über den Fund, in dem zu jedem Dargestellten eine Hintergrundsgeschichte erfunden war. Wenig überraschend ist der Bezug auf die typischen Musterfälle des Wahnsinns: der Soldat, der sich wie Caesar benimmt, der Spieler, der sein Geld verlor oder die Frau, die einer Hyäne ähnelt312 – ein Vergleich, den auch Görres für eine Irre Kaulbachs anbrachte.313 Darum kann auch der Erfolg des Kommentars zum Narrenhaus gerechtfertigt werden: Die Betrachter wünschten eine Erklärung, wieso diese Menschen anders waren als sie selbst. Die Narrativität, die das Narrenhaus heraufbeschwört und in der Görresschen Schrift ihren Ausdruck findet, bedient sich um der Einfachheit und der Anschaulichkeit willen der Stereotypen. 3.2.2.4. Erheblich

Geschlechterspezifische Stereotype beeinflusst

ist

die

Stereotypenbildung

von

geschlechtsspezifischen

Differenzen: dem „kulturtragenden Mann steht die Frau als Naturwesen gegenüber.“314 Dies wirkte sich aus sowohl auf den spezifischen Fall des Narrenhauses sowie generell auf Wahnsinnsdarstellungen in Literatur und Kunst um 1800. 311

Georget, 1972, S. 60: „Les physionomies sont presqu´aussi différantes que les individus; elles varient suivant les passions, les idées diverses qui les occupent ou les agitent, le caractère du délire, l´époque de la maladie, etc.“ 312 Zit. nach Kromm, 2002, S. 237. 313 Görres, [1836], S. 71. 314 Ina Schabert: „Die Nachtseite der Seele. Literatur der schwarzen Romantik in England“, in: Verena Dolle (Hrsg.): Das schwierige Individuum. Menschenbilder im 19. Jahrhundert, Regensburg 2003, S. 164. ( = Eichstätter Kolloquium 10)

56

Die weibliche Konstitution an sich barg für die Männer dominierte medizinische Wissenschaft Gefahren genug für die Anfälligkeit von (Geistes-)Krankheiten. Deren Ursachen wurden zumeist in einer emotionalen Überempfindlichkeit oder dem frauentypischen physischen Ablauf von Menstruation, Mutterschaft und Menopause gesucht.315 Die Geisteskrankheiten von Männern waren demgegenüber zumeist durch externe oder intellektuelle Voraussetzungen bedingt, darunter primär übermäßige geistige Tätigkeiten, aber auch Exzesse, Misshandlungen, soziale Konflikte und Erwartungsdruck oder übertriebenen Ehrgeiz. Der Kontrast zwischen dem scheinbar animalischen Wesen der Frau und dem vermeintlich männlichen Drang nach geistigen oder politischen Sphären wurde auf den Wahnsinn übertragen. Man hielt den „weibliche[n] Thiere[n] in Menschengestalt“316 „Niedrigkeiten aller Art“317 vor, während die Männer im Wahnsinn eher brütend und grübelnd imaginären Religionen oder Wissenschaften nachzuhängen schienen.318 Im Narrenhaus selbst ist das erläuterte Geschlechterbild nicht allzu plakativ manifestiert, schwingt aber unterschwellig doch mit, wie man bei einer eindringlichen Betrachtung feststellt. Kaulbach scheint sich bei seiner Gestaltung des weiblichen Wahnsinns an Matthias Claudius zu halten, der im Erfahrungsbericht „Besuch in St. Hiob zu ***“ einen Besuch in der so benannten Irrenanstalt schildert. Der dortige Direktor habe behauptet, „daß der Wahnsinn bei Weibsleuten sich immer auf Liebe und Religion beziehe. Im St. Hiob fanden wir seine Bemerkung bestätigt, denn die Weibsleute sprachen alle wie Verliebte, oder predigten und prophezeiten“319 – ein Urteil, dem auch manche Psychiater zustimmten.320 In Kaulbachs Narrenhaus findet sich eine ähnliche Konstellation vor. Die Verliebten sind in diesem Fall die zwei Frauen, die um den Mann mit dem Zylinder buhlen; der religiöse Wahn ist augenscheinlich mit der im Gebet versunkenen Frau neben dem Mann mit dem Kreuz vor der Brust vertreten. Religion ist im Narrenhaus offensichtlich ein Gegenstand, der im ungünstigen Fall in beiden Geschlechtern Wahnsinn verursachen konnte.

315

Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 32: „Les causes physiques agissant plus fréquemment sur les femmes que sur les hommes, on se persuadera sans peine qu´il doive en être ainsi si on se rappelle les nombreux accidents auxquels les femmes sont assujéties lors de la menstruation, de la grossesse, de l´allaitment.“ Vgl. auch Zilch-Purucker, 2001, S. 10f. 316 Johann Christoph Gottlieb Schaumann: „Fragment eines Briefes, enthaltend eine Beschreibung des cellischen Irrenhauses“, in: Johann Christoph Gottlieb Schaumann: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele, Halle 1791, S. 223. 317 Schaumann, 1791, S. 223. 318 Zilch-Purucker, 2001, S. 10f. 319 Matthias Claudius: „Der Besuch im St. Hiob zu **“, in: Matthias Claudius: Sämtliche Werke, hrsg. von Jost Perfahl, München 1968, S. 257. 320 Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 20: „Les femmes succombent à des causes de folie qui sont propres à leur sexe: […] Leur délire est réligieux et érotique.“ Georget, 1972, S. 49: „L´ambition et l´orgueil chez l´homme, la vanité, l´amour et la réligion chez la femme, en caractérisent un grand nombre [les idées qui forment le caractère du délire monomaniaque].“ Bei Reil sind Geburt und Religion hauptsächlich verantwortlich für einen Anfall von Geisteskrankheit bei Frauen (Reil, 1803, S. 126f).

57

Im Vergleich zwischen den Männern und den Frauen auf der Zeichnung wird die stereotype Beschränkung auf geschlechtsspezifische Kriterien des Irrsinns prägnanter: Von den insgesamt neun Männern sind sieben in einer kontemplativen Haltung wiedergegeben; das melancholische Temperament überwiegt eindeutig. Die Frauen scheinen dagegen angeregter, mehr an manischen Krankheitsformen leidend. Analog dazu machen die mehrheitlich den Männern zugeordneten Attribute die Ursache des jeweiligen Wahnsinns erkenntlich, so dass die männlichen Typen schneller identifiziert werden können: der Säbel deutet auf einen verheerenden Krieg, das Kreuz auf religiösen Fanatismus, die Krone auf politischen Eifer oder die Bücher auf geistige Übersteigerungen. Bei den dargestellten weiblichen Irren ist es genau genommen nur die Frau mit dem eingewickelten Holzscheit, deren Attribut ein bestimmtes Erlebnis andeutet, das den Wahnsinn ausgelöst haben könnte. Alle anderen Frauen sind von der Intensivierung einer gewissen intrinsischen Leidenschaft gezeichnet, was ihren Wahnsinn eindeutig weniger fassbar und damit unheimlicher macht. Überaus evident wird die geschlechtliche Differenzierung im Narrenhaus unter Berücksichtigung des Görresschen Kommentars. Der Autor nimmt die Biographien fast aller männlichen Insassen zum Anlass, seine zeit- und gesellschaftskritischen Beobachtungen anzubringen. Der „schwindelnde[r] Börsenspekulant“,321 der an der Revolution verdiente, der „neue Religionsverkünder“,322 der seine Bildung den Illuminaten verdankt und sich jetzt für Gott hält – sie sind den politischen Unbilden der Zeit zum Opfer gefallen. Der zulässige Rahmen für die weiblichen Wahnsinnigen aber bilden charakterliche Schwächen und selbstverschuldete Laster. An einer Stelle in seinem Kommentar, kommt Görres auf die Insassin irgendeiner Anstalt zu sprechen, die „in wildesten Konvulsionen“ raste – „wie Feuer brennt in allen ihren Adern die Wohllust, die ihr früher gedient und der sie nun dienen muss.“323 Bei der Besprechung der weiblichen Patienten des Kaulbachschen Narrenhauses erklärt Görres, dass das Verhängnis der rechten Frau, die auf den so genannten Kritikus mit dem Zylinder einstürmt, „eine liederliche Herrschaft“324 war. Auf diese ließ sie sich ein, um sich „Lustbarkeiten“325 hinzugeben. Zur Finanzierung ihres Lebensstils, griff sie zu allerlei unlauteren Mitteln: „Pfandhaus, Marktrechnungen, unmoralische Diebstähle, Liebhaber, und wenn einer nicht ausreicht, mehrere.“326 Schließlich hat sich bei ihr die Leidenschaft „zur konvulsivischen Raserei gesteigert.“327 Ihre Kontrahentin

321

Görres, [1836], S. 57. Görres, [1836], S. 82. 323 Görres, [1836], S. 27. 324 Görres, [1836], S. 76. 325 Görres, [1836], S. 76. 326 Görres, [1836], S. 76f. 327 Görres, [1836], S. 77. 322

58

verfiel ähnlichen, wenn auch romantischeren Begierden: „Unglücklicher Weise fiel sie gerade in die cidevant sentimentale Roman-Literaturzeit, und ihrer Wohnung gegenüber war eine Leihbibliothek mit der Aufschrift: für Deutschlands gebildete Frauen und sinnige Jungfrauen. Sie verschlang das weichliche, ihrer Einbildung schmeichelnde Gift mit gierigen Zügen und bildete sich daraus in Verbindung mit den Erinnerungen ihrer Kindheit ein erträumtes Paradies.“328 Die Welt bestand für sie nur aus Prinzen, bis sie sich einem betrügerischen Mann anvertraute, der sie aus ihren Träumen erwachen und wahnsinnig werden ließ. „Niemand ist sicher vor ihrer Zudringlichkeit.“329 Über die verrückt gewordene Mutter, die ein Stück Holz für ihr Baby hält, schreibt Görres: „Sie ist eine jener Seelen, die Liebe und Haß und jede Empfindung in ihrer innersten Tiefe auffassen, und sich ihnen ganz hingeben, darum aber auch, sobald ihnen ein fester religiöser Grund, ein höherer Stern, zu dem sie ehrfurchtsvoll aufblicken und dem sie ihre Leidenschaften zum Opfer bringen, fehlt, der überwältigenden Gewalt erliegen.“330 Auch sie ist eine ihren Leidenschaften Erlegene, die ihre Schwäche mit dem Verlust des Verstandes büssen musste. Der Fehler der hinter ihr stehenden „Muse der Tagsgeschichte mit dem Strickstrumpf“331 war es, die Wahrheit nicht genau zu nehmen. „Sie hat ein böses Maul, […] horcht alles aus und schwatzt alles aus.“332 Es ist kaum vorstellbar, dass Görres die „boshafte[n] Klatschereien“,333 die diese Patientin exzessiv betreibt, einem Mann beigemessen hätte. Die betende Frau bildet nicht nur in ihrer Nachdenklichkeit, sondern auch in der Erklärung ihres Wahnsinns eine Ausnahme. Wiederum findet sich hier Kritik an den Bedrohungen der traditionellen Strukturen. Die zahlreichen zur Verfügung stehenden Glaubensrichtungen

veranlassten

Zweifel

am

Katholizismus.

„Ohne

höhere

feststehende, durch Jahrhunderte unwandelbare Autorität, der sie ruhig hätte vertrauen können, sollte sie sich in einer hundertfältig zerrissenen Zeit ihre eigene Religion schaffen.“334 Sieht man von der zuletzt Genannten ab, ist deutlich zu erkennen, dass auch Görres die Stereotype über die maßlose Hingabe der Frauen zu – liebesbedingten – Leidenschaften und unsittlichen Schwärmereien wiederholt. Wie zum Beispiel A.M. Thümmel wenige Jahre später attestiert, treten im weiblichen Wahnsinn „alle die Grundzüge des Neides, der Gefallsucht, der Heuchelei und der Wollust, die das 328

Görres, [1836], S. 78. Görres, [1836], S. 79. Einen ähnlichen Fall erwähnt Reil; er spricht von einem wahnsinnigen Mädchen, das „auf alle Mannsbilder […] verliebte Augen warf.“ (Reil, 1803, S. 347.) 330 Görres, [1836], S. 65. 331 Görres, [1836], S. 70. 332 Görres, [1836], S. 80. 333 Görres, [1836], S. 82. 334 Görres, [1836], S. 91. 329

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schlimmste Weib, so lange es bei sich ist, zu verbergen weiß, […] durch den Hohlspiegel der Tollheit […] vergrößert hervor.“335 Die Anfälligkeit der Frauen für zu starke Emotionen wird von Esquirol bestätigt: „Les vices de l´éducation adoptée pour nos jeunes filles, la préférance accordée aux arts de pur agrément, la lecture des romans qui donne aux jeunes personnes une activité précoce, des désirs prématurés, des idées de perfection imaginaire qu´elles ne trouvent nulle part; la fréquentation des spectacles, des cercles, l´abus de la musique, l´inoccupation, sont autant de motifs suffisants pour rendre la folie plus fréquente ches nos femmes.“336 Wie Görres – und wie es allgemein eine weit verbreitete Meinung war337 – schreibt auch Esquirol der falschen Lektüre einen so verderblichen Einfluss auf die weibliche Natur zu, dass sie die Sittlichkeit und seelische Gesundheit der Frauen gefährde. Sehr ähnlich formuliert der deutsche Arzt Ideler diese Veranlagung zu allzu intensiven phantastischen Schwelgereien des weiblichen Geschlechts.338 Generell aufschlussreich ist, dass sich der Wahnsinn auf den Aufgabenbereich beschränkt, der dem jeweiligen Geschlecht auch in der Realität zugeteilt war. Die traditionellen Geschlechterrollen blieben auch im literarischen und künstlerischen Wahnsinn bewahrt. Diese Konsequenz zeigt sich am effektivsten in einem der beliebtesten Motive des 18. und 19. Jahrhunderts. Das elementarste weibliche Merkmal ist die Mutterschaft; es ist einleuchtend, dass gerade zu jener Zeit, wo Kinder als Daseinsgrund der Frau galten, der Wahnsinn der Frau oft aus dem Verlust ihres Kindes gefolgert wird. Vorreiter der Kunst war wieder die Literatur, die im 18. Jahrhundert den Kindstod als Anlass für die Verrücktheit der Frau einführte. Die Mode gipfelte in Goethes Gretchen, der prototypischen Figur der wahnsinnigen Mutter für das 19. Jahrhundert.339 Es könnte allerdings Kaulbach gewesen sein, der mit dem Narrenhaus die verrückte Mutter für die Kunst fruchtbar machte, und zwar in der Gestalt mit dem Holzstück, das sie wie einen Säugling an sich presst. Kaulbach hat die Idee mit der Holzattrappe sehr

335

Thümmel, 1854, S. 22. Esquirol: Maladies, 1838, Bd. 1, S. 18. 337 Franz I erließ 1801 ein Verbot aller „schwärmerischen Liebesromane, die zu einer den gesunden Menschenverstand tötenden Empfindelei führen“ und ähnlicher Romane, die zur Verderbung des „gesunden Menschenverstandes“ führen konnten. Zit. nach Heinrich Hubert Houben: Hier Zensur – wer dort? Antworten von gestern auf Fragen von heute, Leipzig 1918, S. 117. In der Zeitschrift Der Katholik, für die auch Joseph Görres gearbeitet hatte, fragte man besorgt: „Erwecken diese [Novellen, Romane und Taschenbücher] nicht, mit wenigen Ausnahmen, eine Sentimentalität, eine Art Gefühlsleben, welches der Sinnlichkeit sehr behagt, dieselbe in einem dumpfen Hinbrüten unterhält, sie oft unbemerkt aufregt und großzieht; dabei aber meistens eine ernste Geistesrichtung niederhält, die wahre Auffassung des Lebens entrückt, und den höhern Christensinn gar nicht aufkommen läßt?“ in: Anonym: „Die Verbreitung guter Bücher“, in: Der Katholik 59 (1836), S. 228f. 338 Ideler, 1841, S. 217:„Freilich ist die Hysterie vorzugsweise das Privilegium weiblicher Personen, deren Nerven durch eine die natürlichen Grenzen überschreitende Bildung des Geistes und Herzens, durch phantastischen Müßiggang, durch stete Aufregung und Nichtbefriedigung der Leidenschaften bei der Romanenlektüre, beim täglichen Besuch des Theaters, durch Erschlaffung im Luxus u.s.w. vielfältigen Abbruch an ihren ursprünglichen Kräften erlitten haben.“ 339 Gilman, 1982, S. 138. 336

60

wahrscheinlich wiederum aus den Spießschen Biographien übernommen.340 In der „Geschichte der Esther L.“ erkennt eine Mutter in einem Haubenstock ihre entführte Tochter und pflegt ihn wie ein echtes Kind.341 Jedoch fand der Bildgedanke der wahnsinnig gewordenen Mutter ein großes Echo im Verlauf des 19. Jahrhunderts, sei es aufgrund der Kenntnis von Kaulbachs Stich oder aus eigener Eingebung.342 Ähnliche Figuren finden sich beispielsweise auf Daniel Urrabiata y Vierges Irrenhaushof (Abb. 75), José Jimenes Arandas La Loca (Abb. 76) oder auf Antoine Wiertz´ Faim, Folie, Crime (Abb. 77). Die Untauglichkeit als Mutter, als „göttliche Erzieherin der Menschen“,343 war im ganzen 19. Jahrhundert, das der mütterlichen Pflicht eine umfassende Verantwortung übertrug,344 ein virulentes Thema in Kunst und Literatur. Die Frau, die als Mutter versagte oder ihr Kind – und damit fast ihre Existenzberechtigung – verlor, musste nach dieser Vorstellung zwangsläufig wahnsinnig werden.345 4. Ambivalenz des Narrenhauses Aus dem bisher Gesagten zeichnet sich deutlich die Ambivalenz ab, die sich im Narrenhaus manifestiert. Einerseits ist aufgrund der Anknüpfung an medizinische Abbildungen die Herangehensweise an das Motiv von einem außerordentlichen Realismus gekennzeichnet, andererseits erinnert die Formensprache eindeutig an den idealistischen Stil der Nazarener, und das Klischeehafte in der Darstellung verhält sich konträr zur geforderten wissenschaftlichen Naturtreue.346 Kaulbach gelingt der paradoxe Versuch, ein überhöhtes Bild von einem profanen, traditionell sogar unziemlichen Stoff zu konzipieren. Kaulbach wollte „Realismus und Idealismus zusammenfallen lassen. Dazu bedurfte er der Nobilitierung des per se unwürdigen Gegenstandes. Kaulbach bildete seine Irrenversammlung einerseits nach dem Modell literarischer Irrentypologie und ließ sie andererseits in der Form Raffaelischer Pathosfiguren erscheinen.“347 Kaulbach nimmt damit eine Problematik vorweg, die Hofmann als Konflikt zwischen Poesie und Prosa determiniert. Am Beispiel von Manets Nana beobachtet er, wie die

340

Busch, 1985, S. 207. Spieß, 1966, S.175. 342 Bhattacharya-Stettler, 1989, S. 162. 343 Leopold Schefer: „Die Mutter“, in: Leopold Schefer: Hausreden, Dessau 1855, S. 19. 344 Elisabeth Badinter: Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute, übersetzt von Friedrich Griese, München, Zürich 1981, S. 141ff. 345 Reil sieht vor allem diejenigen vom Wahnsinn gefährdet, die sich die Vernachlässigung verstorbener Verwandten und Kinder zuschulden kommen ließen. (Reil, 1803, S. 283.) Er nennt darüber hinaus das Beispiel einer Mutter, die ein Kind verloren hatte, sich über versäumte Pflege desselben Vorwürfe machte und darob wahnsinnig wurde. (Reil, 1803, S. 296.) 346 Busch, 1985, S. 210: „ Das Kaulbachsche ‚Narrenhaus‛ stellt sich als Versuch dar, die Wirklichkeit zu ergreifen, soweit es nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis und historischen Umständen möglich war; sie zu idealisieren, indem sie literarisiert, das heißt in die geistige Tradition eingebunden wurde.“ 347 Busch, 1992, S. 18. 341

61

„Würdesphäre der Hochkunst“348 durch den ungewohnten Gegenstand verletzt, im Gegenzug aber ein Thema der Tageskunst überhöht wird. Diese zentrale Entwicklungsrichtung des fortschreitenden 19. Jahrhunderts ist schon im Narrenhaus angelegt. Hinter der „Spannung von realistischer Darstellung und idealistischem Anspruch“,349 in die Kaulbach geraten ist, verbirgt sich der grundsätzliche Konflikt einer entstehenden bürgerlichen Kunsttradition, die Themengebiete und Formen auftauchen lässt, „die dem Bedürfnis und Verständnis breiterer Schichten des Publiku*ms entgegenkommen, wobei notwendigerweise die Kompromisslosigkeit der reinen Idee und der sie verwirklichenden Form aufgegeben werden musste.“350 Seitdem die Kunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war, musste sie sich mehr und mehr einer breiten Gesellschaftschicht begreiflich machen. Der Zusammenprall von Kunst und Gesellschaft problematisierte die Herausbildung von „zweierlei Kunst, einer für den ‚Kenner‛, die andere für die Gesellschaft.“351 Kaulbach entging der Konfrontation, indem er die Polarität von hohem Stil und niederem Sujet in seinem Bild zusammenführte.

Durch

diese

ambivalente

Konstellation

im

Narrenhaus

bewerkstelligte es Kaulbach, eine erweiterte Bevölkerungsschicht anzusprechen. Sowohl die breite Masse als auch die gebildete Oberschicht konnte an der Zeichnung Gefallen finden, da in ihr volkstümliche Elemente genauso wie wissenschaftliche Kenntnisse verarbeitet sind. Besonders prägnant wird der Kompromiss zwischen akademischen Ambitionen und moderner Aufgabenstellung, den das Narrenhaus artikuliert, in der gespaltenen Rezeption im 19. Jahrhundert reflektiert. Nachdem die Interpretation von Görres schon ansatzweise analysiert wurde, sollen im nachfolgenden Kapitel die wichtigsten Punkte von Görres´ ästhetischer Einordnung des Narrenhauses rekapituliert werden, um danach die Ansätze in der Betrachtung der zentralen deutschen und französischen Erläuterungen zu Kaulbachs Werk auszuführen. 4.1. Die zeitgenössische Rezeption von Kaulbachs Narrenhaus 4.1.1. Die Rezeption in Deutschland 4.1.1.1.

Guido Görres, 1836

Entsprechend dem vollen Titel dieses wichtigsten Kommentars zum Narrenhaus wird in ihm nicht nur eine Interpretation des Kaulbachschen Werkes angeboten, sondern auch

348

Werner Hofmann: „Poesie und Prosa. Rangfragen in der neueren Kunst“, in: Bruchlinien. Aufsätze zur Kunst des 19. Jahrhunderts, München 1979, S. 180. Erstmals erschienen im Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 18 (1973), S. 173-192. 349 Busch, 1985, S. 233. 350 Baumgart, 1975, S. 7. 351 Baumgart, 1975, S. 33.

62

eine Abhandlung über die grundsätzliche Problematik geliefert, ob der Wahnsinn „einen würdigen Gegenstand zur künstlerischen Darstellung abgeben könne.“352 Ruft man sich das Hintergrundwissen aus dem ersten Kapitel in Erinnerung, kann man erahnen, dass der ästhetische Problemkomplex, der sich hinter der Frage nach der Vereinbarkeit

von

Kunst

und

Elend

verbirgt,

nach

den

Grundsätzen

des

erzkatholischen, reaktionären Görres-Kreises angegangen wird. Görres´ Schrift zum Narrenhaus scheint die Axiome dieser „zweckästhetisch orientierten katholischen Romantik“353 gleich einer Programmschrift in sich zu vereinen. Es war sowohl dem Sohne Guido als auch seinem Vater Joseph ein tiefes Anliegen, „dem Lesen von sentimentalem Schund und irreligiösem Schrifttum abzuhelfen“354 und Kunst und Literatur einem christlich edukatorischen Ziel zu unterwerfen, dessen moralische Leitbilder Frömmigkeit und Demut waren.355 Görres wollte der „nüchterne[n] Phantasterei des im Rausche seiner Selbstvergötterung und Selbstanbetung verrückt gewordenen

Verstandes“356

„göttliche

Begeisterung

und

wahre

Poesie“357

entgegenhalten. Guido

Görres´

Ästhetik

erweist

sich

im

Kommentar

zum

Narrenhaus

unmissverständlich als eine konservativ klassizistische, die „die Schönheit, die doch immer das Endziel des Künstlers sein muss“,358 nicht mit „den widerlich verzerrten Fratzen dieser Blödsinnigen und Verrückthen“359 vereinbar sieht. Da nach der Ansicht von Görres der Narr, also der Geisteskranke, metaphorisch „aus dem großen Chore in seinem Solo so grell und schreiend“360 zu vernehmen ist, „daß er seine Nachbarn droht aus dem Texte zu bringen“,361 „welche Symphonie kann aus dieser Vereinigung der schneidenden Misstöne hervorgehen?“362 Wie kann der Künstler „eine Harmonie in etwas bringen, wo Alles in wilder Anarchie aufgelöst ein gräßliches, jede Ordnung und jedes Maaß und Gesetz verhöhnendes Chaos bildet?“363 Doch das Motiv des Wahnsinns widerspricht nicht nur Görres´ Bedürfnis nach ästhetischer Kunst, sondern auch seiner Vorstellung von der Aufgabe der Kunst, die eine Idee vermitteln soll. Aber „welche Idee soll das dumm lächelnde Angesicht des Blödsinnigen ausdrücken?“364

352

Görres, [1836], S. 7. Scheitler, 1999, S. 173. 354 Scheitler, 1999, S. 172. 355 Scheitler, 1999, S. 172ff. 356 Guido Görres: „Frische Lieder für frische Kinder“, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 24 (1849), S. 130. 357 Görres, 1849, S. 130. 358 Görres, [1836], S. 7. 359 Görres, [1836], S. 7. 360 Görres, [1836], S. 4. 361 Görres, [1836], S. 4. 362 Görres, [1836], S. 7. 363 Görres, [1836], S. 7. 364 Görres, [1836], S. 7 353

63

Denn „diese triumphierende Schaustellung aller Wunden, Schmerzen, Schrecken und Krämpfe der Menschenbrust“365 bar eines höheren Zwecks anzusehen, widerstrebt Görres´ idealistischer Kunstanschauung völlig: „Es ist ein lächerlicher, armseliger Dünkel, wenn man sagt, sie [die Kunst] sei um ihrer selbst willen da.“366 Verurteilt wird dementsprechend die Bearbeitung von Wahnsinn in der jüngsten Literatur, die nach Görres „die Regionen des Wahnsinns und der Verzweiflung zu ihrem Lieblingsaufenthalte gemacht“367 hat, doch „zu nichts anderm [sic] […] als für die Plaisir von die Gesellschaft [sic].“368 Stattdessen liegt für Görres „ohne allen Zweifel […] die heilige Aufgabe nicht nur der Kunst, sondern auch jeder Wissenschaft und alles menschlichen Strebens“369 in der „Verherrlichung Gottes, [der] Darstellung ewiger göttlicher Ideen.“370 Damit ist der Ansatz einer moralisch christlichen Funktion der Kunst bestimmt, nach dem auch das Narrenhaus von Kaulbach ausgelegt werden soll. Die Darstellung von hässlichen Sujets, die gegen das traditionelle Decorum verstoßen, rechtfertigt Görres mit eben diesen christlichen Grundsätzen. Zunächst sollte es primäre Aufgabe der Kunst sein, das Urbild Gottes im Menschen und in der Natur zu evozieren. Nachdem aber der Mensch von der Sünde gezeichnet ist, „Noth und Gefahr und Elend aller Art […] in tausend Gestalten sein leibliches und geistiges Dasein“371 umstehen, wird der Wahnsinn das Zeichen der menschlichen Unvollkommenheit und der Abhängigkeit vom Willen Gottes. Trost „für die Leiden der unglücklichen Menschheit“372 bietet einzig die Hoffnung auf Erlösung und Erbarmen im Jenseits. Der Künstler soll also „den Menschen an seine Vergangenheit erinnern und ihn seine Zukunft ahnden lassen.“373 Der Wahnsinn als Versagen dessen, was den Menschen auszeichnet, würde sich besonders gut dafür eignen, denn „keine leibliche Krankheit ruft ihm mit so scharfem, sein Herz zerschneidendem Tone zu: Ecce hom*o!“374 Görres´ Kunstauffassung degradiert das Narrenhaus zu einem einfachen Memento Mori. Es wird sich herausstellen, dass die beiden zu nennenden deutschen Autoren nicht beträchtlich von dieser Anschauung abweichen. 4.1.1.2.

Karl Rosenkranz, 1853

Die Ästhetik des Hässlichen des hegelianischen Philosophen Karl Rosenkranz, in der das Narrenhaus seine Erwähnung findet, bedeutete laut Dieter Kliche neben der

365

Görres, [1836], S. 8. Görres, [1836], S. 10. 367 Görres, [1836], S. 8. 368 Görres, [1836], S. 8. 369 Görres, [1836], S. 10. 370 Görres, [1836], S. 10. 371 Görres, [1836], S. 12. 372 Görres, [1836], S. 16. 373 Görres, [1836], S. 15. 374 Görres, [1836], S. 23. 366

64

Ästhetik Baudelaires „die entscheidende Zäsur der Begriffsgeschichte von hässlich.“375 Nichtsdestotrotz fällt ein Vergleich zwischen den Auffassungen der beiden Autoren schwer, ist doch die Ästhetik Rosenkranz´ weit von einer Baudelaireschen „jouissance de la laideur“376 entfernt. Im Gegenteil erfüllt die Schrift von 1853 keineswegs, „was der Titel erwarten lässt – die Konturierung des Hässlichen als unabhängige Kategorie.“377 Stattdessen wird „gleichsam ein Linnésches System des Hässlichen entworfen“,378 das Hässliche in seine Facetten aufgespaltet und kategorisiert, ohne es als eigenständiges ästhetisches Phänomen anzuerkennen. Im Rahmen eines aufklärerischen Weltbildes, das der Vermittlung von Schönheit als Ausdruck einer göttlichen Ordnung die wesentliche Bestimmung der Kunst beimisst,379 bleibt das Schöne „ein Absolutes, und das Hässliche, wie das Böse, ein nur Relatives.“380 Das Hässliche als das „Negativschöne“381 ist „vom Begriff des Schönen untrennbar“382 und damit „nicht als selbstständige Erscheinung zu bejahen.“383 Unter dieser Prämisse erfährt auch der Wahnsinn als literarisches und bildnerisches Motiv seine Klassifizierung: „Die Kunst darf dem Wahnsinn nicht das letzte Wort lassen.“384 Denn „die Kunst muss an der Wahrheit der Idee festhalten […] und im Geschwätz des Wahnsinnigen noch immer ihren positiven Hintergrund manifestieren.“385 „Die Poesie muss uns den Wahnsinn als Folge eines ungeheuren Geschicks zeigen, so dass wir in dem zusammenhangslosen Gefasel des Irrsinnigen die Wuth der gewaltigen Widersprüche anschauen, denen der Mensch erlegen ist.“386 Fehlt der Darstellung des Wahnsinns die höhere Idee, die Einordnung in einen bedeutungsvollen Kontext, fehlt ihm der Anspruch der Kunst, so dass „nicht die Aesthetik, nur die Psychiatrie“387 ein Interesse daran haben kann. „Der gefährliche Abweg der Romantik“,388 der darin bestand, „dass die Verrücktheit, der Traum, die Narrheit, als die eigentliche Wahrheit der Welt angesehen werden sollten“,389 das heißt, dass dem Wahnsinn eine ebensolche Wahrheit zugesprochen wurde wie der Vernunft, wird scharf verurteilt. Unbedingt muss die Kunst auch im

375

Dieter Kliche: „Grenzüberschreitungen des Schönen. Versuch einer Begriffsgeschichte des Hässlichen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“, in: Ästhetische Grundbegriffe. Studien zu einem historischen Wörterbuch, hrsg. von Karlheinz Barck, Martin Fontius und Wolfgang Thierse, Berlin 1990, S. 347. 376 Bhattacharya-Stettler, 1989, S. 11. 377 Engelmann, 2003, S. 69. 378 Wolfhart Henckmann: „Vorwort“, in: Karl Rosenkranz: Ästhetik des Hässlichen, hrsg. von Wolfhart Henckmann, Königsberg 1853, Nachdruck Darmstadt 1989, S. xvii*. 379 Kliche, 1990, S. 348. 380 Karl Rosenkranz: Ästhetik des Hässlichen, hrsg. von Wolfhart Henckmann, Königsberg 1853, Nachdruck Darmstadt 1989, S. 8. 381 Rosenkranz, 1853 [1989], S. iii. 382 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 5. 383 Bhattacharya-Stettler, 1989, S. 12. 384 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 308. 385 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 307. 386 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 306. 387 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 302. 388 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 308. 389 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 309.

65

Wahnsinn die „Vernunft als in ihrem Zerrbilde“390 beleuchten; sie „kann daher kein ästhetischer Gegenstand werden, weil ihr das Ingrediens der Vernunft fehlt.“391 Des Weiteren ist eine moralische Komponente für eine ästhetische Darstellung des Wahnsinns unabdingbar: Die Kunst „muss in ihm [dem Wahnsinn] den Fluch der im Dunklen schreitenden Nemesis darstellen“392 – sie muss ihn also in das christliche Ordnungsprinzip der Vergeltung einbetten und so eine universell verständliche Moral, eine Idee des Guten, widerspiegeln. „Der Dichter muss dem Irren ein allgemein interessirendes Thema zu seinen ins Absurde ausschweifenden Variationen geben.“393 Nur so kann der Wahnsinn für Rosenkranz einen ästhetischen Wert beanspruchen. Die Erfüllung dieser Kriterien für eine gelungene Darstellung des Wahnsinns spricht Rosenkranz „nur den größten Meistern“394 zu, „wie […] unter den Malern Kaulbach in seinem Narrenhause.“395 Dieses Beispiel bleibt ohne eine weitere Ausführung. Dennoch ist der Standpunkt, unter dem das Narrenhaus betrachtet wird, in Bezug auf die erläuterte Philosophie offenkundig. Vergleichbar mit Görres sieht Rosenkranz im Narrenhaus den Wahnsinn als Demonstration einer göttlichen Macht. Indem dieser einem hässlichen Motiv seinen Selbstzweck abspricht,396 muss das Narrenhaus zwangsläufig zu einem moralischen Sinnbild werden. Wenn auch der Vernunftlose in ein Verhältnis mit der Vernunft treten soll, ist dafür die einzig mögliche Lösung, die Dargestellten in einem kausalen Zusammenhang und als Träger einer Botschaft an den Betrachter zu interpretieren. Folglich verhält sich die Einordnung von Kaulbachs Narrenhaus in das System dieser Ästhetik des Hässlichen zu einem großen Teil kongruent zur Interpretation von Görres. Durch die Biographien, die letzterer den Insassen des Narrenhauses andichtet, stellt auch er sie in einen Kontext, der eine moralische Aussage zum Ziel hat. Für beide ist somit eine empirische Auseinandersetzung mit den Narren als psychisch Kranke grundsätzlich ausgeschlossen; der realistische Gehalt des Bildes wird ignoriert. Absolut signifikant ist die Tatsache, dass sowohl Rosenkranz als auch Görres den künstlerischen Aspekt des Narrenhauses vernachlässigen, um die Deutung des Inhaltlichen in den Vordergrund zu stellen. Diese wichtige Beobachtung soll einstweilen als generelles Charakteristikum für die deutsche Rezeption des Narrenhauses festgehalten werden.

390

Rosenkranz, 1853 [1989], S. 307. Rosenkranz, 1853 [1989], S. 307. 392 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 307. 393 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 309. 394 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 309. 395 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 309. 396 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 40: „In der Totalität der Weltanschauung macht das Häßliche, wie das Kranke und das Böse, nur ein verschwindendes Moment aus, und in der Verschlungenheit mit diesem großen Zusammenhang ertragen wir es nicht nur, sondern kann es uns interessant werden. Nimmt man es aber aus diesem Zusammenhang heraus, so wird es ästhetisch ungenießbar.“ 391

66

4.1.1.3.

Johann August Schilling, 1863

Sogar in der Schrift Psychiatrische Briefe oder die Irren, das Irresein und das Irrenhaus des Mediziners Johann August Schilling fand das Narrenhaus von Kaulbach Eingang. Dies ist umso erstaunlicher, als dass der Stich hier als Illustration für psychiatrische Fachliteratur dient, die zwar nicht nur an Ärzte, sondern laut Titel allgemein „an gebildete Stände“ gerichtet ist, nichtsdestotrotz aber einen wissenschaftlichen Anspruch für sich einräumt.397 Obwohl Kaulbach es Schilling gestattet hatte, seine Zeichnung zu verwenden,398 hat der Künstler sie ursprünglich nicht für einen solchen Zweck vorgesehen. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Briefe verrät deutlich die moralischtheologische Richtung, die Schilling einschlägt. Darin werden die Ursachen für die so genannten Seelenstörungen in traditioneller Weise auf sittliche Laster, übermäßige Leidenschaften und die Lehre der Temperamente zurückgeführt,399 ein Beweis, dass selbst unter den professionellen Psychiatern in den sechziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts moralphilosophische Modelle immer noch Bestand hatten.400 Damit ist auch der Rahmen für die Interpretation des Narrenhauses abgesteckt. Dass Kaulbach Darstellungsweisen aus der psychiatrischen Fachillustration übernimmt, scheint Schilling nicht aufzufallen, womit die Ferne seines Psychiatriemodells von jeder annähernd naturwissenschaftlichen Methode noch einmal bezeugt wäre. Vor jeder medizinischen Analyse der möglichen Krankheitsbilder steht die Deutung als „belehrendes, wie rührendes Spiegelbild der Menschheit.“401 Ebenso wie er seine ganze Schrift als Anreiz zur Reflexion der conditio humana versteht, als „Spiegel […], um darin zu schauen, - was der Mensch, heute noch stolz und eitel, morgen werden und übermorgen schon sein kann“,402 wird das „Narrenhausbild“403 zur Warnung „vor der Leidenschaft und der geistigen Verirrung“404 funktionalisiert. Eingedenk dieser Absicht überrascht es wenig, dass Schilling Görres´ biographische Vorgeschichten der fiktiven Anstaltspatienten fast wörtlich übernimmt. Auch dem Psychiater ist daran gelegen, die Irrenhausszene von Kaulbach als christliches Lehrstück „zum sittlichen Nutzen gedeihen“405 zu lassen. Wie Görres verweist Schilling auf die scheinbar epidemische Verbreitung des Wahnsinns in den Jahrzehnten zuvor. Zwar werden die Ursachen – im Gegensatz zum Text von Görres – nicht konkret 397

Rothkopf, 1980, S. 52 Schilling, 1863, S. 388. 399 Schilling, 1863, S. xi-xiv. 400 Dörner, ³1995, S. 250. Seit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts war mit der Psychiatrie Wilhelm Griesingers jedoch der Ansatz popularisiert worden, dass psychische Krankheiten auf gestörte Hirnfunktionen rückführbar sind. Schillings Theorien sind also eindeutig an der überholten Moralpsychiatrie orientiert. Vgl. Thom, 1984, S. 26. 401 Schilling, 1863, S. 389. 402 Schilling, 1863, S. vi. 403 Schilling, 1863, S. 387. 404 Schilling, 1863, S. 387. 405 Schilling, 1863, S. 389. 398

67

genannt,

vielmehr

sind

allgemeine

Gegenwartskritik

und

Kulturpessimismus

herauszulesen. „Die moderne Civilisation unseres fast ziellosen, stets zielfernen und immer zielsüchtigen Jahrhunderts“406 beklagt er „als den Hauptfactor für die Zunahme des Irrseins in unseren Tagen“,407 während „in früheren Zeiten, wo die Organisation des Menschen noch eine kräftigere war, […] phantastische Vorstellungen nicht so leicht zum wirklichen Wahnsinne“408 führten. Zusammenfassend wird auch in diesem ausführlichen Kommentar das Narrenhaus als ein abschreckendes Exemplum unsittlichen Verhaltens verwendet: „Darum bitte den Himmel um Schutz, bewahre dein Herz, beherrsche deinen Verstand, mäßige deinen Willen, sei vernünftig und bescheiden, zügle deine Leidenschaft und bezwinge dich selber, - meide den Müssiggang und fliehe das Laster!“409 Ausgeprägt ist in allen genannten Quellen die vordergründig herausgestellte belehrende und ermahnende Funktion des Narrenhauses. Diese Perspektive auf das Bild muss von Kaulbach tendenziell befürwortet worden sein. Zu Beginn der dreißiger Jahre hat Kaulbach generell eine moralische Tendenz in seiner graphischen Arbeit verfolgt: sowohl die bereits erwähnte geplante Stichreihe über einen guten und einen schlechten Lebenslauf als auch die Illustrationen zu Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre sind mit einem belehrenden Unterton versehen.410 Im Narrenhaus wird mehr eine humanere Behandlung der Narren angemahnt als dass sie Wahnsinn als Bestrafung darstellt. Eine bloß moralische Interpretation wird dem Bild mit Hinsicht auf seine realistischen Implikationen jedoch nicht gerecht. 4.1.2. Die Rezeption in Frankreich Dass in Frankreich das Narrenhaus eine mindestens genauso weite Verbreitung fand wie in Deutschland belegen Nennungen desselben in einigen Texterzeugnissen zur zeitgenössischen Kunst, darunter auch in den Kritiken von Théophile Gautier und Charles Baudelaire.411 Im Stadtporträt Livre de Paris von Edmond Texier, wo das Bild als Beispiel der inhumanen Behandlungs- und Unterbringungsmethoden der psychisch Kranken vor

406

Schilling, 1863, S. 330. Schilling, 1863, S. 330. 408 Schilling, 1863, S. 500. 409 Schilling, 1863, S. 408. 410 Schillers Erzählung beginnt mit den Sätzen: „In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist, als die Annalen seiner Verirrungen. Bei jedem großen Verbrechen war eine verhältnismäßig große Kraft in Bewegung. Wenn sich das geheime Spiel der Begehrungskraft bei dem matteren Licht gewöhnlicher Affekte versteckt, so wird es im Zustand gewaltsamer Leidenschaft desto hervorspringender, kolossalischer, lauter; der feinere Menschenforscher, welcher weiß, wieviel man auf die Mechanik der gewöhnlichen Willensfreiheit eigentlich rechnen darf, und wie weit es erlaubt ist, analogisch zu schließen, wird manche Erfahrung aus diesem Gebiete in seine Seelenlehre herübertragen und für das sittliche Leben verarbeiten.“ Friedrich Schiller: „Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Eine wahre Geschichte“, in: Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, hrsg. von Jost Perfahl, München o.J., Bd. 3, S. 493. 411 Es wird auch berichtet, dass Grandville eine Reproduktion des Narrenhauses in seinem Atelier aufgehängt hatte. Siehe Hofmann, 1979, S. 224. 407

68

den Reformen Pinels gilt,412 wird sogar noch 17 Jahre nach dem Bekanntwerden der Zeichnung in Deutschland die rhetorische Frage gestellt: „Qui ne connait [sic] cette belle composition allemande représentant la cour d´une maison de fous?”413 4.1.2.1.

Théophile Gautier, 1856

Auch Théophile Gautier beruft sich auf die allgemeine Bekanntheit des Narrenhauses: „M. Kaulbach est encore un nom connu en France: il y a quelque quinze ans il fit sa première apparition chez nous, au bas d´une gravure représentant une maison de fous.“414 Gautier wiederholt den Anlass, der zur Gestaltung der Zeichnung und schließlich zur Bewältigung des traumatischen Ereignisses in Düsseldorf führte. Obwohl der Kritiker das Werk lobt als „étude profonde de cette suprême misère de la nature humaine“,415 ist es für ihn ärgerlich („fâcheux“), „que l´auteur de la Maison de fous ait réculé devant la vérité vraie et ne se soit pas défendu, cette fois du moins, de la manie qu´ont les Allemands de tout styliser, un verbe qu´on nous permettra de leur emprunter et qui nous manqué.“416 Er präzisiert seine Kritikpunkte: „Nous avions entrevu déjà une tendance fâcheuse à donner aux haillons modernes des plis sculpturaux, des cassures héroïques assez inutiles dans une cour de Charenton ou de Bedlam.“417 Diesem Zitat gemäß besteht die Schwäche des Narrenhauses im Mangel an „vérité vraie“,418 also einem Verzicht auf Realismus zugunsten einer unangemessenen Stilisierung. Der Zwiespalt zwischen Realismus und Stilisierung äußere sich in dem unglücklichen Aufeinanderprallen eines plastischen, heroischen Stils mit dem Motiv der „haillons modernes.“419 Die Wortwahl Gautiers verdeutlicht, dass ihm der idealisierende Stil für die Darstellung eines Narrenhauses nicht allein nur unpassend, sondern dass dieser darüber hinaus ein deutschnationales Phänomen zu sein scheint, dessen Überwindung hin zu einer realistischeren Kunst Gautier im Narrenhaus gewünscht hätte. 4.1.2.2.

Charles Baudelaire, 1859 und 1868

Die Idee von Gautier wurde von Charles Baudelaire vielleicht übernommen, denn dieser übt auffallend gleichartige Kritik am Narrenhaus. In der Salonkritik von 1859 grenzt Baudelaire Kaulbachs Zeichnung ab zu einem Werk mit ähnlichem Sujet – Armand Gautiers Folles de la Salpetrière: Cour des Agitées

412

Noch in der achten Auflage von Kraepelins Standardwerk von 1883 wird das Narrenhaus als Beispiel für die inhumane Unterbringung von psychisch Kranken herangezogen. (Emil Kraepelin: Psychiatrie. Ein 8 Lehrbuch für Studierende und Ärzte, Lepizig 1909, Bd. 1, S. 627). 413 Edmond Texier: Tableau de Paris, Paris 1852, Bd. 1, S. 166. 414 Gautier, 1856, S. 265. 415 Gautier, 1856, S. 265. 416 Gautier, 1856, S. 266. 417 Gautier, 1856, S. 265. 418 Gautier, 1856, S. 266. 419 Gautier, 1856, S. 265.

69

(Abb. 78), das im Salon jenes Jahres ein großer Erfolg war.420 Diesem Gemälde rechnet er an, dass es mit dem französischen Gefühl für Dramatik, „avec le sentiment dramatique français,“421 gestaltet wurde, demgegenüber behandle Kaulbach das Motiv des Wahnsinns „selon la méthode philosophique et germanique“,422 eine Methode, die an aristotelische Kategorien erinnere. Konsequenterweise wird dann das Narrenhaus auch im Essay „L´Art Philosophique“, im Werk Curiosités Esthétiques 1868 posthum erschienen, erwähnt: „Remarquerons-nous que Kaulbach ayant à traiter un sujet purement pittoresque, la Maison des fous, n´a pas pus s´empêcher de le traiter par catégories et […] d´une manière aristotélique, tant est indestructible l´antinomie de l´esprit poétique pur et l´esprit didactique.“423 Bei Baudelaire wird die von Gautier diagnostizierte Manie der Deutschen, alles zu stilisieren, zur aristotelischen Methode der Kategorien, die er in Kaulbachs Bild angewandt sieht. Dass die Argumente der beiden französischen Kunsttheoretiker zusammenhängen, ist klar: Sobald eine Stilisierung, die Unterwerfung unter einen bestimmten Stil, oder eine Idealisierung, die Erhöhung eines Gegenstandes, stattfindet, müssen

individuelle

Besonderheiten

zurückweichen,

um

übergeordnete

Grundmerkmalen, also Kategorien, vortreten zu lassen. Das wird von Baudelaire insofern als didaktisch interpretiert, als dass Kategorien typisierte Merkmale repräsentieren, die gleichsam eine festgelegte Meinung beinhalten. Auch Baudelaire kritisiert Kaulbach, das Sujet nicht im richtigen Stil umgesetzt zu haben, nämlich eben didaktisch statt poetisch. Mit diesem Urteil erfasst Baudelaire geradezu ein Kernproblem des Verhältnisses zwischen Klassizismus und Romantik. In Baudelaires Sinne wird die ganze romantische Ästhetik mit den Worten zusammengefasst, dass „die Kategorientabellen akademischer Kritik […] überholt und unzureichend empfunden“424 wurden. „Die Erkenntnis […], dass vielmehr das Mehrdeutige und auch Widerspruchsvolle sein ästhetisches Existenzrecht einklagt, führt zur Forderung nach einer Kritikform, die den Zwischenlagen gerecht wird.“425 Genauso besteht nach Baudelaire das Genie des Künstlers darin, „dem Rezipienten Impulse zu geben und ihn zu schöpferischer Mitarbeit anzuregen, nicht aber Rätsel zu lösen oder Bild-Texte zu lesen.“426 Letzteres unterscheidet die didaktische Kunst von der art pur, die geprägt ist von einem

420

Zilch-Purucker, 2001, S. 25. Charles Baudelaire: Oeuvres Complètes, hrsg. von Claude Pichois, Paris 1961, S. 1047. 422 Baudelaire, 1961, S. 1047. 423 Baudelaire, 1961, S. 1100. 424 Kanz, 1998, S. 245. 425 Kanz, 1998, S. 245f. 426 Wolfgang Drost: „Über Baudelaires Affinitäten zur deutschen Kunst und Aesthetik“, in: Bernd Kortländer, Hans T. Siepe: Baudelaire und Deutschland, Deutschland und Baudelaire, Tübingen 2005, S. 148. 421

70

„caractère poétique, vague et confus.“427 Baudelaire findet im Narrenhaus den „erreur de l´art philosophique”428 bestätigt, dieses klassizistisch anmutende ästhetische Konzept nicht zu überwunden und statt poetischer Vieldeutigkeit ein eindeutig lesbares Bild geschaffen zu haben. 4.1.3. Fazit: Das Narrenhaus in der französischen und deutschen Rezeption Resümiert man diese Übersicht der wichtigsten Kommentarstimmen zum Narrenhaus, ergeben sich eindeutig nationale Diskrepanzen in der Betrachtung des Bildes. Während die genannten deutschen Rezipienten ihren Schwerpunkt auf die inhaltliche Ebene legen, schenken Gautier und Baudelaire ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich der Ausführungsweise des Themas, die als spezifisch deutsch empfunden wird. Die deutsche Affinität zu einer „art philosophique“, die die französische Kunstkritik des 19. Jahrhunderts geradezu als Topos pflegte,429 wird in der deutschen Kritik des Narrenhauses bestätigt. Spezifisch die deutsche Kunst hatte nach Baudelaire die Intention „de remplacer le livre, c´est-à-dire de rivaliser avec l´imprimerie pour enseigner l´histoire, la morale et la philosophie.“430 Genau diese literarisch-didaktische Funktion ist nach Görres, Rosenkranz und Schilling im Narrenhaus erfüllt. Sie versuchen das Bild tatsächlich zu lesen und fragen sich aus dieser Herangehensweise resultierend, was das Bild lehren kann. Dank der Literarisierung des Narrenhauses durch die imaginären Biographien, wird eine Moral erschlossen, ohne die das Bild seinen künstlerischen Anspruch verlieren würde. Nur dadurch kann das Narrenhaus für medizinische (Schilling) oder politische Absichten (Görres) instrumentalisiert werden. Zwar erkennt auch Gautier die verschiedenen Typen des Wahnsinns – „l´ambitieux, [le] dieu de sa propre religion, [la] folle par l´amour“431 – jedoch ohne eine Wertung einzubringen. Gautier und Baudelaire stellen ins Zentrum ihrer negativen Kritik die Verwendung eines überhöhenden Stils. In der untersuchten französischen Kritik wird das Bild unter den Kriterien der Modernität betrachtet. In Deutschland hingegen scheint das künstlerische Potential des Narrenhauses keine Beachtung zu finden, obschon diese Behauptung dadurch eingeschränkt werden muss, dass nach heutigem Kenntnisstand die Zeichnung in diesem Land zunächst nur von konservativen Intellektuellen schriftlich verarbeitet wird. Diese Differenz zwischen französischer und deutscher Rezeption des Narrenhauses beruht

auf

dem

bildimmanenten

Grundkonflikt

zwischen

der

realistischen

Darstellungsweise und der Verpflichtung gegenüber der idealistischen Tradition. 427

Baudelaire, 1961, S. 1101f. Baudelaire, 1961, S. 1100. 429 Vgl. die Aufsätze von Drost, 2005, S. 127-167 und Hendrik Ziegler: „‚L´Art Philosophique‛ de Charles Baudelaire. Genèse et Mutation d´un Paradigme des Écrits sur l´Art en France entre 1855 et 1878“, in: Uwe Fleckner, Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.): De Grünewald à Menzel. L´Image de l´Art Allemand en France au XIXe Siècle, Paris 2003, S. 143-166. 430 Baudelaire, 1961, S. 1099. 431 Gautier, 1856, S. 265. 428

71

Während die französischen Autoren ihre Kritik daran festmachen, dass die Bildsprache zu idealistisch ist, pointieren die deutschen durch die literarische Typisierung den stilisierenden Aspekt des Bildes und können die unversöhnliche Wirkung nicht billigen. Die für Baudelaire häretische Verwechslung des Guten mit dem Schönen432 unterläuft Görres und Rosenkranz, wenn sie dem Wahnsinn an sich keinen ästhetischen Wert anerkennen können. Bezeichnend für das deutsche Kunstverständnis der Zeit ist eine gesellschaftlich konnotierte Kunst ohne sittlichen oder religiösen Hintergrund nicht zu rechtfertigen:433 „Der Schweiß der Arbeit, der von der Stirne rinnt, von der Brust perlet, ist zwar sehr ehrenwerth, allein ästhetisch ist er nicht.“434 Genauso mahnt Görres den Künstler, „er soll […] kein Portraitmaler des Menschen und der Natur sein, der mit äußerer Treue, mit Zirkel und Richtscheit die Züge der Oberfläche nachmacht.“435 Daraus spricht das geistige Erbe der nazarenischen Kunstauffassung, die die Kunst „von irdischen Mängeln“436 gereinigt erfahren möchte. Diese Vorliebe des Charakteristischen statt des Individuellen erklärt, warum die konservative deutsche Kunsttheorie das Narrenhaus trotz seiner realistischen Anleihen positiv bewertet, denn die Zeichnung visualisiert „die für das biedermeierliche Wirklichkeitsverständnis symptomatische Verschiebung des Begriffes hin auf das Typische, das als Wahrheit gehandelt wird.“437 Schon im frühesten französischen Urteil wird diese Typisierung erkannt, der Görres mit dem Erfinden von konkreten Einzelschicksalen entgegenwirken will, jedoch ohne ein schematisiertes Denken und eine idealistische Ästhetik aufzugeben. Das Magasin Pittoresque, das bereits 1836 eine Rezension zum Narrenhaus zusammen mit einer Reproduktion des Bildes abdruckte, schreibt: „Toute cette composition de Kaulbach ne représente sans doute, dans l´intention du peintre, que des types généraux, une image plutôt qu´un individu, une idée plutôt qu´un fait.“438 Die Intention des Künstlers allerdings war jenseits von jeder moralischen oder künstlerischen Botschaft nicht unerheblich bestimmt von verkaufsstrategischen Überlegungen, wie im folgenden gezeigt werden wird.

432

Brief von Charles Baudelaire an Alphonse de Calonne, 8. Januar 1859, in: Charles Baudelaire: Correspondance, hrsg. von Claude Pichois, Paris 1973, Bd.1, S. 537. 433 Sengle, 1972, Bd. 2, S. 887. 434 Rosenkranz, 1853 [1989], S. 314. 435 Görres, [1836], S. 20. 436 Kanz, 1998, S. 243. 437 Brugger, 1997, S. 29. 438 Anonym: „Peintres Étrangers Contemporains. Kaulbach, Peintre Allemand. La Maison des Fous“ , in: Magasin Pittoresque 4 (1836), S. 178.

72

5. Das

Narrenhaus

als

Karriereauftakt

Strategie

oder

Zufall? 5.1. Taktisches Engagement für das Narrenhaus Wie bereits mehrfach erwähnt, hat Werner Busch in seiner wegbereitenden Studie zum Narrenhaus die bisher einzige tief greifende These zum Narrenhaus aufgestellt. In kurzen Worten behauptet Werner Busch, dass Kaulbach sich mit dem Bild einen „dramatischen Beginn seiner Künstlergeschichte“439 geschaffen habe, „der seine jugendliche Empfindsamkeit, sein Mitleiden, sein visuelles Gedächtnis, sein natürliches Bedürfnis nach künstlerischem Ausdruck zu Beginn seiner Karriere belegen soll.“440 Kaulbach „betrieb sehr gezielt Legendenbildung“,441 um seinen Namen in der Kunstwelt prominent zu machen und so Aufträge zu gewinnen. Die Stichhaltigkeit der These soll hier überprüft werden. Ein Manko an Buschs Theorie ist der oft allzu hypothetische Charakter der Aussagen; diese Schwäche kann auch in dieser Arbeit nicht vollständig ausgemerzt werden, da viele Schlussfolgerungen zwar stringent sind, sich aber nicht mehr überprüfen lassen. Während Busch sich in seiner Argumentation hauptsächlich auf die Briefe stützt, die Kaulbach

bekommen

hat,

werden

hier

vor

allem

die

Biographien

und

Zeitzeugenberichte zu Rate gezogen. Anhand dieser Quellen bestätigt sich die Plausibilität von Buschs Theorie weitestgehend. Zunächst darf festgehalten werden, dass das Narrenhaus unbestritten das Werk war, das

Kaulbach

national

und

international

bekannt

machte.

In

zahlreichen

kunsthistorischen und biographischen Werken wird die einschlagende Wirkung des Narrenhauses hervorgehoben.442 Der Künstler war offensichtlich darauf erpicht, sein Kunstwerk konsequent zu vermarkten und einen Werbeeffekt für seinen Namen zu erzielen. Friedrich Pecht stimmt zu, dass Kaulbach es verstand, „seine materiellen Interessen zu handhaben, alle Hilfsmittel als Reklame zu benützen.“443 Er wusste sein Blatt deutschlandweit zu verkaufen und konnte Kontakte mit Kunsthändlern knüpfen,444 so dass er „auch eine

439

Busch, 1985, S. 137. Busch, 1985, S. 137. 441 Busch, 1985, S. 134. 442 Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 105: „Es ist dieses Blatt wohl das erste, womit der Vater anfing, sich einen Namen zu machen.“; Schilling, 1863, S.393f: „Dadurch aber ist man zuerst auf Kaulbach aufmerksam geworden und keine seiner späteren Kunstschöpfungen hat, bis vielleicht in die neueste Zeit – verhältnißmäßig so viel Glück gemacht, als dieses sein Narrenhaus.“; Gustav Pauli: Das neunzehnte Jahrhundert, in: Georg Dehio (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kunst, Berlin 1934, Bd. 4, S. 148: „Sehr bezeichnend ist es, daß sein erster Erfolg einer sensationell wirkenden Karikatur galt, der Zeichnung des Narrenhauses, die im Stich weite Verbreitung fand.“ 443 Friedrich Pecht: Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jahrhundert, München 1888, S. 114. 444 Müller, 1893, S. 206f: „Auf alle Fälle wurde dieser erste große Erfolg zum Anlass mancher wichtiger Verbindungen, die den Künstler in ausgedehntem Maße ausserhalb Münchens – worauf sein Ruf bisher beschränkt gewesen war – mit Kunsthändlern und Verlegern, Kunstvereinen, Museumsdirektoren und Privatsammlern bekannt machten. Eins folgte aus dem Andern so gab sich überall erhöhtes Interesse für 440

73

Zeitlang zum Geschäftsmanne“445 wurde. „Da das Blatt einen außergewöhnlichen Beifall hatte und allerwärts einschlug, so liefen von allen größern Plätzen des In- und Auslandes, von kleinen und großen Kunsthändlern unerwartet viele Bestellungen ein.“446 Der Kontakt zum Verlagshaus Cotta, das das Morgenblatt für gebildete Stände herausgab, war von Kaulbach ausgegangen; seit den frühen dreißiger Jahren bestand die Verbindung, weil Kaulbach wegen Zeichnungen zu Werken von Goethe und Schiller mit Cotta in Verhandlung stand.447 Die Auswahl dieses Periodiku*ms für eine Publikation des Kommentars zeugt jedenfalls von einem strategischen Instinkt: Das Morgenblatt

war

sehr 448

Lesegesellschaften.“

erfolgreich;

es

gehörte

zum

„Standardrepertoire

der

Für viele Autoren war das Blatt der bequeme Weg zum

vielköpfigen Publikum des Bildungsbürgertums. Auch thematisch war der Text von Görres adäquat auf die Zielgruppe der Zeitschrift zugeschnitten, denn das Morgenblatt gab

auf

unterhaltsame 449

Wissenschaften.

Weise

einen

Überblick

über

den

Kosmos

der

Es war das erklärte Ziel der Zeitschrift, „diejenigen Kenntnisse zu

verbreiten, welche zur geistigen und sittlichen Kultur nothwendig sind, und auf dem Wege der Unterhaltung die angenehmste Belehrung gewähren.“450 Ebensolche angenehme Bildung zur Pflege der sittlichen Kultur muss auch Görres´ Absicht im Kommentar zum Narrenhaus gewesen sein. Diese inhaltliche Übereinstimmung und die Beliebtheit des Morgenblattes, die Kaulbach bewusst gewesen sein muss, führen zur Annahme, dass der Künstler mit Berechnung die Herausgabe des Kommentars unternommen hat. „Um weiteren Kreisen den Inhalt des außergewöhnlichen Blattes näher zu rücken“,451 wurden die Erläuterungen von Görres schließlich als Band veröffentlicht – notabene auf Kaulbachs eigene Kosten.452 Dieser hatte wohl registriert, dass für viele Käufer und Kunsthändler ein Kommentar den Zugang zum Bild erleichterte.453 Eine zusätzliche Erklärung befriedigte auch das besonders in den Biedermeierjahren akute Bedürfnis

den neuentdeckten Künstler kund. Überall sah man seinen neuen Werken und Nachrichten darüber mit besondrer Spannung entgegen.“ 445 Müller, 1893, S. 205. 446 Müller, 1893, S. 205. 447 Kümmel, 2001, S. 138. 448 Bernhard Fischer: „Einleitung“, in: Morgenblatt für gebildete Stände/gebildete Leser 1807-1865. Nach dem Redaktionsexemplar im Cotta-Archiv (Stiftung Stuttgarter Zeitung). Register der Honorarempfänger / Autoren und Kollationsprotokolle, im Auftrag des Deutschen Litertaurarchivs, bearbeitet von Bernhard Fischer, München 2000, S. 10. 449 Fischer, 2000, S. 13. 450 Prospekt des Morgenblattes vom Dezember 1806, zit. nach Fischer, 2000, S. 10. 451 Müller, 1893, S. 185. 452 Müller, 1893, S. 205f. 453 Kaulbach-Archiv III, Brief von Jakob Felsing an Wilhelm Kaulbach, 25. Juli 1835: „Die meisten der Narren habe ich verstanden oder glaube es wenigstens, nur der eine sich Kratzende ist mir unklar, hat dieser arme Teufel die Idee es wüchse ihm Gras anstatt Haar auf dem Kopf? Sey so gut und schicke mir eine Erklärung.“

74

des Betrachters nach einem narrativen Kontext, der eine Identifikationsbasis schaffte und das Bild mit einer deutlichen Botschaft versah. Görres selbst war ebenso in den Vertrieb seines Textes und des dazugehörigen Blattes eingespannt, „vor allem wohl im Interesse Kaulbachs.“454 Sogar dem Fürsten Metternich konnte er ein Büchlein übergeben.455 Man kann Kaulbach bei der heutigen Erkenntnislage nicht vollständig eine berechnende Absicht bei der Herstellung des Narrenhauses unterstellen. Fakt ist, dass er ein großes Risiko auf sich nahm, um den Stich zu verkaufen und er gezielt Mittel benutzte, um seinen Namen in Verbindung mit dem Stich öffentlich zu machen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich schon vor Buschs Aufstellung seiner These in einigen Schriften dezente Anspielungen darauf finden, dass Kaulbach seinen Erfolg geplant haben könnte. So bemerkt zum Beispiel schon Fritz von Ostini, dass Kaulbach sich Verkaufsstrategien bediente, indem er die Popularität der Hogarthischen Stiche für seine Zeichnungen ausnutzte.456 Lehmann und Riemer erwähnen in einem Nebensatz, „dass sein Ruhm strategisch nicht besser [hätte] vorbereitet sein können“,457 jedoch ohne von einer konkreten Planung durch Kaulbach auszugehen. 5.2. Die Legende vom Irrenhausbesuch Die Sorgfalt, mit der sich Kaulbach um die Verbreitung des Stiches und des Görresschen Kommentars kümmerte, legt es nahe, dass Kaulbach auch die Bekanntgabe der Geschichte um die Entstehung des Narrenhauses nicht dem Zufall überließ. Es ist unzweifelhaft, dass das Erlebnis des Besuchs im Irrenhaus das Blatt sogleich in seiner Attraktivität aufwertete, und das Interesse dadurch gesteigert werden musste. Zudem kam sie Kaulbachs Streben entgegen, seine Person – sein Einfühlungsvermögen, sein künstlerisches Talent in der „Seelenmahlerey“ – in das beste Licht zu rücken. Die tradierte Geschichte kann – wie Werner Busch nachgewiesen hat – nur mit Einschränkungen stimmen.458 Die Irrenanstalt, in der Kaulbach die Fresken angefertigt haben soll, bestimmt Müller als St. Hubertus-Hospital459 und die Existenz dieser Anstalt wird von Busch bestätigt. Kaulbach könnte also bei seiner dortigen Beschäftigung Insassen des Hospitals gesehen haben. Dass die jungen Kunststudenten jedoch von einem Arzt in die Lebensgeschichten der Patienten eingeführt worden seien, kann nicht der Wahrheit entsprechen. Denn die Anstalt wurde vor 1826 noch mit althergebrachten Methoden geführt: Die Irren waren mehr zum Zwecke der Internierung als zur Heilung oder zur Pflege dort verwahrt und dementsprechend gab es keine ärztliche, sondern 454

Müller, 1893, S. 186. Müller, 1893, S. 186. 456 Ostini, 1906, S. 65f. 457 Lehmann, Riemer, 1978, S. 51. 458 Im folgenden Busch, 1985, S. 136. 459 Müller, 1893, S. 92. 455

75

nur überwachende Beaufsichtigung. Da Kaulbach 1826 Cornelius nach München gefolgt war, entpuppt sich die Führung durch das echte Narrenhaus als Erfindung. Werner Busch ignoriert allerdings, dass sich durch diese Indizien zwar die Entstehungsgeschichte nicht ganz verifizieren lässt, aber das Bild sich durchaus einem wahrhaften Anblick im Hubertus-Hospital annähern kann. Wie Busch anführt, gab es dort keine Trennung nach Geschlechtern, keine Trennung nach dem Erscheinungsbild der Krankheiten und eben keine medizinische Betreuung – diese Tatsachen finden auf der Zeichnung Kaulbachs ihre Bestätigung. Dass die Patienten allerdings naturgetreu abgebildet wurden, grenzt an Unmöglichkeit, da sich Kaulbach kaum über die Jahre von der ersten Begegnung bis zum Zeichnen der Irren die Details ihrer Erscheinung merken konnte. Verwirrend ist außerdem, dass Görres in seinem Kommentar die angebliche Führung durch das Irrenhaus nicht erwähnt, obwohl ihm Kaulbach durch den direkten Kontakt einen Augenzeugenbericht aus erster Hand hätte liefern können, und dadurch das Wahrheitspotential seiner biographischen Angaben zu den Narren erheblich gesteigert worden wäre. Stattdessen beruft sich Görres auf einen nur einmal erwähnten ominösen „Biograph.“460 Wäre es nicht viel glaubwürdiger gewesen, den Künstler selbst als seine Quelle zu nennen? Es gibt mehrere Möglichkeiten, warum Görres sich nicht auf Kaulbachs eigene Erinnerungen bezieht: Der Fall, dass Kaulbach sie ihm nicht mitgeteilt hat, scheint unlogisch, wenn die Anekdote später in jeder Beschreibung des Narrenhauses Eingang fand. Kaulbach hätte seine Zeugenschaft auch willentlich verweigern können – doch es gibt keinen Grund, weshalb er das hätte tun sollen. Warum Görres die zukünftig vielfach wiederholte Episode aus Kaulbachs Leben nicht anmerkte, kann nur damit plausibel erklärt werden, dass es sie zu jenem Zeitpunkt noch nicht gab. Kaulbach muss sie nach 1835 erfunden haben, möglicherweise um die wachsende Aufmerksamkeit um seine Person noch zu intensivieren. Trotz des potentiellen Wahrheitscharakters des Bildes ist somit nicht zu leugnen, dass es sich bei der von Kaulbach verbreiteten Anekdote tatsächlich um einen beabsichtigten Mythos handelt. Damit setzt er sein Bild als das Produkt eines traumatischen Ereignisses wirkungsvoll in Szene. Einen gewichtigen Hinweis,

der

die gewollte Selbstmystifizierung

Kaulbachs

untermauert, liefert indirekt schließlich doch Guido Görres. Ihm zufolge hat sich der Künstler in der Person, der seinen Kopf in seinem Schoß verbirgt, selbst als vom Wahnsinn Betroffener im Bild integriert.461 Der Brief, den die Figur in der Hand hält, soll an den Stecher des Narrenhauses, Heinrich Merz, adressiert sein,462 was sich auf

460

Görres, [1836], S. 86. Görres, [1836], S. 69: „Vielleicht wollte sich auch der Künstler selbst in dieser geheimnisvollen Gestalt darstellen.“ 462 Görres, [1836], S. 69. 461

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keiner Reproduktion nachvollziehen lässt. Erstaunlich ist, dass sogar Werner Hofmann keinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Selbstporträts hegt.463 Auch Müller vertraut der Meinung, dass sich Kaulbach im Bild verewigt hätte, da der „Hinweis aus dem Freundeskreis von Kaulbach“464 käme. Hofmann fügt hinzu, dass die Interpretation von Görres stimmen müsse, da er sich auf den persönlichen Kontakt mit dem Künstler stützen könne, „einen Kontakt, den das Titelblatt [des Kommentars zum Narrenhaus] symbolisch darstellt.“465 Indes übersieht Hofmann, dass auf besagtem Titelbild Görres und Kaulbach „unter einem Hut“, wie es dort heißt, stecken. Dass die Freundschaft auch eine Möglichkeit zur Absprache und Zusammenarbeit bietet, wird nicht bedacht. Da Kaulbach auf der Zeichnung das Gesicht als eindeutigstes Identifikationsmerkmal verhüllt ließ, ist es leicht zu behaupten, dass der Künstler ein Selbstporträt intendiert hätte. Dabei unterstreicht Görres selbst die Fragwürdigkeit der präzisen Identifikation dieser Figur. Er schlägt zunächst mehrere Möglichkeiten vor, was es mit der Person auf sich haben könnte. „Vielleicht ist dem Unglücklichen seine Braut am Hochzeitstage gestorben, vielleicht wurde seine Treue mit Untreue, seine Liebe mit Verachtung, Haß und Undank vergolten. Oder hat er ein Opfer gebracht, das seine Kräfte überstieg? […] Oder glaubte er sich von Gott verlassen?“466 Erst dann erwähnt er die Möglichkeit, der Künstler habe sich – „vielleicht“ – selbst dargestellt, „wie er vor den Gebilden, die sein eigener Geist geschaffen, zurückbebt und voll Grauen und Mitleid sich davon abwendet.“467 Diese Vermutung, die heraufbeschworenen Abgründe des menschlichen Daseins hätten Kaulbach selbst in den Wahnsinn getrieben, kongruiert mit der von Kaulbach ins Leben gerufenen Überlieferung, dass ihn die „unglücklichen Geschöpfe monate-, jahrelang im Traum und im Wachen“468 verfolgten. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass von Kaulbach selbst der Impuls ausging, die melancholische Figur als ein Selbstporträt auszugeben. Indem Kaulbach sein Schicksal mit dem der Wahnsinnigen in Verbindung gesetzt sehen wollte, erschaffte er die Assoziation mit dem Künstlerverständnis der Romantik, der in Zusammenhang mit den Tasso-Bildern von Delacroix schon angetönt wurde. Viele Stimmen, die das Narrenhaus kommentieren, unterstreichen Kaulbachs seelische Aufopferung und seine Empathie mit den von Wahnsinn Geplagten, die zur Schöpfung der Zeichnung von Nöten war und ihr dadurch erst einen gewissen Mehrwert zugute halten. Im „Zustande seelischer Verzücktheit,“469 in dem Kaulbach das Narrenhaus

463

Hofmann, 1979, S. 224f. Müller, 1893, S. 189. 465 Hofmann, 1979, S. 225. 466 Görres, [1836], S. 69. 467 Görres, [1836], S. 69. 468 Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 105. 469 Müller, 1893, S. 182. 464

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geschaffen haben soll, habe er, „gänzlich erfüllt von der Gewalt des Stoffes“ das „wirklich Erschaute und Erlebte nachempfunden, nachgebildet und mit poetischem Zauber ausgestattet.“470 Eine andere Stimme empfindet ähnlich, dass „hier nicht ein Maler mit kühler Objektivität vor seinem Stoff gestanden hat, sondern daß ein Werk da unter Schmerzen aus der leidenden Seele geboren wurde.“471 Sogar Rothkopf bezweifelt

nicht,

dass

„das

Blatt

als

Problembewältigung

Auseinandersetzung mit einer derartigen Konfrontation entstand.“

und

persönliche

472

Zwar beziehen diese Zitate keine Stellung zu einem möglichen Selbstbildnis des Künstlers im Narrenhaus, nichtsdestotrotz betrachten die Reaktionen Kaulbach genau in dem Licht, in das er sich mit dem Hinweis auf ein Selbstporträt als Wahnsinniger zu stellen beabsichtigte. Die Kritik lässt das Bild vom Künstler aufkommen, der durch seine ihm eigene Fähigkeit, Gefühle intensiver als der Durchschnittsmensch nachempfinden zu können, leiden muss, um ein Produkt anzufertigen, das das Prädikat eines Kunstwerks erst verdient. Die romantische Anschauung, gemäß welcher das Genie des Künstlers ihn über gewöhnliche Menschen erhob, forderte totale Hingabe desselben an seine Kunst. Wie Ludwig Tieck einer Romanfigur, dem Künstler Lodovico, in den Mund legt, erschwerte das Gefühl, „daß man mit dem übrigen Menschengeschlechte eben nicht weiter zusammenhänge“ dem Künstler „Mensch wie die übrigen zu bleiben, wenn man sein Leben damit zubringt, etwas zu thun und zu treiben, wovon ein jeder glaubt, dass es übermenschlich sey.“473 Dieses Dasein, das sich vor allem durch eine erhöhte Sensibilität definierte und den Künstler in eine Außenseiterexistenz verbannte, trieb ihn in einen melancholischen Zustand nahe dem Wahnsinn. Kaulbach positioniert sich selbst in den Legenden um sein Leiden nach dem Besuch im Irrenhaus und um das eingefügte Selbstporträt als „höhere[s] Seelenorgan der Menschheit.“474 Die Inszenierung als eine solche wird auch ersichtlich aus der Variante von Kaulbachs Erlebnis, wie es beispielsweise von Schilling überliefert wird: „Wie Göthe [sic] den Werther in vier Wochen schrieb und darin seinen ganzen Weltschmerz niederlegte und gleichsam ablagerte, und sich darnach auch wieder froh und frei zu einem neuen Leben frisch berechtigt fühlte, - so versuchte auch ich [Kaulbach] Aehnliches mit den mich Tag und Nacht verfolgenden Irrenhausgestalten.“475 Zunächst

470

Müller, 1893, S. 182. Ostini, 1906, S. 58. 472 Rothkopf, 1980, S. 52f. 473 Ludwig Tieck: Franz Sternbalds Wanderungen, Bd.2, in: Ludwig Tieck: Ludwig Tieck´s sämmtliche Werke, Wien 1821, Bd. 23, S. 161. 474 Friedrich Schlegel, zit. nach Bernhard Knauss: Das Künstlerideal des Klassizismus und der Romantik, Reutlingen 1925, S. 37. 475 Schilling, 1863, S. 392. In der Darstellung Müllers erinnert sich Kaulbach an Goethes Arbeitsweise: „Umlagert von den schrecklichen Schatten der Narrenhausbilder, fiel mir – als ich nicht mehr wusste wo aus, wo ein was Goethe von der Entstehung seines Werther erzählte. Dies geistige Haus- und Heilmittel aber, das Frau Rat mit den Worten bezeichnet: ‚Wenn der Wolfgang irgend ein Leid auf dem Herzen trägt, 471

78

wird Kaulbach im Vergleich mit Goethe in einem Atemzug mit dem damals angesehensten Poeten genannt und so das Kunstwerk auratisiert. Weiterhin wird auch in diesem Zitat die kathartische und therapeutische Funktion von Kaulbachs Kunstschaffen hervorgehoben, wie es fester Bestandteil der Irrenhaus-Geschichte war. Im romantischen Kult um den Schmerz als Heilmittel und Inspirationsquelle476 wurde der Künstler gleichsam zu einem Märtyrer für seine Kunst. Im Mythos um das Narrenhaus greift Kaulbach diese Opferrolle auf. Man sollte sich bewusst sein, dass bei allen diesen Ausführungen Vorsicht geboten ist, zumal nicht genau ausgemacht werden kann, wie viel Kaulbach selbst zur Bildung dieser Legenden beigetragen hat oder ob die Kritik ihn im Nachhinein in die Rolle des leidenden Künstlers zwängte. Da jedoch der erste Hinweis auf ein Bildnis Kaulbachs im Narrenhaus in der vom Künstler ratifizierten Interpretation Görres´ zu finden ist, muss davon ausgegangen werden, dass Kaulbach zumindest das Risiko bereitwillig auf sich nahm, im Lichte der romantischen Künstlertradition gesehen zu werden, wenn nicht sogar selbst einen entscheidenden Teil dazu beitrug. Mit Sicherheit wusste Kaulbach um die große Popularität, die der Topos des melancholischen Genies genoss. Chateaubriand, dessen Romanprotagonist René für eine ganze Generation von jungen Männern vorbildhaft den Typus des an sich selbst Leidenden verkörperte, fasste die Sehnsucht nach melancholischer Erhabenheit wie folgt zusammen: „Il n´y a pas de grimaud sortant du collège qui n´ait rêvé être le plus malheureux des hommes; de bambin qui à seize ans n´ait épuisé la vie, qui ne se soit cru tourmenté par son génie; qui, dans l´abîme de ses pensées, ne se soit livré au vague de ses passions; qui n´ait frappé son front pâle et échevelé, et n´ait étonné les hommes stupéfaits d´un malheur dont il ne savait pas le nom, ni eux non plus. Dans René, j´avais exposé une infirmité de mon siècle.“477 Die Inszenierung eines solchen krankhaften Zustands wurde geradezu gepflegt. Théophile Gautier spricht exemplarische Worte, wenn er die Liebe zur Kunst mit dem Oxymoron des schönen Wahnsinns gleichsetzt: „Nous avons poussé jusqu´au délire l´amour de l´art: arrivé à l´âge mûr, nous ne repentons nullement de cette belle folie.”478 Dass

diese

positiv

besetzte

Melancholieauffassung

auch

eine

narzisstische

Selbstbeweihräucherung barg, erkannte auch Chateaubriand nach dem Erscheinen seines René. Er beobachtete die egozentrische Selbstumkreisung jener „einsamen

so macht er ein Lied daraus –‛ sollte auch mir meine Gemütsruhe wiedergeben und meinen Geist von dem ihn qualvoll bedrückenden Zauberbann befreien.“ (Müller, 1893, S. 182.) Auch bei Gautier findet sich der Hinweis auf Goethe: „Ainsi Goëthe [sic] se délivrait de toute idée troublante en la coulant dans le moule du rhythme.” (Gautier, 1856, S. 266.) 476 Sengle, 1971, Bd. 1: Allgemeine Voraussetzungen, Richtungen, Darstellungsmittel, S. 6. 477 François-René de Chateaubriand: Mémoires d´Outre-Tombe, hrsg. von Maurice Lévaillant, Georges Moulinier, Paris 1951, Bd. 1, 13. Buch, S. 462. 478 Théophile Gautier: „Introduction“, in: L´Artiste, 14.12.1856. Zit. nach Christine Girodias-Majeune: Théophile Gautier. Poète, Poésie, Poétique, Villeneuve d´Ascq 2003, S. 3.

79

Wesen“, die „im Hass der Menschen sich zum Genie geadelt fühlen, […] sich in abstrusen, eitlen Chimären verlieren und mehr und mehr in dünkelhafter Misanthropie versinken, die sie bald in den Wahnsinn treibt.“479 Kaulbach war sich dieses Kults um das Versinken im Weltschmerz bewusst. Während jedoch

beispielsweise

Delacroix

sich

tatsächlich

als

eine

auserwählte

Künstlerpersönlichkeit wahrgenommen zu haben scheint, besteht im Falle von Kaulbach genug Grund zur Annahme, dass er dieses Konzept des leidenden Künstlers im vermeintlichen Selbstporträt ironisierte. In der Übersicht des nachfolgenden Werks von Kaulbach wird man finden, dass dieser Künstler – ganz anders als beispielsweise Goya – sich nicht dazu verschrieben hatte, die Abgründe der Menschheit in ihrem ganzen Schrecken bloßzulegen. Stattdessen übte er seine Zeitkritik bevorzugt in satirischer Form – man rufe sich die Illustrationen zu Goethes Reineke Fuchs in Erinnerung (Abb. 79-81). Das berühmteste Beispiel von Kaulbachs satirischer Kunst in einem monumentalen Beispiel sind freilich die Fresken für die Münchner Neue Pinakothek, wo eben gerade das deutsche romantische Künstlerbild

zur

Zielscheibe

seines

Spottes

wird.

Die

„Taktlosigkeiten

in

überlebensgroßem Format,“480 wie sie die Fresken zierten, verhöhnten deutlich die Lebensart der Nazarener in Rom: Auf Das Studium der deutschen Künstler neuerer Zeit in Rom (Abb. 82) stürmt ein junger Mann begeistert durch einen Torbogen; ein zweiter kniet betend vor einem Mönch, der ihm fast drohend das Kreuz entgegenhält. Die Katholizismusbegeisterung und der Romkult der deutschrömischen Künstler, den die

vorangegangene 481

verspottet.

deutsche

Künstlergeneration

prägte,

werden

eindeutig

Auf dem Bild Die Bekämpfung des Zopfes durch Künstler und Gelehrte

unter dem Schutz der Minerva aus dem Zyklus der Neuen Pinakothek (Abb. 83) malte Kaulbach auf der Seite der neuen Kunst zentral Peter Cornelius auf einem Flügelpferd – ein Motiv, das er vorher schon in einer Karikatur von 1849 verwendet hatte (Abb. 84). Darauf persifliert Kaulbach die selbstverliebte Überhöhung des Malerfürsten, der einerseits auf Pegasus reitet, andererseits sich selbst beweihräuchert. Kaulbach selbst verbeugt sich am Bildrand in scheinheilig devoter Haltung.482 Ebenso belächelt Kaulbach den Künstlerkult um Cornelius in der Karikatur Wie der schöne Genius den

479

François-René de Chateaubriand: „Extrait de la Défense du Christianisme“, in: François-René de Chateaubriand: René, hrsg. von Armand Weil, Paris 1935, S. 135: „On doit s´attendre à voir se mulitiplier au milieu de la socitété […], des espèces de solitaires tout à-la-fois passionés et philosophes, qui ne pouvant ni renoncer aux vices de siècle, ni aimer ce siècle, prendront la haine des hommes pour l´élévation du génie, renonceront à tout devoir divin et humain, se nourriront à l´écart des plus vaines chimères, et se plongeront de plus en plus dans une misanthropie orgueilleuse, qui les conduira à la folie, ou à la mort.“ 480 Zeitgenössischer Kritiker zit. nach Lehmann, Riemer, 1978, S. 71. 481 Lehmann, Riemer, 1978, S. 70. 482 Der Text am unteren Bildrand lautet bezeichnend: „Vergöttert! – Du reitest stolz auf Lucas Pegasus / Und treibst Götzendienst mit dir – Cornelius / Den Pinsel mit dem Du sonst bemalt die Wand / Hältst du jetzt stolz in der Hand.“ Siehe Lehmann, Riemer, 1978, S. 37.

80

Meister bekränzt (Abb. 85), worauf der Schüler in einer Pflanzendekoration versteckt seinen sich selbst verherrlichenden Lehrer belauscht.483 Wenn in den genannten Beispielen auch der persönliche Konflikt zwischen Kaulbach und Cornelius thematisiert wird, ist dennoch nicht zu leugnen, dass der Zeichner des Narrenhauses offensichtlich so viel Ironie besaß, das Künstlerbild der vergangenen zwanzig Jahre zu erkennen und es satirisch auf sich selbst zu proji*zieren. Das bezeugt auch Friedrich Pechts Einschätzung von Kaulbach: „Hat er in seiner ganzen, die Romantik liebenden und sie doch verspottenden, jedem Märtyrertum klug aus dem Weg gehenden und doch keine Überzeugung verläugnenden Art sehr viel Ähnlichkeit mit Heine und Voltaire, so ist es klar, dass dieser geistvoll witzige, vollkommen skeptische und ungläubige Charakter dem gläubigen Cornelius ein Greuel sein musste.“484 Es ist Kaulbach also durchaus zuzutrauen, dass er sich einerseits durch die geschickte Verbreitung von Anekdoten um sein Kunstwerk und seine Künstlerpersönlichkeit in Szene zu setzen wusste und sich absichtlich als notwendig leidenden Künstler inszenierte. Andererseits ist es angesichts von Kaulbachs Witz sehr wahrscheinlich, dass

diese

Inszenierung

gleichzeitig

eine

Persiflage

auf

die

romantische

Künstlermelancholie zu verstehen ist. Der Seitenhieb war offensichtlich gelungen, denn fast

alle

Kritiker

betonen

seine

Leidensfähigkeit

und die

bemitleidenswerte

Schockwirkung, die Kaulbach mit dem Narrenhaus verarbeiten musste. 5.3. Die Sensation des Hässlichen Das Kapitel 3.1. hat hinreichend ausgeführt, wie Kaulbachs Narrenhaus es verstand, sich vor allem inhaltlich von der zeitgenössischen deutschen Kunstproduktion zu unterscheiden. Dass das Erscheinen des Blattes auf dem Kunstmarkt „ein Ereignis“485 bedeutete,

verdankt

Kaulbach

größtenteils

der

ungeheuren

Wirkung

des

ungewöhnlichen Motivs. Anders als in der Literatur, in der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts der Wahnsinn ein viel verwendetes Thema war, E.T.A Hoffmann486 oder Novalis487 sich mit Leidenschaft der Beschreibung von krankhaften Zuständen widmeten, und sogar die Psychiatrie eine Vorliebe für novellenähnliche Lebensgeschichten ihrer Patienten

483

Kümmel, 2001, S. 142. Pecht, 1888, S. 114. 485 Ostini, 1906, S. 65. 486 Siehe Brunhilde Janssen: Spuk und Wahnsinn. Zur Genese und Charakterstik phantastischer Literatur in der Romantik, aufgezeigt an den Nachtstücken von E.T.A. Hoffmann, Frankfurt am Main, Bern, New York 1986. ( = Europäische Hochschulschriften 907) 487 Novalis: „Fragment 170“, in: Novalis: Werke, hrsg. von Gerhard Schulz, München 1969, S. 557: „Krankheiten sind gewiss ein höchst wichtiger Gegenstand der Menschheit, da ihrer so unzählige sind und jeder Mensch so viel mit ihnen zu kämpfen hat. Noch kennen wir nur sehr unvollkommen die Kunst sie zu benutzen. Wahrscheinlich sind sie der interessanteste Reiz und Stoff unseres Nachdenkens und unsrer Tätigkeit. Hier lassen sich gewiß unendliche Früchte ernten – besonders wie mich dünkt, im intellektuellen Felde – im Gebiete der Moral, Religion und Gott weiß welchem wunderbaren Gebiete noch.“ 484

81

hegte, bedeutete die künstlerische Verarbeitung des Wahnsinns tatsächlich eine Sensation. Die Offensivität, mit der Kaulbach die menschlichen Schattenseiten anging, bedeutete in einer Zeit von sorgfältig gehüteten Tabus eine „Störung des biedermeierlichen Wohlbehagens.“488 Nichtsdestotrotz – oder vielmehr gerade deshalb – sorgte das Narrenhaus für einiges Aufsehen und zog Menschenmengen an, wenn es bei Kunsthändlern ausgehängt war.489 Dieselben Ängste, die die stereotype Sicht auf den Geisteskranken bedingen, bewegten dazu die damalige Absicht, derartiges Ungewolltes aus der Welt der Kunst verbannen zu wollen. Eine Ästhetik des Hässlichen war gerade im zum Klischee gewordenen deutschen Biedermeieridyll wenig aktuell. Dass ausgerechnet das eher realistische Narrenhaus ein erfolggekröntes Werk war, ist dabei kein Widerspruch. Denn eine Begegnung mit dem Fremden kann uns nicht nur ängstigen, sondern auch faszinieren, „weil es Unbekanntes und Verborgenes zu entdecken gilt.“490 Die von Richard Alewyn erforschte „Lust an der Angst“,491 die ungefähr seit Edmund Burkes Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and the Beautiful von 1757 und den englischen Gothic Novels europäisches Ästhetikempfinden allmählich wandelte, bestimmte auch maßgeblich die Faszination am Narrenhaus. Karl Philipp Moritz hatte 1786 erkannt, dass die Auseinandersetzung mit psychischer Krankheit – zumindest in literarischer Distanz – Anlass zu jenem wohligen Schauder ist, der von der Lust an der Angst kündet: „Es scheinet, als ob die Krankheiten der Seele schon an und für sich selbst, so wie alles Fürchterliche und Grauenvolle, am meisten die Aufmerksamkeit erregen, und sogar bei dem Schauder, den sie oft erwecken, ein gewisses geheimes Vergnügen mit einfließen lassen, das in dem Wunsche, heftig erschüttert zu werden, seinen Grund hat.“492 Dieselben Gefühle dürften auch einen Betrachter des Narrenhauses fünfzig Jahre nach dieser Aussage aufgewühlt haben. Die ungemeine Anziehungskraft des eigentlich abstoßenden Wahnsinns verdankt dieser dem Bedürfnis des aufgeklärten Menschen, das Geheimnisvolle in sein Leben zurück zu gewinnen, nachdem die Aufklärung den „Faktor Geheimnis […] eliminiert“493 hatte. Die faktische Unerklärlichkeit des Phänomens sorgt zusätzlich für eine Neugier, die zum Wunsch führt, die Irrsinnigen ausgiebig beobachten zu können. Im Aufsatz von Ingried Brugger heißt es deshalb treffend: „Eine Geschichte psychiatrischer Themen in der Kunst ist auch eine

488

Sengle, Bd. 2, 1972, S.64. Müller, 1893, S. 303. 490 Helga Egner: „Vorwort“, in: Helga Egner (Hrsg): Das Eigene und das Fremde. Angst und Faszination, Solothurn, Düsseldorf 1994, S. 9. 491 Richard Alewyn: „Die Lust an der Angst“, in: Richard Alewyn: Probleme und Gestalten, Frankfurt am Main 1974, S. 307ff. 492 Karl Philipp Moritz: Gnothi Sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde, Berlin 1786, Bd. 4, S. 1. 493 Alewyn, 1974, S. 317. 489

82

Geschichte des Voyeurismus.“494 Hogarths Rakewell in Bedlam demonstriert in aller Deutlichkeit

die

Sensationslust,

die

der

Irre

mehr

als

andere Kranke

im

Normalsterblichen auslöst – ganz zu schweigen von den psychiatrischen und literarischen Berichterstattungen des 18. und 19. Jahrhunderts aus Irrenhäusern, in welchen die Wahnsinnigen ebenso dem schaulustigen Blick eines Dritten ausgesetzt sind. Wahrscheinlich unbewusst profitierte Kaulbach vom Anreiz auf Befriedigung der Sensationslust, den das Narrenhaus bediente. Den Bruch der Normalität, das jedem Sensationalismus zugrunde liegt,495 erschaffte die Zeichnung durch die Behandlung eines tabuisierten Gegenstands. Dabei tarnt Kaulbach selbst seine Zurschaustellung des Wahnsinns dadurch, indem er auf die Darstellungsweise der Psychiatrie zurückgreift. Der Betrachter harmonisiert sein Interesse am Unglück anderer mit Betroffenheit und Mitleid,496 obwohl er damit auch seine innere Befriedigung über die eigene Gesundheit kaschiert.497 Das Narrenhaus schafft es, tabuisierte Verrücktheiten mit dem traditionellen Ordnungsdenken des Biedermeier zu vereinbaren. Dies mag dadurch erklärt werden, dass Kaulbach sich einerseits stilistisch und inhaltlich auf Althergebrachtes verlässt, andererseits in Guido Görres einen Autor für den Kommentar fand, der für traditionell christliche Werte steht und damit ein hässliches Sujet legitimierte. Aus dem Wechselspiel zwischen „Schock und Anteilnahme, Angst und Faszination“, 498 das bei der Auseinandersetzung mit psychischer Krankheit verursacht wird, zog das Narrenhaus seine nachhaltige Wirkung. Wiederum kann nur vermutet werden, dass Kaulbach den Effekt des ästhetisch Hässlichen vorsätzlich zu seinem Vorteil genutzt hat. Gewiss hat es beträchtlich zum Erfolg des Stiches beigetragen, dass Kaulbach das Elend der Menschen vergleichsweise unverblümt offenbarte. Die Anforderungen des übervollen Kunstmarktes verlangten ja danach, interessante, neuartige Werke zu schaffen; das hässliche Motiv war ein nahe liegendes, sensationelles Mittel, die Aufmerksamkeit auf ein Kunstwerk zu lenken.499 Entsprechend des Kunstgeschmacks haben die ambivalente Wirkung des Hässlichen und die romantische Affinität zu Düsterem, Unheimlichen in Kaulbachs Frühwerk zu seinen Lebzeiten sowohl für Verwunderung als auch für Ablehnung gesorgt.500 Beim

494

Brugger, 1997, S. 17. Gloria Awad: Du Sensationnel. Place de l´Événémentiel dans le Journalisme de Masse, Paris 1995, S. 167. 496 Christian Mürner: Medien- und Kulturgeschichte behinderter Menschen. Sensationslust und Selbstbestimmung, Weinheim, Basel, Berlin 2003, S. 18. 497 Mürner, 2003, S. 24. 498 Mürner, 2003, S. 22. 499 Engelmann, 2003, S. 9. 500 Der Maler Victor Müller beklagte sich über die scheinbare Anstößigkeit der Entwürfe zum Bild Hunnenschlacht: „Alles tot; ein trüber verworrener, so scheußlich wie möglich gefärbter hirnverwirrender Nebel – wie altes abgestandenes Weißbier sieht so ein Bild aus. […] Als ich die Bilder und Zeichnungen sah, war ich so verblüfft, daß ich auch gar nichts sagen konnte. Ich sagte nur: Mir ist so etwas fremd; erlauben Sie, daß ich die Bilder etwas länger betrachte; ich habe dergleichen nie gesehen. […] Daß aber 495

83

Anblick des Narrenhauses waren seine ehemaligen Düsseldorfer Studienkollegen konsterniert, „daß man den Schattenseiten des Menschenlebens auch Poesie abgewinnen könne.“501 Was Unbehagen hervorrief, wurde später von Friedrich Pecht ausdrücklich gelobt: „Um so besser gelingen ihm [Kaulbach] die bösen Leidenschaften, speziell das, was mit der dämonischen, egoistischen Seite des Menschen zusammenhängt.“502 Von Paul Valéry stammt etwa hundert Jahre nach der Entstehung des Narrenhauses die Aussage: „La Beauté est une sorte de morte. La nouveauté, l´intensité, l´étrangeté, en un mot, toutes les valeurs de choc l´ont supplantée.“503 Formal war Kaulbach noch nicht uneingeschränkt in der Lage, die Schönheit durch die Schockwirkung zu ersetzen. Wenn sich avantgardistische Kunst im 19. Jahrhundert aber dadurch definiert, gesellschaftlich und individuell Verdrängtes zu ihrem Thema zu machen,504 so erfüllt das Narrenhaus zumindest dieses Kriterium völlig. Kaulbach

wäre

mit

seinem

berühmt-berüchtigten

Talent

für

karikaturistische

Überzeichnung des Hässlichen durchaus in der Lage gewesen, seinem Narrenhaus einen offensichtlich humoristischen Zug zu verleihen. Damit wäre das Werk in seiner Brisanz aber eindeutig entschärft worden, man hätte den dargestellten Wahnsinn verlacht und damit als nichtig abgetan.505 Der Anspruch auf Wirklichkeit, den das Narrenhaus in seinem Realismus erhebt, und die Ernsthaftigkeit, mit der Kaulbach das Thema des Wahnsinns behandelt, mussten den damaligen Betrachter zugleich faszinieren und beunruhigen. 5.4. Emanzipation von Peter Cornelius Einen gewichtigen Angelpunkt für seine Theorie der bewussten Initialisierung von Kaulbachs Karriere findet Werner Busch in einem Brief, den Wilhelm Kaulbach seiner Frau geschickt hat.506 Busch sieht darin den Beleg, dass Kaulbach seinem einstigen Vorbild Peter Cornelius in der Karriereplanung nacheiferte und bei der Konzeption des Narrenhauses Cornelius´ Anfangserfolg der Faust-Illustrationen nachahmte.507 Diese Lesart kann weder belegt noch verworfen werden. Die vorliegende Arbeit möchte das Augenmerk aber eher auf den schon ausgeführten Versuch Kaulbachs legen, sich von seinem Lehrer schon in den jungen Jahren, in denen das Narrenhaus

dieser Mensch, diese angalvanisierte Leiche, der größte Maler im Augenblick ist, das schreit zum Himmel.“ undatierter Brief von Victor Müller, zit. nach Lehmann, Riemer, 1978, S. 17. 501 Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, Düsseldorf 9. Juli 1831. Zit. nach Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 157. 502 Pecht, ²1887, S. 87. 503 Paul Valéry: „Théorie Poétique et Esthétique“, in: Paul Valéry: Oeuvres, hrsg. von Jean Hytier, Paris 1957, Bd. 1., S. 1240. 504 Engelmann, 2003, S. 9. 505 Engelmann, 2003, S. 199. 506 Brief von Wilhelm Kaulbach an Josefine Kaulbach, aus dem Jahr 1831. Zit. nach Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 160ff. 507 Busch, 1985, S. 138.

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entstanden ist, zu differenzieren. Wie schon festgestellt wurde, stand Kaulbachs Kunst einerseits vor allem formal im Erbe seines Lehrers Cornelius, inhaltlich andererseits hätten die beiden Kunstauffassungen nicht divergenter sein können. Kaulbach verdankte Cornelius seit seiner Ankunft in München die Vermittlung von wichtigen

Auftragsarbeiten

für

den

König,

darunter

die

Freskierung

der

Hofgartenarkaden (ab 1826), die Ausmalung des Odeons (ab 1826) und die Deckenbemalung des Schlafzimmers der Königin (1832-35).508 Ein bedeutender Grund, der Kaulbachs Absicht, sich durch den Realismus des Narrenhauses von Cornelius abzugrenzen, forciert haben könnte, ist die gewünschte Etablierung als eigenständiger Künstler. Bisher hatte Kaulbach nur mit anderen Schülern von Cornelius arbeiten können. Es ist anzunehmen, dass Kaulbachs Künstlerkollegen und – noch wichtiger – seine potentiellen Auftraggeber ihn vornehmlich als Schüler von Cornelius statt als selbständigen Künstler wahrnahmen. Damit konnte sich Kaulbach sicherlich nicht zufrieden geben. Mit dem Aufsehen erregenden Narrenhaus gelang es ihm, sich einen eigenen Namen in der Kunstszene zu machen. Das Cornelius´ Kunsttheorie widersprechende Motiv half Kaulbach zusätzlich, sich von seinem Lehrer zu emanzipieren. 5.5. Argumente

gegen

das

Narrenhaus

als

strategischer

Karriereauftakt Die Erläuterungen beweisen hinlänglich, dass Kaulbach über genug Ehrgeiz, genug Witz und genug Willen verfügte, um seinen Erfolg zu planen. Die Argumente, die gegen eine Theorie der Selbstinszenierung sprechen, lassen sich leicht entkräften. Man mag sich fragen, ob Kaulbachs Situation wirklich derart bedrängend war, dass er es nötig gehabt hätte, sich mit diesem beinahe skandalösen Blatt eventuell einen schlechten Ruf zuzuziehen. Schließlich hatte er schon Aufträge vom König erhalten; er durfte durchaus hoffen, mit Fleiß und Bemühungen bald zu den auserwählten Künstlern unter dem Protektorat Ludwigs I. zu gehören. Tatsächlich aber hatte der König, nachdem der Karton zur Hunnenschlacht 1834 im Münchner Kunstverein ausgestellt worden war, eine Ausführung des Kunstwerks im Großen abgelehnt – obwohl Kaulbach sie ihm sogar unentgeltlich angeboten hatte.509 Tief gekränkt hatte Kaulbach daran gedacht, das Malen aufzugeben und sich fortan auf graphische Arbeiten zu konzentrieren.510 Das war möglicherweise das ausschlaggebende Ereignis, das Narrenhaus stechen zu lassen und in Deutschland zu verbreiten. Nachdem ihn König Ludwig I. die Anfertigung von hoffähiger Kunst ausgeschlagen hatte, war er gezwungen, sich anderweitig zu orientieren und sich mithilfe des Narrenhauses eine 508

Eine ausführliche Zeittafel der Lebensstationen Kaulbachs findet sich bei Kümmel, 2001, S. 150f. Annemarie Menke-Schwinghammer: Weltgeschichte als Nationalepos. Wilhelm von Kaulbachs kulturhistorischer Zyklus im Treppenhau des Neuen Museums in Berlin, Berlin 1994, S. 47 510 Lehmann, Riemer, 1978, S. 50. 509

85

Kundschaft zu erschließen. Ein Ausweg bot sich Kaulbach in Person von Graf Raczinsky, der anscheinend von dem Karton zur Hunnenschlacht gehört hatte und ihn in seine Berliner Galerie überführen ließ.511 Zudem sorgte Graf Raczinsky dafür, dass das Narrenhaus bei Berliner Kunsthändlern aushing.512 Nachdem der König die Hunnenschlacht zunächst abgelehnt hatte, stellte er Kaulbach 1836 aber schon das Atelier im Lehel zur Verfügung513 und ernannte ihn 1837 zum Hofmaler.514 Es ist wahrscheinlich, dass vielmehr die Hunnenschlacht als das Narrenhaus diese Gunstbeweise des Königs beeinflusst hatte, da das erstere Bild mehr dem Hofstil Ludwigs entsprach und als Kaulbachs erster legitimer Erfolg gilt.515 Der König wollte möglicherweise den jungen Künstler schlussendlich nicht vom Grafen Raczinsky abwerben lassen.516 Des Weiteren trug Kaulbach selbst dazu bei, seinen Erfolg abzuschwächen. Es macht den Eindruck, als ob er selbst die Popularität des Narrenhauses unterminieren wollte, wie Hans Müller berichtet: „Er konnte sich förmlich über das Aufsehen ärgern, das diese Zeichnung und ihre Verbreitung durch zahlreiche Reproduktionen in der Welt gemacht hatte, und wollte nicht einmal davon reden hören. Es bedurfte – wie Ludwig Speidel einmal nach des Künstlers eigenen Versicherungen meinte – keines geringern Werkes als der ‚Hunnenschlacht‛, um das Narrenhaus beiseite zu schieben.“517 Es scheint, dass Kaulbach, nachdem er das gewünschte Ziel erreicht hatte, sich mit der monumentalen Historienmalerei zu profilieren, das Ausnahmewerk Narrenhaus hinter sich lassen wollte. Darin ist wahrscheinlich auch begründet, dass Kaulbach Anfragen des Bibliographischen Instituts Hildburghausen für die Anfertigung eines Zyklus à la Hogarth nach einigen Verhandlungen ablehnte.518 Schließlich war die Historienmalerei die höher gestellte und aussichtsreichere Gattung als das graphische Metier. Kaulbach wusste, dass seine hohen Ambitionen nur mit der ersteren bedient werden konnten. Schon als junger Mensch hatte er sich in den Kopf gesetzt, als Historienmaler erfolgreich zu werden;519 der unbedingte Wille, seine von Mittellosigkeit geprägte familiäre Herkunft zu überwinden und materiellen Wohlstand zu erlangen, ist

511

Menke-Schwinghammer, 1994, S. 47. Müller, 1893, S. 303. 513 Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 9. 514 Kümmel, 2001, S. 6. 515 Anton Teichlein: „Zur Charakteristik Wilhelm von Kaulbachs“, in: Zeitschrift für bildende Kunst 11 (1876), S. 258. 516 Dass Ludwig I sich Kaulbach nicht abwerben lassen wollte, wurde auch als Beweggrund für die Auftragsvergabe der Pinakotheksfresken an Kaulbach vermutet. Siehe Frank Bütttner: „Herrscherlob und Satire. Wilhelm von Kaulbachs Zyklus zur Geschichte der Kunst unter Ludwig I.“ in: Herbert W. Rott (Hrsg.): Ludwig I. und die neue Pinakothek, o.O. 2003, S. 85. 517 Müller, 1893, S.181. 518 Kaulbach-Archiv III, Brief vom Bibliographischen Institut Hildburghausen an Wilhelm Kaulbach, 6. November 1835. Vgl. Müller, 1893, S. 208f. 519 Teichlein, 1876, S. 258. 512

86

geradezu ein Leitmotiv in der biographischen Literatur.520 Tatsächlich hatten sich seine Bemühungen, das Narrenhaus in jeder Hinsicht gewinnbringend auf dem Markt zu platzieren, gelohnt. Fortan feierte er mit Themen aus der großen Historie in monumentaler Ausführung seine Erfolge. 6. Schlussw ort Die Zusammenstellung der wichtigsten Tendenzen in der Gestaltung des Wahnsinns seit Hogarth hat dokumentiert, wie subjektiv gesteuert die Bilder von psychischen Anomalien sind. Wenn der Wahnsinn sich jenseits von aller Regelhaftigkeit oder Logik definiert, ist seine Darstellung nahezu beliebig, und deshalb wird der Wahnsinn zur Projektionsfläche für eigene Vorstellungen des Künstlers. Nachdem Hogarth seine Sicht des Bedlams als Verzerrung der bürgerlichen Welt präsentiert hat und satirisch die Probleme seiner Zeit in ein Irrenhaus übertrug, wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts der Wahnsinn zunehmend unter einem empathischen Aspekt ausgelegt. Die Entdeckung von mentalen Krisensituationen in der Literatur zog das Interesse der Kunst nach sich. Die Betonung des anrührenden Wahnsinnigen hat Kaulbach von der empfindsamen Tradition übernommen, das Identifikationspotential mit den Kranken wird erhöht. Von der romantischen Wahnsinnsdarstellung, bei der der Wahnsinn symbolisch für die Entfremdung des Künstlers bei Delacroix oder als Entfremdung der Gesellschaft an sich bei Goya steht, setzt sich das Narrenhaus durch die Abbildung des Konkreten ab. Wie herausgearbeitet wurde, besteht die große Innovation des Narrenhauses in der Nachahmung von Illustrationen zu psychiatrischen Schriften, zu allererst derjenigen des Arztes Esquirol. Die Anlehnung daran ist so ausdrücklich, dass eindeutige Vergleiche zwischen den Physiognomien von Kaulbachs Narren und Esquirols Fallbeispielen gezogen werden können. Bedeutend ist allerdings der Anspruch auf eine naturgetreue Wahrhaftigkeit und wissenschaftliche Objektivität, den Kaulbach damit für seine Darstellung erhebt. Mit diesem Realismus bewies Kaulbach sein künstlerisches Genie, die menschliche Seele in seinem Äußern zu reflektieren. Die Wiedergabe der scheinbar tatsächlichen sozialen Zustände konnte in der damaligen Zeit ein Affront bedeuten, da eine solche Abbildung nicht dem biedermeierlichen

Kunstverständnis

entsprach.

Weil

Kaulbach

das

Elend

verhältnismäßig direkt abbildete, unterschied sich das Bild gänzlich von der zeitgenössischen Genremalerei. Für eine Zuordnung zum Gruppenporträt mangelt es der Darstellung an innerem Zusammenhang. Kaulbachs Bild des Wahnsinns grenzt sich zunächst grundsätzlich von der bisherigen Verwendung des Motivs ab, indem der einzige Anknüpfungspunkt für den Betrachter die psychiatrischen Illustrationen sind.

520

Dürck-Kaulbach, ²1918, S. 102; Teichlein, 1876, S. 262; Lehmann, Riemer, 1978, S. 45f; Ostini, 1906, S. 4ff.

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Antithetisch zum Realismus ist im Bild hingegen eine starke Verwurzelung in der idealistischen Formensprache der nazarenischen Kunst festzustellen. So sehr sich Kaulbach mit seinem Konzept von Peter Cornelius abgrenzt, hat er doch das Thema stilistisch mit den Mitteln der idealistischen Malerei bearbeitet. Die bedingungslose Wiedergabe der Realität wird dadurch eingeschränkt, dass Kaulbach seine Aufgabe poetisch auffasste,521 und die weiche Linienführung sogar Narren Anmut verleiht. Heinrich Wölfflin urteilte ganz im Sinne dieser Arbeit über Kaulbachs Übernahme der idealistischen Ausdruckweisen auf ein traditionell niederes Motiv: „Bei Kaulbach ist Gefälligkeit der Form so die Hauptsache, daß es überall die gleiche gefällige Form ist: ob nun Lotte Brot schneidet […] oder ob Jerusalem zerstört wird.“522 Eine Poetisierung des Sujets geschieht überdies auch inhaltlich, indem die stereotype Vorstellung eines Wahnsinnigen im Bild wiederholt wird. Die Unerklärlichkeit von psychischen Fehlleistungen und das unwillkürliche Auftreten von Wahnsinn lösen Ängste um die eigene Existenz aus, die durch Stereotypenbildung abgewendet werden können. Infolgedessen war die allgemeine Idee von Wahnsinn schon immer an vereinfachende Schematisierungen gebunden. Zu Kaulbachs Zeiten rührten die Klischees über die Ausdrucksweisen des Wahnsinns vor allem von den aktuellen literarischen Beschreibungen desselben. Dabei sind selbst in der psychiatrischen Literatur immer wieder die gleichen Musterbilder der Geisteskranken anzutreffen. Die wesentliche Schwierigkeit, wie man subjektiv Gefühltes für alle objektiv ersichtlich darstellt, löste Kaulbach, indem er auf allgemein bekannte Vorstellungen zurückgriff, zumal gerade die psychische Krankheit von den meisten Menschen nicht konkret nachvollzogen werden kann. Sowohl in Bezug auf die Physiognomie als auch in Bezug auf ihre implizierte Krankengeschichte kann der Betrachter des Narrenhauses die Dargestellten rasch einem Kontext zuordnen. Damit ist der zentrale Konflikt zwischen Realismus und Idealismus in Kaulbachs Bild des Wahnsinns bestimmt. Nicht nur auf einer künstlerischen Ebene tritt dieser im Narrenhaus zu Tage, sondern auch im Motiv fallen Realismus und Idealismus zusammen. Denn genauso wie die Kunst befand sich das Bild des Wahnsinnigen um 1830 in einem Zwiespalt: zwar hatte die moderne fachmedizinische Psychiatrie einen neuen Ansatz zur empirischen Herangehensweise an den Wahnsinn gefördert, vor allem in Deutschland war die Medizin immer noch von naturphilosophischen Gedanken durchdrungen. Kaulbachs Wahnsinnige des Narrenhauses geben die damalige Situation wieder, da sie eine Synthese aus althergebrachten Formeln und modernsten Forschungsergebnissen sind.

521

Zu diesem Resultat kommt auch Büttner in Bezug auf den Zyklus für die Neue Pinakothek „Wie Cornelius wollte Kaulbach seine Aufgabe ‚poetisch‛ auffassen.“ (Büttner, 2003, S. 110.) 522 Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. Akademische Vorlesung, hrsg. von Nobert Schmitz, Alfter 1993, S. 44.

88

Vorwiegend in der französischen Kunstkritik wurde die Ambivalenz der Zeichnung zum Thema. Die französische Kunstkritik antizipierte schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts die heutige Einschätzung des Narrenhauses, dass Kaulbach, „capable de mêler la trivialité à la majesté“,523 vorhandene Typisierungen und Stilisierungen bei der für die damalige deutsche Kunst modernes Motiv angewandt hat. Gautier und Baudelaire finden ihren Hauptkritikpunkt im ihrer Meinung nach unangemessenen Aufeinanderstoßen von Idealismus und Realismus. Adäquat zur Tendenz der zeitgenössischen deutschen Kunst, dass sich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf einen anekdotisch zugespitzten Inhalt konzentrieren sollte, liegt in der deutschen Rezeption hingegen das Gewicht auf dem Inhaltlichen und nicht auf der künstlerischen Form. Weil im ästhetischen System der besprochenen deutschen Stimmen dem Wahnsinn kein eigenständiger Wert beigemessen wird, kann er nur als moralisches Lehrstück betrachtet werden. Die vorliegende Arbeit hat jedoch hinlänglich bewiesen, dass das Narrenhaus eindeutig vielschichtiger zu fassen ist. Die Erkenntnis, dass sich die Graphik davon unterschieden hat, wie der Wahnsinn einerseits bisher in der Kunst vorgestellt worden war, andererseits wie die Interessen in der zeitgenössischen Kunstlandschaft gelagert waren, zeugt von der Idee einer Ästhetik, die keiner moralischen Legitimation bedarf. Zudem hat die Vertiefung von Buschs These über Kaulbachs taktisches Vorgehen gezeigt, dass er fähig war, wirtschaftlich die Interessen seiner Kunden vorteilhaft zu nutzen. Mit dem Geschichten umrankten Narrenhaus inszenierte er für das Publikum ein märtyrergleiches Künstlerbild, von dem er sich zugleich ironisierend distanzierte. Sowohl das Motiv als auch der Stil der Zeichnung waren ideal geeignet, um in der Massenproduktion des freien Kunstmarktes aufzufallen. Die sensationelle Darstellung provozierte bis zu einem bestimmten Grad einen Tabubruch, ohne dass sie jedoch auf allgemeine Ablehnung stieß. Die Neugier auf das Unbekannte, Geheimnisvolle des Wahnsinns ließ sich für den Betrachter gut mit den philantropischen Belangen der aktuellen Irrenhausreformen kombinieren. Mithilfe seines unbedingten Willens und seines Geschäftssinns konnte Kaulbach den elementaren Konflikt zwischen den Interessen des Künstlers und denjenigen seiner Klientel beilegen, indem er sowohl seine eigenen Bedürfnisse als auch die seiner Kunden befriedigte. Der Vorteil bei der Schaffung seines ersten populären Werks war es, nicht den Erwartungshaltungen eines Publiku*ms genügen zu müssen – abhängig von späteren monarchischen Auftraggebern konnte er den Realismus sowohl in der Darstellungsweise als auch im Motiv nicht mehr weiter verfolgen. Jedoch war es Kaulbach auch in der erhabenen Historienmalerei ein Anliegen, Realismus und Idealismus zu vereinen, auch wenn er dabei natürlich nicht mehr das Genrehafte eines Narrenhauses wiederholen konnte. 523

Hippolyte Fortoul: De l´Art en Allemagne, Paris 1841, Bd. 1, S. 437.

89

Immer wieder wurde in der Forschung der letzten 20 Jahre das Resümee betont, dass die monumentalen Werke Kaulbachs – seien es die Fresken im Berliner Neuen Museum oder diejenigen für die Neue Pinakothek – das Dilemma der deutschen Kunstauffassung um die Mitte des 19. Jahrhunderts veranschaulichen, sich einerseits an avantgardistischen Entwicklungsrichtungen zu orientieren, andererseits nicht mit den Traditionen zu brechen.524 Erneut ist es Werner Busch, der mit der Bezeichnung Kaulbachs als gleichzeitiger peintre-philosophe und modern painter die Situation des Künstlers zu einer ergiebigen Formel zusammenfasst. Bereits der Kritik des 19. Jahrhundert war immer wieder aufgefallen, dass Kaulbachs Kunst sich in einem Spannungsfeld der Kunstgeschichte befand, in dem ein Experimentieren mit neuen Formen zwar geduldet, aber nicht anerkannt war, und bei allem Fortschrittsgeist idealistische Historienmalerei die Erfolg versprechende Gattung war. Friedrich Pecht war überzeugt, dass „Kaulbach, zwanzig Jahre später geboren, einer der entschlossensten Realisten geworden wäre“,525 und nach Fritz von Ostini hat ihn nur „der Irrtum der Zeit und sein eigener in die Wüsten der Monumentalmalerei geführt.“526 Freilich ist diese bei Ostini angesprochene Dichotomie zwischen „innovating ‚heroes‛ and academic ‚villains‛“527 inzwischen überholt; nichtsdestotrotz ist die Krisis der Kunst zu Kaulbachs Zeiten hier angedeutet, und es ist derselbe Autor, der die Quintessenz des Narrenhauses und seines Schöpfers formuliert: „In seinem tiefsten Wesen war Kaulbach, der seine Erfolge noch mir der Sprache der alten Zeit errang, erringen musste, ein Mensch der neuen.“528 Kaulbach hat mit dem Narrenhaus ein Bild geschaffen, das sowohl eine konservative als auch eine zukunftsgerichtete Kunstauffassung würdigen konnte, und dabei volkstümlich blieb. Verantwortlich für den Erfolg der Zeichnung ist vor allem das Motiv, das dem Zeitgeschmack entsprach. Nicht nur Kaulbachs Kunst veranschaulicht den Zwiespalt zwischen Tradition und Moderne. Das damalige Bild von Wahnsinn war ebenfalls geprägt von der paradoxen Verquickung zweier Gegensätze – des Idealismus ausgehend von stereotypen literarisch-philosophischen Vorstellungen einerseits und des Realismus vor dem Hintergrund von einsetzenden empirischfachwissenschaftlichen Bewegungen andererseits. Damit ist das Narrenhaus in mehrfacher Hinsicht Zeichen einer Zeit des Umbruchs, die sich, zwar noch verhaftet in traditionellen Strukturen, der Moderne zuwendet.

524

Busch, 1986; Büttner, 2003; Karl Möseneder: „‚Die Weltgeschichte ist das Weltgericht`. Über Wilhelm von Kaulbachs ‚Die Zerstörung Jerusalems‛“, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 47 (1996), S. 103ff. 525 Pecht, 1888, S. 96. 526 Ostini, 1906, S. 3. 527 Albert Boime: The Academy and French Painting in the Nineteenth Century, New Haven, London ²1986, S. xi. 528 Ostini, 1906, S. 7.

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Text

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102

T E I L

2 :

A B B I L D U N G E N

Abbildungsnachweis Abb. 1:

Wilhelm Kaulbach: Narrenhaus, um 1830-1831 Graphit, 45,9 x 60,8 cm Kupferstichkabinett, Berlin Abbildung nach Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Bad Arolsen 1978, S. 86.

Abb. 2:

Wilhelm Kaulbach: Die Hunnenschlacht, 1834-1837 Öl auf Leinwand, 137 x 172 cm Staatsgalerie, Stuttgart Abbildung nach Irmgard Wirth: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert, Berlin 1990, Taf. 27.

Abb. 3:

Wilhelm Kaulbach: Die Zerstörung Jerusalems, 1846 Öl auf Leinwand, 585 x 705 cm Neue Pinakothek, München Abbildung nach Christian Lenz: Die Neue Pinakothek München, München 1989, S. 71

Abb. 4:

William Hogarth: Rakewell in Bedlam aus A Rake´s Progress, 1735 Kupferstich, 35,6 x 40,6 cm The Wellcome Library, London Abbildung nach Bernadette Fort, Angela Rosenthal (Hrsg.): The Other Hogarth. Aesthetics of Difference, Princeton, Woodstock 2001, Taf. R8.

Abb. 5:

Heinrich Merz nach Wilhelm Kaulbach: Narrenhaus, 1835 Kupferstich, keine Angabe zu den Bildmaßen Stadtmuseum, München Abbildung

nach

Werner

Busch:

Die

notwendige

Arabeske.

Wirklichkeitsaneignung und Stilisierung in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 1985, Abb. 44, S. 135. Abb. 6:

Titelblatt zum Erläuterungsband von Guido Görres Abbildung nach Guido Görres: Das Narrenhaus von Wilhelm von Kaulbach gestochen von H. März erläutert von Guido Görres nebst Ideen über Kunst und Wahnsinn. Besonders abgedruckt aus dem Morgenblatt, o.O. o.J. [Regensburg 1836].

Abb. 7:

William Hogarth: Rakewell in Bedlam aus A Rake´s Progress, 1763 Kupferstich und Radierung, 35,5 x 40,8 cm Keine Angaben zum Aufbewahrungsort Abbildung nach Herwig Guratzsch: William Hogarth. Der Kupferstich als 103

moralische Schaubühne, Stuttgart 1987, Abb. 8h, S. 85. Abb. 8:

Johann Heinrich Füssli: Mad Kate, 1806-1807 Öl auf Leinwand, 92 x 72,5 cm, Goethe-Museum, Frankfurt am Main Abbildung nach Gert Schiff, Paola Viotto: L´Opera Completa di Füssli, Mailand 1977, Taf. LI.

Abb. 9:

Joseph Wright of Derby: Maria und ihr Hund Silvio, 1781 Öl auf Leinwand, 160 x 115,6 cm Museum and Art Gallery, Derby Abbildung nach Judy Egerton (Hrsg.): Wright of Derby, Ausst. Kat. Tate Gallery London, London, Abb. 58, S. 115.

Abb. 10:

Horace Vernet: La Folle d´Amour, um 1820 Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Jane Kromm: The Art of Frenzy. Public Madness in the Visual Culture 1500-1850, London, New York 2002, Abb. 5.17, S. 242.

Abb. 11:

Thomas

Barker

of

Bath:

Crazy

Kate,

keine

Angabe

zum

Entstehungsjahr Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Olin Library, Cornell Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 161, S. 126 Abb. 12:

George Shepherd: Crazy Kate, 1815 Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 163, S. 127.

Abb. 13:

Francisco Goya: Corral de Locos, 1793-1794 Öl auf Zinkblech, 43,5 x 32,4 cm Meadows Museum, Southern Methodist University, Sammlung Algur H. Meadows, Dallas Abbildung nach Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Goya. Prophet der Moderne, Ausst. Kat. Alte Nationalgalerie Berlin und Kunsthistorisches Museum Wien, Köln 2005, Abb. 32, S. 139.

Abb. 14:

Francisco Goya: Casa de Locos, 1808-1814 Öl auf Leinwand, 45 x 72 cm Museo de la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid Abbildung nach Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Goya. Prophet der 104

Moderne, Ausst. Kat. Alte Nationalgalerie Berlin und Kunsthistorisches Museum Wien, Köln 2005, Abb. 122, S. 287. Abb. 15:

Eugène Delacroix: Torquato Tasso im St. Anna-Hospital von Ferrara, 1824 Öl auf Leinwand, 50 x 61 cm Privatsammlung Abbildung nach Peter Rautmann: Eugène Delacroix, München 1997, Abb. 7, S. 26.

Abb. 16:

Eugène Delacroix: Torquato Tasso im St. Anna-Hospital von Ferrara, 1839 Öl auf Leinwand, 60,5 x 50 cm Sammlung Oskar Reinhart, Winterthur Abbildung nach Peter Rautmann: Eugène Delacroix, München 1997, Abb. 8, S. 28.

Abb. 17:

Anonym: Idiotie und Manie Abbildung nach Philippe Pinel: Philosophisch-medicinische Abhandlung über Geistesverirrungen oder Manie, Wien 1801, Taf. 2.

Abb. 18:

Georges F.M. Gabriel: Mélancolie Abbildung nach Jean-Étienne Dominique Esquirol: „Folie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1816, Bd. 16, Taf. 1.

Abb. 19:

Georges F.M. Gabriel: Manie avec Fureur Abbildung nach Jean-Étienne Dominique Esquirol: „Folie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1816, Bd. 16, Taf. 2.

Abb. 20:

Georges F.M. Gabriel: Démence Abbildung nach Jean-Étienne Dominique Esquirol: „Folie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1816, Bd. 16, Taf. 3.

Abb. 21:

Georges F.M. Gabriel: Idiotisme Abbildung nach Jean-Étienne Dominique Esquirol: „Folie“, in: Nicolas P. Adelon, François Pierre Chaumeton et al. (Hrsg.): Dictionnaire des Sciences Médicales, Paris 1816, Bd. 16, Taf. 4.

Abb. 22:

Ambroise Tardieu: Melancholie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 16. Abb. 23:

Ambroise Tardieu: Melancholie 105

Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 21. Abb. 24:

Ambroise Tardieu: Melancholie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 26. Abb. 25:

Ambroise Tardieu: Dämonomanie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 31. Abb. 26:

Ambroise Tardieu: Dämonomanie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 36. Abb. 27:

Ambroise Tardieu: Manie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 41. Abb. 28:

Ambroise Tardieu: Manie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 46. Abb. 29:

Ambroise Tardieu: Manie (geheilte Patientin von Abb. 28) Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 51. Abb. 30:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit nach Manie Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 57. Abb. 31:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit nach Manie (geheilte Patientin von Abb. 30) Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 61. Abb. 32:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den 106

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 67. Abb. 33:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 71. Abb. 34:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 76. Abb. 35:

Ambroise Tardieu: Verwirrtheit Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 80. Abb. 36:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 86. Abb. 37:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 91. Abb. 38:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 99. Abb. 39:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 104. Abb. 40:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 111. Abb. 41:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 119. 107

Abb. 42:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 125. Abb. 43:

Ambroise Tardieu: Idiot Abbildung

nach

Jean-Étienne

Dominique

Esquirol:

Von

den

Geisteskrankheiten, hrsg. von Erwin H. Ackerknecht, übersetzt von W. Bernhard, Bern, Stuttgart, S. 135. Abb. 44:

Théodore Géricault: Le Monomane du Vol, 1819-1824 Öl auf Leinwand, 61,2 x 50, 2 cm Museum voor Schonen Kunsten, Gent Abbildung nach Sylvain Laveissière (Hrsg.): Géricault, Ausst. Kat. Galeries Nationales du Grand Palais Paris, Paris 1991, Abb. 378, S. 245.

Abb. 45:

Théodore Géricault:: La Monomane du Jeu, 1819-1824 Öl auf Leinwand, 77 x 64, 5 cm Louvre, Paris Abbildung nach Sylvain Laveissière (Hrsg.): Géricault, Ausst. Kat. Galeries Nationales du Grand Palais Paris, Paris 1991, Abb. 379, S. 246.

Abb. 46:

Théodore Géricault: La Monomane de l´Envie, 1819-1824 Öl auf Leinwand, 72 x 58 cm Musée des Beaux-Arts, Lyon Abbildung nach Sylvain Laveissière (Hrsg.): Géricault, Ausst. Kat. Galeries Nationales du Grand Palais Paris, Paris 1991, Abb. 380, S. 247.

Abb. 47:

Théodore Géricault: Le Monomane du Commandement Militaire, 18191824 Öl auf Leinwand, 81 x 65 cm Sammlung Oskar Reinhart, Winterthur Abbildung nach Sylvain Laveissière (Hrsg.): Géricault, Ausst. Kat. Galeries Nationales du Grand Palais Paris, Paris 1991, Abb. 381, S. 248.

Abb. 48:

Théodore Géricault: Le Monomane du Vol d´Enfants, 1819-1824 Öl auf Leinwand, 64,8 x 54 cm Museum of Fine Arts, Springfield (Massachusetts) Abbildung nach Sylvain Laveissière (Hrsg.): Géricault, Ausst. Kat., Galeries Nationales du Grand Palais Paris, Paris 1991, Abb. 382, S. 108

249. Abb. 49:

Wilhelm Kaulbach: Illustration zu Friedrich Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre: Der Sonnenwirt bei Hannchen, 1831-1835 Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Kupferstichkabinett, Berlin Abbildung nach Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Lepizig und Bielefeld 1906, Abb. 8, S. 10.

Abb. 50:

Wilhelm Kaulbach: Illustration zu Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre: Der Sonnenwirt als entlassener Sträfling heimkehrend, 1831-1835 Graphit, 38,5 x 56,8 cm Kupferstichkabinett, Berlin Abbildung nach Birgit Kümmel: Wilhelm von Kaulbach als Zeichner 1804-1874, Ausst. Kat. Bad Arolsen, Bad Arolsen 2001, Abb. 40b, S. 57.

Abb. 51:

Wilhelm Kaulbach: Illustration zu Schillers Verbrecher aus verlorener Ehre: Der Sonnenwirt als Wilddieb vor Gericht, 1835 Graphit, 40,8 x 53,4 cm Kupferstichkabinett, Berlin Abbildung nach Birgit Kümmel: Wilhelm von Kaulbach als Zeichner 1804-1874, Ausst. Kat. Bad Arolsen, Bad Arolsen 2001, Abb. 40a, S. 56.

Abb. 52:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Melancholie Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 1.

Abb. 53:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Manie Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 2.

Abb. 54:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Manie Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 3.

Abb. 55:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Blödsinn Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 4.

Abb. 56:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Dämonomanie 109

Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 5. Abb. 57:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Figur von Abb. 56 nach dem Tod Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 6.

Abb. 58:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Schädel der Figur von Abb. 56 Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 7

Abb. 59:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Dämonomanie Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 8.

Abb. 60:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Manie Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 9.

Abb. 61:

Friedrich Milde nach Georges F.M. Gabriel: Figur von Abb. 60 in geheiltem Zustand Abbildung nach Jean Étienne Dominique Esquirol: Esquirol´s allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen, bearbeitet von Karl Christian Hille, Leipzig 1827, Taf. 10.

Abb. 62:

Abb. 46 gespiegelt

Abb. 63:

Ludwig Knaus: Hessisches Leichenbegräbnis im Winter, 1871 Öl auf Leinwand, 131 x 100 cm Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Marburg Abbildung nach Ulrich Schmidt (Hrsg.): Ludwig Knaus 1829-1910, Hanau 1979, Taf. X, S. 128.

Abb. 64:

Ludwig Knaus: Die Falschspieler, 1851 Öl auf Leinwand, 81 x 104 cm Kunstmuseum, Düsseldorf Abbildung nach Ulrich Schmidt (Hrsg.): Ludwig Knaus 1829-1910, Hanau 1979, Abb. 31, S. 142.

Abb. 65:

Katherine Drake: Lunatic´s Ball, 1848 110

Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Royal College of Psychiatrists, London Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 193, S. 149. Abb. 66:

Anonym: Ball der Insassen der Anstalt von Blackwell´s Island, East River, New York Aus Frank Leslie´s Illustrated Newspaper, 9. Dezember 1865 Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 194, S. 181.

Abb. 67:

Konrad Fäsi-Gessner: Festliche Mahlzeit in der Oberpfründerstube der Irrenanstalt Zürich, um 1840 Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 190, S. 147.

Abb. 68:

Konrad Fäsi-Gessner: Singstunde in der Oberpfründerstube, um 1840 Keine Angaben zu Technik und Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 191, S. 147.

Abb. 69:

Wilhelm Kaulbach: Peter Arbuez, 1869 Keine Angaben zu Technik, Bildmaßen und Aufbewahrungsort Abbildung nach Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Lepizig, Bielefeld 1906, Abb. 118, S. 106.

Abb. 70:

Wilhelm Kaulbach: Der deutsche heilige Michel, 1873 Keine Angaben zu Technik, Bildmaßen und Aufbewahrungsort Abbildung nach Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Lepizig, Bielefeld 1906, Abb. 130, S. 115.

Abb. 71

Wilhelm Kaulbach: Entwurf Totentanz 1848, um 1850 Keine Angaben zu Technik, Bildmaßen und Aufbewahrungsort Abbildung nach Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Lepizig, Bielefeld 1906, Abb. 35, S. 35.

Abb. 72:

Wilhelm Kaulbach: Entwurf Totentanz Napoleon I., 1860 Keine Angaben zu Technik, Bildmaßen und Aufbewahrungsort Abbildung nach Fritz von Ostini: Wilhelm von Kaulbach, Lepizig, Bielefeld 1906, Abb. 70, S. 62.

Abb. 73:

Peter Cornelius: Der Kampf um den Leichnam des Patroklos, 18281829 111

Kohle auf Papier, aufgezogen auf Leinwand, 402,7 x 812,3 cm Alte Nationalgalerie, Berlin Abbildung nach León Krempel, Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Die Götter Griechenlands. Peter Cornelius (1783-1867). Die Kartons für die Fresken der Glyptothek in München aus der Nationalgalerie Berlin, Ausst. Kat. Haus der Kunst München und Alte Nationalgalerie Berlin, Berlin, Köln 2004, Abb. 38. Abb. 74:

Peter Cornelius: Illustration zu Goethes Faust: Szene im Dom, 1811 Federzeichnung auf kräftigem Vélin, 46,2 cm x 56,8 cm Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main Abbildung

nach

Martin

Sonnabend

(Hrsg.):

Peter

Cornelius.

Zeichnungen zu Goethes Faust, Ausst. Kat. Städtische Galerie im Städel, Frankfurt am Main, Mainz 1991, Abb. 9, S. 41. Abb. 75:

Daniel Urrabiata y Vierge: Irrenhaushof, 1880 Gouache auf Papier, keine Angaben zu den Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 280, S. 211.

Abb. 76:

José Jimenes Aranda: La Loca, 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Keine Angaben zu Technik, Bildmaßen und Aufbewahrungsort Abbildung nach Therese Bhattacharya-Stettler: Nox Mentis. Darstellung von Wahnsinn in der Kunst des 19. Jahrhunderts, Bern 1989, Abb. 65.

Abb. 77:

Antoine Wiertz: Faim, Folie, Crime, 1853 Öl auf Leinwand, 150 x 165 cm Musée Wiertz, Brüssel Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 277, S. 209.

Abb. 78:

Armand Gautier: Folles de la Salpêtrière: Cour des Agitées, 1857 Lithographie, keine Angabe zu den Bildmaßen Clements Fry Collection, Yale Abbildung nach Sander L. Gilman: Seeing the Insane, New York 1982, Abb. 176, S. 141.

Abb. 79:

Wilhelm Kaulbach: Szene aus Goethes Reineke Fuchs, um 1843 Stahlstich, keine Angaben zu den Bildmaßen Illustration aus Johann Wolfgang von Goethe: Reineke Fuchs, Stuttgart 1846, 1. Gesang Abbildung nach Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Arolsen 1978, S. 106. 112

Abb. 80:

Wilhelm Kaulbach: Szene aus Goethes Reineke Fuchs, um 1843 Stahlstich, keine Angaben zu den Bildmaßen Illustration aus Johann Wolfgang von Goethe: Reineke Fuchs, Stuttgart 1846, 4. Gesang Abbildung nach Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Arolsen 1978, S. 106.

Abb. 81:

Wilhelm Kaulbach: Szene aus Goethes Reineke Fuchs, um 1843 Bleistift, 23,6 x 24,7 cm Illustration zu Johann Wolfgang von Goethe: Reineke Fuchs, Stuttgart 1846, 7. Gesang Städtische Galerie, München Abbildung nach Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Arolsen 1978, S. 106.

Abb. 82:

Wilhelm Kaulbach: Das Studium der deutschen Künstler neuerer Zeit in Rom, um 1848 Öl auf Leinwand, 81,8 x 168,8 cm Neue Pinakothek, München Abbildung nach Herbert W. Rott (Hrsg.): Ludwig I. und Neue Pinakothek, Abb. 8, S. 92.

Abb. 83:

Wilhelm Kaulbach: Die Bekämpfung des Zopfes durch Künstler und Gelehrte unter dem Schutz der Minerva, 1851 Öl auf Leinwand, 81,3 x 179,5 cm Neue Pinakothek, München Abbildung nach Herbert W. Rott (Hrsg.): Ludwig I. und Neue Pinakothek, Abb. 7, S. 92

Abb. 84:

Wilhelm Kaulbach: Cornelius auf dem Flügelpferd, 1849 Feder, 22,3 x 34,5 cm Kupferstichkabinett, Berlin Abbildung nach Evelyn Lehmann, Elke Riemer: Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Arolsen 1978, S. 116.

Abb. 85:

Wilhelm Kaulbach: Wie der schöne Genius den Meister bekränzt, keine Angabe zum Entstehungsjahr Feder, 28,5 x 20,7 cm Stadtmuseum, München Abbildung nach Birgit Kümmel: Wilhelm von Kaulbach als Zeichner, Ausst. Kat. Museum Bad Arolsen, Bad Arolsen 2001, Abb. 62, S. 89.

113

Abbildungsverzeichnis

Abb.1

Abb. 2

114

Abb. 3

Abb. 4 115

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

116

Abb. 8

Abb. 9

Abb. 10

Abb. 11

117

Abb. 12

Abb. 13

Abb.14

Abb. 15

Abb. 16

118

Abb. 17

Abb. 18

Abb. 19

119

Abb. 20

Abb. 22

Abb. 21

Abb. 23

Abb. 24

120

Abb. 25

Abb. 26

Abb. 27

Abb. 28

Abb. 29

Abb. 30

Abb. 31

Abb. 32

Abb. 33 121

Abb. 34

Abb. 35

Abb. 36

Abb. 37

Abb. 38

Abb. 39

Abb. 40

Abb. 41

Abb. 42 122

Abb. 43

Abb. 44

Abb. 45

Abb. 46

Abb. 47

Abb. 48 123

Abb. 49

Abb. 50

Abb. 51

124

Abb. 52

Abb. 55

Abb. 58

Abb. 53

Abb. 56

Abb. 59

Abb. 54

Abb. 57

Abb. 60

125

Abb. 61

Abb. 62

Abb. 63

Abb. 64 126

Abb. 65

Abb. 66

Abb. 67

Abb. 68 127

Abb. 69

Abb. 70

Abb. 71

Abb. 72 128

Abb. 73

Abb. 74

Abb. 75 129

Abb. 76

Abb. 77

Abb. 78

Abb. 79

Abb. 80 130

Abb. 81

Abb. 82

Abb. 83 131

Abb. 84

Abb. 85

132

[PDF] Wilhelm Kaulbachs Narrenhaus (um 1830) - Free Download PDF (2024)
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Name: Moshe Kshlerin

Birthday: 1994-01-25

Address: Suite 609 315 Lupita Unions, Ronnieburgh, MI 62697

Phone: +2424755286529

Job: District Education Designer

Hobby: Yoga, Gunsmithing, Singing, 3D printing, Nordic skating, Soapmaking, Juggling

Introduction: My name is Moshe Kshlerin, I am a gleaming, attractive, outstanding, pleasant, delightful, outstanding, famous person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.